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ganzen Tag nichts darüber geredet, aber Nachmittags beim Spaziergang gesagt: „da habe ich
: nun in meinem Leben viele Verse gemacht, darunter sind ein paar Gute und viele mittelmässige,
da mahlt der Eyk e i n solches Bild, das mehr werth ist, als alles, was ich gemahlt habe . . ."
Wilhelm 2.-4. Juli 1816. Über seinen Besuch beiGoethe inWeimar.
„. . . Den Tod von Güthes Frau [Christiane] hatte ich in Kosen schon gehört, Riemer sagte mir
und die Schoppenhauer auch, dass er schrecklich gewesen wäre . . . Geweint hat er [Goethe]
laut über sie, und das wäre auch unnatütlicTi'gewesen, wenn er es nicht gethan hätte ... in-
dessen machte ich . . . einen Versuch, da ein Fremder ihm gerade angenehm in einer solchen
Stimmung kommen kann und ich mich erst melden liess. Er nahm mich an und war sehr freund-
lich und heiter, er fragte mich nach Dir, Deiner Frau, Kindern . . . Dann sprach er von man-
cherley woran man in der Zeit leicht denkt. Er rühmte so das herrliche in dem deutschen Volke,
wie sie gern eins wären und doch auch ihre Eigenthümlichkeit nicht im geringsten darum
wollten fahren lassen, dann wie so viel guter Wille gehemmt würde: ,wunderbar', sagte er, ,dass
dabei doch alles so eben steht, es ist wie bei den Korkmännchen die unten Blei haben'. Er kam
dann auf das lebendige religiöse Gefühl, das in der Zeit erwacht sei, und weil es so recht als eine
Nothwendigkeit gefühlt sei, a\s etwas, ohne das man nicht leben könne, werde es auch nicht
können unterdrückt werden. ,Der Herr Adam Müller und Friedrich Schlegel', sagte er, ,mögen
treiben was sie wollen, sie werden uns nicht nehmen, was wir einmal erworben haben, der Mensch
geht nicht wieder zurück und ein rechter Katholik ist eigentlich ein Protestant, denn er will
nicht anders. Nicht zahllos sind jene Bekehrer aber unzählbar, ich bin schon zu alt, um hierbei
von Gefahr zu sprechen' . . . Auch von der altdeutschen Literatur fing er ausführlich an zu
sprechen . . . Die Prosa-Uebersetzungen haben seinen Beifall und er sagte, sie wären mehr
nach seiner Ansicht als ich wohl glaubte ... Ich habe ihn niemals so freundlich und wohl-
wollend gesehen. Er arbeitet, wie Riemer sagt, viel und auch an dem vierten Bande seines
Lebens, Riemer selbst hat . . . soeben einen Band Gedichte herausgegeben . . ."
90 Arnim. 2 eigh. Briefe m. U. an Jakob und Wilhelm Grimm. Winkel unterm
Johannisberg, 22. Oktober 1811 u. Wiepersdorf, 18. Mai 1816. 11 Seiten. 4° und 8°.
Mit eigh. Briefumschlägen.
Berichtet von einer Rheinreise und von den von ihm besuchten Orten: Gellnhausen, mit
Besuch des Hundeshagenschen Palastes, Geisenheim, Trages [das Stammgut Savignys bei
Hanau] und Koblenz (Besuch bei Görres). ,,. . . Meine Frau denkt Deiner mit steter Freund-
schaft . . . Ich schiffte . . . mich recht lustig nach Coblenz zu unserm Görres ein . . . die
Niederträchtigkeit der Literatoren gegen ihn (Görres) fiel mir bitter in den Geschmack; auch
hätte ich gewünscht, G ö t h e nicht über Görres gehört zu haben . . . Die Heidelberger Jahr-
bücher hatten sich vor kurzem wieder an ihm gewendet und er hatte eine Rezension von Jean
Pauls sämmtlichen Schriften verfasst . . ." Auf besonderem Zettel schreibt er: „Das Buch
über Meistergesang schickt doch an G ö t h e , ich habe ihm viel davon gesprochen und er kannte
es nicht". Im Brief vom 18. Mai 1816 lädt er Wilhelm Grimm nach Wiepersdorf ein.
Arnim und die Reichardts.
91 Reichardt, Johann Friedrich, Komponist und Musikschriftsteller, mit Goethe, Arnim
und Brentano befreundet; 1752—1814. 15 eigh. Briefe m. U. An Achim von Ar-
n i m. Giebichenstein und Danzig 1805—1814. 4°. 48 Seiten.
