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Heidelberger Volksblatt (69) — 1934 (Nr. 226-299)

DOI issue:
Nr. 281 - Nr. 290 (6. Dezember - 18. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43252#0609
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WMmAaii und Kunst / Aus brr Mll der Frau / Sie ZrWsM

Wzer Sole

Mittwoch, 12. Dezember 1934

69. Zahrgavg / Ar. 2SS

Bischof Korum und die Gaarfrage
Live besonders grobe Geschmacklosigkeit der Separatisten

Mn« besonders grobe Geschmacklosigkeit und
Niederträchtigkeit hat sich die separatistische
Eaarpresse in der letzten Zeit erlaubt, indem sie
stch bemühte, den verstorbenen Bischof
Norum für ihre politischen Zwecke zu miß-
brauchen. Der Saarbrücker „Generalanzeiger"
hat sich nicht gescheut, die Ehre dieses großen
Toten, dessen deutsche Gesinnung jederzeit über
"lle Zweifel erhaben war, anzutasten, indem er
ihm nachsagte, er habe sich „vergeblich für eine
kirchliche Selbständigkeit des Saargebietes ein-
gesetzt". Dadurch habe er die in der Verbin-
dung mit dem deutschen Mutterlande bedroh
i«n kirchlichen und religiösen Belange des Saar-
Sebtetes sichern wollen- Leider habe er sein Ziel
dicht erreicht. Warum? Weil „allem Anschein
"ach der politische Scharfblick Easparri's nicht
I« weit gereicht hat", daß er die weitschauenden
Pläne des Trierer Oberhirten gutgeheitzen und
verwirklicht hätte, da „der Kardinal ein allzu
^friger Bewunderer des preußischen Zentrums
war und auf diesen „Rocher de bronce" seine
Zutsche Kirchenpolitik fundiert hatte".
Gegen diese geschmacklosen Entgleisungen, in
denen die Tatsachen geradezu auf den Kopf ge-
ktellt werden, nimmt in der „Saarbrücker Lan-
deszeitung" der bekannte Trierer Professor Dr.
Netter Stellung, der von 1916 bis 1921 Ee-
heimsekretär des Bischofs war. Dr. Ketter
schreibt u. a.:
„Bischof Dr. Korum hat niemals ein Hehl
daraus gemacht, daß er die Losreißung des ur-
deutschen Saargebietes vom Mutterland ebenso

wie andere Bestimmungen des Versailler Ver-
trages für ein großes Unglück und eine Unge-
rechtigkeit hielt. Nie werde ich vergessen, wie
der ritterliche Charakter des Bischofs stch auf-
bäumte, als die dem wehrlosen Deutschland auf-
gezwungenen Bedingungen bekannt wurden- Er
litt geradezu körperlich darunter. Nie hat er sich
gescheut, auch gegenüber den höchsten Vertretern
der Siegerstaaten seinem Schmerz und seiner
Empörung darüber Ausdruck zu geben. In der
Hoffnung, etwas zum Besten des entrechteten
deutschen Volkes und nicht zuletzt seiner Diöze-
sanen im Saargebiet tun zu können, hat er die
Einladung der deutschen Regierung zur Teil-
nahme an den Friedensverhandlungen in Ver-
sailles trotz seines hohen Alters angenommen,
hat mitten im Winter die damals so beschwer-
liche Reise nach Berlin gemacht, wo er acht
Tage hindurch Vorbesprechungen mit den maß-
gebenden Stellen hatte. Zu seinem größten Be-
dauern wurde er dann doch nicht nach Versailles
berufen. Die Gründe hat er nie erfahren, aber
sie lagen nicht auf deutscher Seite. Vom ersten
Tage der Besatzung an erklärte der Bischof
immer wieder: „Wir müssen den armen Leuten
an der Saar um jeden Preis die Treue be-
wahren.
Sie sollen wissen, daß ich nach wie vor ihr
Bischof bin. Die kirchliche Einheit muß
unter allen Umständen erhalten bleiben.
Das ist jetzt das feste Band, das die treue
Saarbevölkerung mit ihrer deutschen Hei-

