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Hirschmann, Otto; Goltzius, Hendrick [Ill.]
Hendrick Goltzius als Maler: 1600 - 1617 — Quellenstudien zur holländischen Kunstgeschichte, Band 9: Haag: Martinus Nijhoff, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.62429#0064
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46

GOLTZIUS.

modernen Geschmack die Absichtlichkeit der Problemstellung,
wie sie sich hier und in Goltzius’ Kunst auch fernerhin
zeigt, unsympathisch sein, so ist doch nicht zu übersehen,
dass diesem frühesten grossen Bilde von Goltzius ein Platz
in der Geschichte gehört, und zwar gerade wegen dieser
Programmmässigkeit, mit der es an die venezianische Malerei
anschliesst.
Der theoretische Grundzug in Goltzius’ Kunst tritt wiederum
deutlich hervor in dem toten Adonis des Rijksmuseums
in Amsterdam (Kat. 1912 Nr. 985), (Verz. Nr. 4; Abb. 2)
ebenfalls noch aus dem Jahre 1603, aber durch van Mander
nicht mehr beschrieben. — Seit Mantegna das Thema des von
den Fusssohlen her gesehenen, verkürzt nach der Tiefe hin
liegenden Aktes aufgeworfen hatte, hat es die Künstler
jenseits und diesseits der Alpen stets wieder beschäftigt. Dass
gerade auch Goltzius es aufgriff, erscheint bei seinen Tenden-
zen beinahe als selbstverständlich. x) Und ebenso bezeichnend
ist es für ihn, dass er das Problem noch zu komplizieren
suchte; dies tat er, indem er den Akt in eine auf die Spitze
gestellte Raute hinein komponierte, deren Füllung ihm
auch gut gelang, allerdings nur dadurch, dass er — im
Vergleich mit Mantegna oder Rembrandt -—den Augenpunkt
wesentlich höher nahm und so den Körper in verhältnis-
mässig starker Aufsicht geben musste. Dadurch jedoch, dass
neben dem die Raute gut füllenden Akte keine Richtungs-
linien mehr gegeben werden konnten, aus denen das Ver-
hältnis der Verkürzung hätte abgelesen werden können,
kommt der Eindruck des in die Tiefe Gehens nur sehr
schwach heraus. Die Folie für den ganzen Körper bildet
der scheinbar sanft ansteigende Rasen. Nur in der obersten
Ecke wird noch ein Stückchen Himmel sichtbar, in dem
Venus in ihrem Schwanenwagen erscheint, der die Deutung

1) Es ist, obwohl nicht bezeugt, möglich, dass Goltzius auf seiner
Italienreise einen Abstecher nach Mantua gemacht hat, wo er Mantegnas
Christus gesehen haben kann.
 
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