Als die Franzosen 1806 nach der Schlacht von Jena bis Halle vordrangen, musste R. mit
seiner Familie, die er in Berlin zurückliess flüchten und wir treffen ihn als Protokollführer des
Kommandanten v. Kalkreuth in Danzig, Königsberg und Memel. Zwischendurch unternahm
er Reisen, dann kehrte er nach Giebichenstein zurück. In den Briefen schildert er die Erlebnisse
bei der Belagerung von Danzig durch die Franzosen, ferner berichtet er von seiner künstlerischen
Tätigkeit [Kompositionen Goethescher und Arnimscher Gedichte, Instrumentalwerke etc.],
besonders interessant auch seine Mitteilungen über die Weimarer Theaterzustände von 1807.
Namentlich erwähnt sind: Goethe, Kleist von Nollendorf, Nostiz, Savigny, Raumer, Pistor,
Stelzer, die Alberti, Kaiser Alexander, Prinz Wilhelm u. a.
16. IX. 1806......Ich will nun ... Ihr allerliebstes Spottlied, samt meinem . . . Kriegs-
lied für die Preussen dem Buchhändler ... zur schnellsten Besorgung des Drucks übergeben."
25. Juli 1805. „. . . Göthe hatt[en] — wir die 14 Tage auch hier [Giebichenstein], u.
ist aber mehr krank als gesund; er braucht jetzt in Lauchstädt] das Tropfbad u. komt dann
hoffentlich wohler wieder zurück . . ."
28. Nov. 1807. „. . . So hab' ich aber versprechen müssen gleich nach Neujahr wieder
hinzukommen [nach Weimar] auf Wochen dort zu bleiben u. neuen Geist . . . aufs Theater
zu bringen. Ich mache einige v dort. Stimmen angeregte Aenderung darin . . . Gerne macht'
ich auch in der Zeit etwas Neues für die J a g[e m a n n] u. S t r o h m e i e r s ganz herrliche
Bassstimme. ... Ich wollte Sie hätten Paers Camilla v diesen beiden gesehen . . . Weiter
hab' ich in der Zeit aber auch kaum etwas Leidliches gesehen ... G ö t h e , der in Jena die
Zeit über blieb, hatte uns einen gar magern Küchenzettel zurückgelassen. Der arme Prz. Wilh.
Auktionskatalog 149. Karl Ernst Henrici, Berlin W. 35.
ganzen Tag nichts darüber geredet, aber Nachmittags beim Spaziergang gesagt: „da habe ich
: nun in meinem Leben viele Verse gemacht, darunter sind ein paar Gute und viele mittelmässige,
da mahlt der Eyk e i n solches Bild, das mehr werth ist, als alles, was ich gemahlt habe . . ."
Wilhelm 2.-4. Juli 1816. Über seinen Besuch beiGoethe inWeimar.
„. . . Den Tod von Güthes Frau [Christiane] hatte ich in Kosen schon gehört, Riemer sagte mir
und die Schoppenhauer auch, dass er schrecklich gewesen wäre . . . Geweint hat er [Goethe]
laut über sie, und das wäre auch unnatütlicTi'gewesen, wenn er es nicht gethan hätte ... in-
dessen machte ich . . . einen Versuch, da ein Fremder ihm gerade angenehm in einer solchen
Stimmung kommen kann und ich mich erst melden liess. Er nahm mich an und war sehr freund-
lich und heiter, er fragte mich nach Dir, Deiner Frau, Kindern . . . Dann sprach er von man-
cherley woran man in der Zeit leicht denkt. Er rühmte so das herrliche in dem deutschen Volke,
wie sie gern eins wären und doch auch ihre Eigenthümlichkeit nicht im geringsten darum
wollten fahren lassen, dann wie so viel guter Wille gehemmt würde: ,wunderbar', sagte er, ,dass
dabei doch alles so eben steht, es ist wie bei den Korkmännchen die unten Blei haben'. Er kam
dann auf das lebendige religiöse Gefühl, das in der Zeit erwacht sei, und weil es so recht als eine
Nothwendigkeit gefühlt sei, a\s etwas, ohne das man nicht leben könne, werde es auch nicht
können unterdrückt werden. ,Der Herr Adam Müller und Friedrich Schlegel', sagte er, ,mögen
treiben was sie wollen, sie werden uns nicht nehmen, was wir einmal erworben haben, der Mensch
geht nicht wieder zurück und ein rechter Katholik ist eigentlich ein Protestant, denn er will
nicht anders. Nicht zahllos sind jene Bekehrer aber unzählbar, ich bin schon zu alt, um hierbei
von Gefahr zu sprechen' . . . Auch von der altdeutschen Literatur fing er ausführlich an zu
sprechen . . . Die Prosa-Uebersetzungen haben seinen Beifall und er sagte, sie wären mehr
nach seiner Ansicht als ich wohl glaubte ... Ich habe ihn niemals so freundlich und wohl-
wollend gesehen. Er arbeitet, wie Riemer sagt, viel und auch an dem vierten Bande seines
Lebens, Riemer selbst hat . . . soeben einen Band Gedichte herausgegeben . . ."