mat verbindet. Es darf nicht gelockert
werden."
Der Verfasser schildert dann die fortgesetzten
französischen Bemühungen um die Errichtung
eines Saarbistums. Der Bischof fuhr nach Rom.
„Auf der Hinfahrt war er gedrückt und gesund-
heitlich so elend, daß ich fürchtete, mit einem
toten Bischof heimfahren zu müssen. Der Papst
fragte ihn: „Wieviel Prozent ihrer Diözesanen
im Saargebiet verstehen eigentlich deutsch?" So
war nicht nur in Versailles, sondern auch in
Rom die Saarbevölkerung in bewußter Absicht
geschildert worden. Der Bischof erwiderte:
„Heiliger Vater! Wenn ich auch nur in
einer einzigen Gemeinde des Saargebietes
auf der Kanzel zehn Sätze französisch spräche,
so verstünde mich von der einheimischen
Bevölkerung kein Mensch, falls er keine
höhere Schule besucht hat."
Als der neue Oberhirte, Bischof Bornewasser,
nach dem Tode Korums seine erste Rundfahrt
zum Schutze der Trierer Kirche antrat, auf der
ihn der Verfasser des Artikels ebenso wie er
früher mit Korum reiste, begleiten durfte, war
diese mit gleich „gutem Erfolg gesegnet wie die
letzte Fahrt des Vorgängers", Abschließend stellt
der Verfasser fest: „Wem es also wirklich um
die Wahrheit und um die Sache der Kirchs zu
tun ist, der darf in der Saarfrage keinen Gegen-
satz zwischen Bischof Korum und Bischof Borne-
wasser konstruieren, sonst strafen ihn die Tat-
sachen Lügen."

Aach der Genfer Vertagung

des Völkerbundes"?
P«ris bucht das Ergebnis als Erfolg
Frankreichs
DNB Paris, 11. Dez.
Rach der Verabschiedung der ungarisch-süd-
üawischen Frage in Genf soll Laval zu dem
Ungarischen Außenminister von Kanya gesagt
^ben: „Sie müssen sich jetzt aufgrund der
Unterstützung, die wir Südslawien gewährt
Mben, darüber klar sein, daß die Freundschaft
Frankreichs etwas festes ist. Wenn Sie sie sich
verdienen, werden Sie diese Freundschaft mit!
Reichem Anrecht und in derselben Eigenschaft
Erhalten!"
. Die französische Presse betrachtete den Abschluß
Genf als eine Festigung der politischen Stel-
Ung Frankreichs, als eine gute Einleitung der
französisch-italienischen Fühlungnahme und als
Eine Aufwertung des Völkerbundes
stch. Zwei Pressestimmen mögen als Bei-
prel angeführt werden: Der „Petit Part-
ien" schreibt, Ungarn habe sich nicht auf ein
"Mögliches Verteidigungssystem versteift. Nach
"sanglicher anmaßender Haltung hätten sich
fUh di« ungarischen Abgeordneten gemäßigt und
^9egenkomm«nde Haltung gezeigt. Die Ent-
^eidnng sei keines jener nebelhaften Doku-
Ente, wie sie sonst häufig den Abschluß der
enfer Beratungen bildeten, sondern ein klar
nd bestimmt gehaltenes Schriftstück. Siidsla-
len habe mit Unterstützung Frankreichs, der
Einen Entente und der Balkanunion auf der
^"Zen Linie gesiegt. — Auch das „Echo de
arts" steht auf dem Standpunkt, daß die
lein« Entente zufrieden sein könne. Hoffent-
H werde die südslawische Regierung künftig
^Entrüsteten und heftigen Ausbrüche des süd-
^vischen Volkes beschwichtigen können. Die
"Torische Revisionspolitik habe etwas von ihrer

