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Heise, Carl Georg; Holbein, Hans
Hans Holbein d. J. - die Gesandten — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 43: Stuttgart: Philipp Reclam Jun., 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.61227#0040
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GEORGE DE SELVE
1508/09-1541

Hat man den weltlichen Diplomaten Dinteville mit
Recht als einen typischen Vertreter seines Standes
bezeichnet, so war sein Freund George de Selve im geist-
lichen Bereich mehr als das: ein leuchtendes Vorbild, der
Edelsten einer, eine Ausnahmeerscheinung innerhalb des
vielfach so unfrommen und korrumpierten Klerus seiner
Zeit. Wäre er nicht im frühen Mannesalter, dreiund-
dreißigjährig, von einem infektiösen Fieber dahingerafft
worden, das er sich im Dienste seines Monarchen in den
Niederlanden geholt hatte, er hätte es bis zum Ruhm
eines Heiligen, zum mindesten aber zu dem eines der
Väter der Gegenreformation bringen können, wie manche
seiner Freunde, wie Dan&s und Bunel in Frankreich, der
englische Kardinal Reginald Pole, die Italiener Pietro
Bembo und Jacopo Sadeleto, die zum Teil von seinem
Geistesgut sich genährt und seine lautere Sinnesart un-
ermüdlich gerühmt haben. Noch 1559, achtzehn Jahre
nach seinem Tode, wurden seine gesammelten Werke her-
ausgegeben und haben weithin gewirkt.
Im geschichtlichen Gedächtnis dagegen steht sein Wir-
ken als Diplomat im Vordergründe. Auch er hat die
Vorteile genossen, als Sohn eines hochangesehenen Va-
ters, Jean de Selve, des Präsidenten des Pariser Parla-
ments, sehr früh und noch ohne entscheidendes eigenes
Verdienst zu äußeren Ehren aufzusteigen: Achtzehnjährig
wird er Bischof von Lavaur, sechs Jahre vor dem für
solches Amt vorgeschriebenen kanonischen Alter, durch
Dispens des Papstes. Sein Vater war mit Franz I. in
Italien gewesen, hatte nach der Schlacht von Marignano
als Vizegouverneur das Herzogtum Mailand verwaltet
und hatte später wesentlichen Anteil an den schwierigen
Verhandlungen zur Auslösung des gefangenen Königs
beim Frieden von Madrid. Die Zuwendung der bedeu-
tenden Pfründe an den Sohn — König und Königin-
mutter setzten sich in beschwörenden Briefen persönlich
dafür ein, gegen den Einspruch des Kardinallegaten Cler-

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