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Nolde, Emil [Ill.]; Hentzen, Alfred [Bearb.]
Emil Nolde - das Abendmahl — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 100: Stuttgart: Reclam, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.62833#0047
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STREIT UM DAS „ABENDMAHL“
Aus: Wilhelm von Bode, Der Oberbürgermeister von Halle
und die Sammelpolitik der deutschen Städte. Sonderbeilage
des „Kunstfreund“, Aprilhefl 1914
In der Stadtverordnetenversammlung zu Halle a. S.
hatte kürzlich ein Stadtverordneter sich bitter be-
schwert über den Ankauf allermodernster Bilder für die
städtische Gemäldegalerie. Diesen Angriff hat der Ober-
bürgermeister Dr. Rieve entschieden abgewiesen, er hat
seine unbedingteste Billigung und Bewunderung für die
Erwerbung der Gemälde von Nolde und anderer „Aller-
modernster“ ausgesprochen und hat geradezu als Prin-
zip des Sammelns für die Städtische Galerie aufgestellt,
daß „nur Bilder von Künstlern angeschafft werden könn-
ten, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen — deren
Schöpfungen enormen Wert gewinnen“. Dr. Rieve
gibt zu, daß auch er Noldes Abendmahl anfangs bedenk-
lich fand und daß er sich noch immer nicht zu der Höhe
der Kunstauffassung aufgeschwungen habe, um das Bild
voll würdigen zu können, aber wir Älteren seien viel-
leicht nicht mehr imstande, moderne Kunst zu erfassen
und richtig zu beurteilen; der Kunstgeschmack wechsele
beständig.
Wie Dr. Rieve, so denken die meisten Bürgermeister
unserer größeren deutschen Städte; sie ordnen sich, trotz
eigenem Unbehagen, in der besten Absicht bescheiden
dem „höheren Kunstverständnis“ ihrer jungen Samm-
lungsdirektoren unter, wenn sie nicht gar in deren Mo-
dernismus sich „hineinleben“, und bringen Mittel auf,
wie und wo sie können, um in der Modernität ihrer Kunst-
sammlungen nicht hinter den anderen Städten zurück-
zubleiben. Der Geist Lichtwarks und Tschudis wird be-
schworen und angebliche Äußerungen des jungen Direk-
tors derNational-Galerie, dem wie einem gefesselten Pro-
metheus Enthaltung auferlegt sei, werden zitiert, um den
Neid der größten unserer modernen deutschen Galerien
auf die Freiheit und das Geschick der Ankäufe für die
städtischen Galerien zu beweisen. In ähnlicher Weise

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