Schlagkraft verloren. Die Kleine Entente hab«
stch aufs Neue gefestigt und di« Verbindungen
zur Türkei und Sowjetrußland ausbauen zu
können. Das Bündnis der Kleinen Entente
und Frankreich Habe seine feierliche Bestätigung
erfahren. Durch die in Genf gefundene Lösung
könne die französisch-italienische Annäherung nur
gefördert werden.
dubapest
zur Genfer Entscheidung
DNB Budapest, 11. Dez.
Der Beschluß des Völkerbundsrates in der
ungarisch-südslawischen Streitfrage wird in hie-
sigen maßgebenden Kreisen als eine befrie-
digende Lösung begrüßt. Man unter-
streicht daß entgegen dem Antrag der Kleinen
Entente eine Verantwortung Ungarns am Mar-
seiller Königsmord keineswegs festgestellt wor-
den sei und die Ehre Ungarns unbe-
rührt aus dem Kampf hervorgehe. Man weist
ferner darauf hin, daß eine internationale
Untersuchung nicht beschlossen wurde, sondern
daß die ungarische Regierung jetzt in ihrem
eigenen Wirkungskreis die Untersuchung einer
Fahrlässigkeit untergeordneter Behörden durch-
zuführen habe- Besonders begrüßt wird vom
politischen Standpunkt, daß ein antirevisionisti-
scher Beschluß, der nach hiesiger Ansicht das
Hauptziel der Prager Regierung bei den Gen-
fer Verhandlungen war, infolge des Eingreifens
der englischen und italienischen Regierung nicht
zustandegekommen ist. Verschiedentlich wird dar-
auf hingewiesen, daß der südslawische Außen-
minister Ieftitsch im Gegensatz zu den Erklä-
rungen von Titulescu und Benesch eine versöhn-
lichere und gemäßigtere Haltung eingenommen
habe. Nach wie vor wird Außenminister
Benesch als der treibende Faktor in dem
ganzen Streitfall angesehen und festgestellt, daß
Herr Benesch zum erstenmal im Völkerbund eine

diplomatische Niederlage erlitten habe. In hie-
sigen maßgebenden Kreisen hofft man, daß nun-
mehr in den Beziehungen zwischen Ungar« und
Südslawien eine Entspannung und Beruhigung
eintreten und normale Beziehungen zwischen der
beiden Ländern wieder möglich sein werden.
Bisher steht noch nicht fest, zu welchem Zeit-
punkt die ungarische Regierung den vom Völ-
kerbundsrat angeforderten Bericht über die in-
nere ungarische Untersuchung einreichen wird.
Es wird jedoch angenommen, daß der Bericht
vor der Maitagung des Völkerbundes dem Rat
vorgelegt werden wird.
Südslawische Stimmen
DNB Belgrad, 11. Dez.
Aus den Schlagzeilen der Presse und aus
einigen Genfer Berichten geht die südslawische
Auffassung über das Genfer Urteil hervor. Die
halbamtliche „Vreme" stellt es so dar, daß
Südslawien einen glänzenden Erfolg errungen
und daß Ungarn kapituliert habe. Budapest
sei. von Italien verlassen, unter die Kontrolle
des Völkerbundes gestellt worden und habe da-
mit die größte Niederlage erlitten, die bisher
einem unabhängigen Staate zuteil geworden sei-
Die revisionistische Politik Ungarns sei für alle
Zukunft endgültig unmöglich, weil die Ironie
des Schicksals es gewollt habe, daß Budapest
selbst die Unversehrtheit und die Unabhängig-
keit aller Staaten, also auch der Nachbarstaaten,
habe feierlich garantieren müssen.
Die „Politik a", die sich sehr zurückhaltend
zeigt, hebt hervor, daß die einzelnen Abord-
nungen in Genf mit der allgemeinen Feststel-
lung auseinandergingen, daß Südslawien die
geforderte Genugtuung erhalten habe. Das
Blatt legt das Hauptgewicht auf die Feststellung,
daß die einstimmig angenommene Erklärung des
Völkerbundes das Höchstmaß dessen sei, was der
Völkerbund habe bieten können.

Die „Bibelforscher" entfalteten i« den
letzten Monate« eine rege Tätigkeit i« Posen
und Umgebung. Die Behörden erachteten ihre
Tätigkeit für schädlich und lösten die Bereini-
gung auf.

