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Heigelin, Karl Marcell
Lehrbuch der höheren Baukunst für Deutsche (Band 3) — Leipzig, [1833]

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https://doi.org/10.11588/diglit.3372#0059
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nen — was für Konstruktionen geometrisch, für den Effekt der For-
men perspektivisch geschehen muss — sollte fast nie ein bloses Kopi-
ren sein; denn wenige Bauwerke sind völlig rein, oder von histori-
schen Einseitigkeiten frei. Der studirende Künstler soll sich aber frei
erhalten von Autoritäten, und Alles zu seinem Eigenthum machen; das
heist: das Gesehene immer verarbeiten, es bald mehr, bald weniger
idealisiren. Die Kunst allein soll er suchen, und sie nicht über der
einzelnen Erscheinung aus den Augen verlieren. So wird aufs Zwek-
mäsigste eine fortwährende Übung im Entwerfen an die Studien nach
bestehenden Kunstwerken angeknüpft. — Gerade den entgegengesezten
Weg schlagen die französischen und mit ihnen viele andere Architek-
ten ein, indem sie eine Menge Zeit auf die genaueste, ins Kleinlichste
gehende Aufnahme antiker und anderer Bauwerke wenden, und dabei
sich mit Ängstlichkeit auch um die Ergänzung der zerstörten Theile
bemühen. Solche Studien und Restaurazionen bereichern zwar die
Kunstgeschichte, fördern aber das Talent des Künstlers sehr wenig.

Eine besondere Übung, mit welcher schon frühzeitig der Anfang
gemacht, und welche bei fortgesezten Studien stets weiter getrieben
werden muss, ist die des Formen-Gedächtnisses — fnicht diejenige
blos, welche durch die Beschäftigung mit dem Fache schon von selbst
erfolgt, sondern eine eigens eingeleitete. Man gebe dem Schüler hie
und da die Aufgabe, eine einzelne Konstrukzion, oder ein Ornament,
zuerst genau zu betrachten, und dann nach kürzerer oder längerer Zeit
aus dem Gedächtnisse aufzuzeichnen. Der gereiftere Architekt dehne
die Aufgabe auf stets grösere, zusammengeseztere Gegenstände, auf
schwieriger festzuhaltende Verhältnisse u. s. w. aus, und verlängere
die Zeit bis zum Aufzeichnen immer mehr. Diese Übung leistet nicht
nur auf Reisen und später bei den Arbeiten des Berufes die bequem-
 
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