90 Arnim. 2 eigh. Briefe m. U. an Jakob und Wilhelm Grimm. Winkel unterm
Johannisberg, 22. Oktober 1811 u. Wiepersdorf, 18. Mai 1816. 11 Seiten. 4° und 8°.
Mit eigh. Briefumschlägen.
Berichtet von einer Rheinreise und von den von ihm besuchten Orten: Gellnhausen, mit
Besuch des Hundeshagenschen Palastes, Geisenheim, Trages [das Stammgut Savignys bei
Hanau] und Koblenz (Besuch bei Görres). ,,. . . Meine Frau denkt Deiner mit steter Freund-
schaft . . . Ich schiffte . . . mich recht lustig nach Coblenz zu unserm Görres ein . . . die
Niederträchtigkeit der Literatoren gegen ihn (Görres) fiel mir bitter in den Geschmack; auch
hätte ich gewünscht, G ö t h e nicht über Görres gehört zu haben . . . Die Heidelberger Jahr-
bücher hatten sich vor kurzem wieder an ihm gewendet und er hatte eine Rezension von Jean
Pauls sämmtlichen Schriften verfasst . . ." Auf besonderem Zettel schreibt er: „Das Buch
über Meistergesang schickt doch an G ö t h e , ich habe ihm viel davon gesprochen und er kannte
es nicht". Im Brief vom 18. Mai 1816 lädt er Wilhelm Grimm nach Wiepersdorf ein.
Arnim und die Reichardts.
91 Reichardt, Johann Friedrich, Komponist und Musikschriftsteller, mit Goethe, Arnim
und Brentano befreundet; 1752—1814. 15 eigh. Briefe m. U. An Achim von Ar-
n i m. Giebichenstein und Danzig 1805—1814. 4°. 48 Seiten.
Als die Franzosen 1806 nach der Schlacht von Jena bis Halle vordrangen, musste R. mit
seiner Familie, die er in Berlin zurückliess flüchten und wir treffen ihn als Protokollführer des
Kommandanten v. Kalkreuth in Danzig, Königsberg und Memel. Zwischendurch unternahm
er Reisen, dann kehrte er nach Giebichenstein zurück. In den Briefen schildert er die Erlebnisse
bei der Belagerung von Danzig durch die Franzosen, ferner berichtet er von seiner künstlerischen
Tätigkeit [Kompositionen Goethescher und Arnimscher Gedichte, Instrumentalwerke etc.],
besonders interessant auch seine Mitteilungen über die Weimarer Theaterzustände von 1807.
Namentlich erwähnt sind: Goethe, Kleist von Nollendorf, Nostiz, Savigny, Raumer, Pistor,
Stelzer, die Alberti, Kaiser Alexander, Prinz Wilhelm u. a.
16. IX. 1806......Ich will nun ... Ihr allerliebstes Spottlied, samt meinem . . . Kriegs-
lied für die Preussen dem Buchhändler ... zur schnellsten Besorgung des Drucks übergeben."
25. Juli 1805. „. . . Göthe hatt[en] — wir die 14 Tage auch hier [Giebichenstein], u.
ist aber mehr krank als gesund; er braucht jetzt in Lauchstädt] das Tropfbad u. komt dann
hoffentlich wohler wieder zurück . . ."
28. Nov. 1807. „. . . So hab' ich aber versprechen müssen gleich nach Neujahr wieder
hinzukommen [nach Weimar] auf Wochen dort zu bleiben u. neuen Geist . . . aufs Theater
zu bringen. Ich mache einige v dort. Stimmen angeregte Aenderung darin . . . Gerne macht'
ich auch in der Zeit etwas Neues für die J a g[e m a n n] u. S t r o h m e i e r s ganz herrliche
Bassstimme. ... Ich wollte Sie hätten Paers Camilla v diesen beiden gesehen . . . Weiter
hab' ich in der Zeit aber auch kaum etwas Leidliches gesehen ... G ö t h e , der in Jena die
Zeit über blieb, hatte uns einen gar magern Küchenzettel zurückgelassen. Der arme Prz. Wilh.
Auktionskatalog 149. Karl Ernst Henrici, Berlin W. 35.