AiwrrwüMcher Optimismus
Henderson auf dem Bankett des Novelausfchssses
DNB Oslo, 11. Dez.
Der Nobelausschutz veranstaltete zu Ehre«
Arthur Hendersons ein Festbankett. Der
Nobelpreisträger, Henderson, ergriff auf die-
sem das Wort, um einige allgemeine Ausfüh-
rungen über die nächsten Ziele der Abrüstungs-
konferenz zu machen. Er sagte u. a., man dürfe
sich nicht zu sehr von den bisherigen Ergebnissen,
die auf dieser Konferenz gezeitigt wurden, ent-
mutigen lassen. Die Hauptaufgaben seien zu-
nächst, einen neuen Geisteszustand des
Verständnisses für die Absichten und Auf-
gaben der Abrüstungskonferenz zu schaffen.
Fortschritte in dieser Richtung seien bereits er-
zielt worden. Die Abrüstungskonfe-
renz lebe noch. Es werde von ausschlag-
gebender Wichtigkeit sein, daß bei der Wieder-
aufnahme der AbrüstungsLagungen eine ernst«
Einigung erzielt werde.
Die Londoner „Morningpost" bemerkt zu die-
ser Festansprache, Henderson habe seinen Sitz
in Genf nicht erkalten lassen und habe es ver-
standen, das Interesse der Konferenzteilnehmer
wach zu halten.. Er habe es verdient, daß ihm
der Friedensnobelpreis für das Fahr 1934 zu-
gesprochen wurde.
Enisendmg der Truppen-
kontingente bis 22. Dezember
DNB Genf, 11. Dez. Dienstag vormittag
tagte der Unterausschuß für die Saarfrage. Er
befaßte stch mit Einzelheiten über die Entsen-
dung der Truppenkontingente. Es wurde be-
schlossen, die Truppen, wen nmöglich, bis zum
22. Dezember ins Saargebiet zu schicken. Außer-
dem wurde die Frage der Zollfreiheit sowie ge-
wisse Verkehrsfragen im Zusammenhang mit
dieser Truppenentsendung behandelt. Technische
Einzelheiten, auch militärischer Natur, sollen
noch nach Schluß der Ratstagung von einem
militärischen Unterausschuß berate« und festge-
legt werden.
KPS-ZmktionÄe
vor dem Volksgerichtshof
DRV Berlin, 11- Dez.
Zn voraussichtlich zweitägiger Verhandlung
haben sich vor dem Volksgerichtshof in Berlin
sechs Kommunisten aus Frankfurt a. M., Köln
und Berlin zu verantworten, die zumteil bis in
den Juni 1933 hinein die hochverräterischen Um-
triebe der KPD im Rheinland, in Hetzen und
Frankfurt a. M. gefördert haben.
Die Anklage lautet gegen sämtliche Ange-
klagte bis auf den 27jährigen, aus freiem Fuß
befindlichen Georg Ernst auf Vorbereitung zum
Hochverrat, gegen den 29jährigen Bernhard
Bästlein auch auf Aufforderung zum Hochverrat
und schwere Fälschung privater und öffentlicher
Urkunden. Schwere Urkundenfälschung wird
schließlich auch dem 35jährigen Heinrich Rau
zur Last gelegt.
Unter den Angeschuldigten befinden sich be-
deutende Funktionäre, so vor allem der Haupt-
angeklagte Rau, der seit 1928 preußischer Land-
tagsabgeordneter war. Er hat längere Zeit
hindurch die Abteilung „Land" des Zentral-
komitees der KPD geleitet, will aber weder
Kandidat noch mittelbares Glied des Zentral-
komitees gewesen sein. Während der legalen
Zeit hatte er im Karl-Liebknecht-Haus zwei Ge-
schäftszimmer und wohnt« nach der Machtüber-
nahme durch den Nationalsozialismus unter dem
Decknamen „Heiner" in Berlin. Im Januar
und Februar vorigen Jahres unternahm er eine
Agitationsreise durch Südwestdeutschland. Der
Zweck dieser Reise sollen aber lediglich agrar-
politische Besprechungen mit den Landtags-
fraktionen im Auftrage des Europäischen
Bauern-Komitees gewesen fein- Am 23. Mai
vorigen Jahres wurde Rau in Frankfurt a. M.
bei einem Treffen in einem Frankfurter Kaffee-
haus festgenommen. Er befand stch im Besitz
 
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