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Hugo Helbing <München> [Hrsg.]
Keramik, figürliche Terrakotten, Marmorbildwerke, Bronze- und Edelmetallarbeiten der vorgeschichtlichen Zeit und des klassischen Altertums inkl. spätrömischer und Völkerwanderungszeit: Sammlung Professor Dr. Jul. Naue †, München ; Auktion in München in der Galerie Helbing, Dienstag den 19. Mai 1908 — München, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.15744#0009
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VORWORT.

m 19. März 1907 verlor das geistige München in Professor Dr. Naue einen im Können und Wissen

gleich hervorragenden Mann — bedeutend schon durch die seltene Verbindung des Genies des frei

schaffenden Künstlers mit der mühsamen Geduldarbeit des Forschers, des Fachgelehrten. Naue
als Glied der Schwindschule, als geachteten Vertreter der Historienmalerei der Romantik zu würdigen,
mag hier unterbleiben. Es sei nur daran erinnert, daß Naue dem Altmeister Schwind mehr war als ein
eifriger Schüler, daß er zu Schwind in einem innigen Freundschaftsverhältnis stand, dessen herrlichstes
Denkmal die reiche Schwindsammlung ist, wohl der bedeutendste Schatz an Originalarbeiten des Meisters,
der existiert: ein köstlicher Besitz, der zum Zwecke der im Juni d. J. unter meiner Leitung stattfindenden
Versteigerung durch einen besonderen Katalog inventarisiert werden wird.

Hier am Eingang des Verzeichnisses des archäologischen Nachlasses Naues sei nur sein Ver-
hältnis zur Altertumswissenschaft hervorgehoben. Das Interesse an den Altertümern der Vorzeit ist an
sich ja wohl so alt wie die Geschichtsschreibung selbst und namentlich in der Vergangenheit unseres
Volkes ist jeder Aufschwung der geistigen Kultur innig verknüpft mit einer liebevollen Erinnerung an
die Helden, an das Leben der Frühzeit. So schon in der Karolingischen Renaissance, so im Zeitalter
des Humanismus. Und die Kunst- und Raritäten-Kabinette des 16. Jahrhunderts und der späteren Epoche
folgten nur dem Zuge der Zeit, wenn sie den Zeugen grauester Vergangenheit einen Ehrenplatz in ihren
Schaukästen einräumten. Freilich trat da mehr Falsches als Echtes zutage; ein wissenschaftliches
Erforschen der Urzeit, ein wissenschaftliches Öffnen der Gräber kam ja noch nicht in Frage. Und doch
reden für die Jahrtausende der vorgeschichtlichen Zeit, außer den Folgerungen der vergleichenden
Sprachwissenschaft, nur die Gräber der heidnischen Vorzeit, denn mit dem Sieg des Christentums
hört das Begaben der Toten auf. Diese Gräberforschung blieb aber zumal in Bayern lange ein Stief-
kind der Wissenschaft. Hier setzt die Bedeutung NAUES ein: der Historienmaler, der Schilderer
der Sagen unserer Vorzeit und der großen Helden der Völkerwanderung wurde zum leidenschaftlichen
Prähistoriker, er begann in seinen Kompositionen das Milieu, namentlich die Waffen, den Schmuck, mit
einer realistischen Treue darzustellen, die innerhalb der Romantik geradezu einzig dasteht, und er endete
als einer der verdienstvollsten Vertreter der Erforschung der nationalen Vorzeit. Die großen Leistungen
Naues auf diesem Gebiete sind durch eine Menge ehrender Anerkennungen (Ehrendoktorat der
Universität Tübingen, Ehrenmitgliedschaft einer großen Zahl der bedeutendsten in- und ausländischen
Gelehrten - Korporationen) und durch die Urteile berufener Fachgelehrter bestätigt, am besten, am
dauerndsten dokumentieren sie seine größeren Arbeiten, namentlich die folgende Trilogie: „Die Hügel-
gräber zwischen Ammer- und Staffelsee" (1887), „Bronzezeit in Oberbayern" (1894) und „Die vor-
römischen Schwerter aus Kupfer" (1903).

Der vorliegende Katalog enthält von diesem eigensten Forschungsgebiet, von bayerischer Prä-
historica, nichts. Die diesbezüglichen Funde Naues blieben dem bayerischen Staat erhalten; sie bilden
den Grundstock des bayerischen prähistorischen Museums.

Dagegen enthüllt der vorliegende Katalog ein ganz neues eigenartiges Bild von Naues Sammel-
eifer in einer bestimmten, von der Prähistorik Bayerns weit entfernten Richtung: er interpretiert uns
Naues Interesse für die Vorgeschichte und früheste Geschichte der Wiege europäischer Kultur, der Mittel-
meerküsten, eine Liebe, die vielleicht bis in seine Gymnasialzeit zurückgeht. Hier liegt der Schwerpunkt
 
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