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Heise, Carl Georg; Holbein, Hans
Hans Holbein d. J. - die Gesandten — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 43: Stuttgart: Philipp Reclam Jun., 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.61227#0036
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gab es eine feierliche Zusammenkunft von Franz und
Heinrich in Calais und Boulogne, der sicher auch Dinte-
ville beigewohnt hat. Noch unvermählt, hat auch Anne
Boleyn (Abb. 13) an den Festlichkeiten teilgenommen. Die
erstrebte Scheidung von seiner ersten Frau machte Hein-
rich einer Annäherung an den Papst geneigt; um sich ihm
entgegenkommend zu zeigen, wurde ein Geheimbündnis
gegen die Türken abgeschlossen — eine reine Farce, da
Franz damals auf bestem Fuße mit dem Sultan Soliman
stand. Im Grunde richtete sich alles gegen den Kaiser,
dessen Tante Katharina von Aragonien war, die erste
in der langen Reihe der Gattinnen Heinrichs VIII., die
es jetzt zu beseitigen galt.
Dinteville hat beides in London miterlebt: die feier-
liche Krönung der Anne Boleyn am 23. Mai 1533 — und
nach kaum drei Jahren die Hinrichtung der Königin
im Tower am 17. Mai 1536. Im ungemein pomphaften
Krönungszug (Abb. 14) ritt er neben Cranmer, dem Erz-
bischof von Canterbury, der als Kreatur des Königs
soeben die Scheidung für rechtsgültig erklärt hatte, und
beim Essen saß er mit dem venezianischen Gesandten in
einer versteckt angebrachten Loge neben Heinrich VIII.,
der von dort aus die glanzvolle Festtafel unbeobachtet
überschauen konnte. Der Gesandte Frankreichs wurde in
jeder Weise ausgezeichnet, der König erwartete viel von
ihm. Eben hatte Dinteville berichten können, daß die
beiden nach Bologna entsandten französischen Kardinale
Günstiges bei Clemens VII. erwirkt hatten: Ein Heirats-
projekt — eine Nichte des Papstes, eine Medici, war dem
zweiten Sohn Franz’ I. zugedacht — sollte den Heiligen
Vater der französischen Politik geneigt machen. Als Be-
dingung war die Bewilligung der Scheidung des eng-
lischen Königs gestellt. Ein persönliches Zusammentreffen
von Clemens und Franz, bei dem auch England durch
Gesandte vertreten sein würde, sollte die Abmachungen
besiegeln. Dinteville hatte daraufhin Heinrich beschwo-
ren, seine Heiratsabsichten noch geheimzuhalten. Des
Königs Voreiligkeit hatte die übelsten Folgen. Der Papst,
gerade jetzt dem habsburgischen Lager stark verpflichtet,
drohte mit Exkommunikation, die dann später auch aus-

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