Es ist eine eigentümliche Thatsache, dass die Kunst des
15. Jahrhunderts in Deutschland ganz besonders die
Passion Christi verherrlicht, während in Italien in der
gleichzeitigen Kunst die Darstellung der Passion fast ganz
gegen die vielen Darstellungen der Madonna und der Heiligen
zurückgetreten ist. Der Hauptgrund hierfür dürfte wohl in
den, namentlich in jener Zeit, verschiedenen religiösen Im-
pulsen beider Länder zu finden sein.
In Italien bewirkte die immer weitere Ausdehnung
des Marienkultus und der Heiligenverehrung im 15. Jahr-
hundert wohl auch eine Wandlung in den Darstellungsobjekten
der Kunst. Ausserdem eigneten sich die genannten Themen
viel besser zur Darstellung der Vollkommenheit der Er-
scheinung, nach der die Italiener strebten, als die Passions-
themen.
In Deutschland mag die besondere Verherrlichung
des Leidens und Sterbens Christi einmal ihren Grund haben
in der religiösen Bewegung, die sich im 15. Jahrhundert allent-
halben an die politischen Erhebungen knüpfte, am meisten
aber ist sie begründet in dem deutschen Wesen selbst.
Dem deutschen Wesen mit seiner reichen Phantasie, mit
seinem tief erregbaren Gefühlsleben lag das Leiden und
Sterben des Erlösers als höchstes Religiöse viel näher
als die ideale Schönheitsgestalt „der Gottesmutter des Ita-
lieners“ .
Und dieses Bestreben die Passion Christi zu verherr-
lichen knüpft sich in Deutschland nicht nur an einzelne
Künstlernamen oder an eine einzelne Schulrichtung, in allen
drei Hauptschulen der deutschen Kunst und namentlich der
deutschen Malerei — zu der ich hier auch die graphischen
Künste rechne — in der kölnischen, fränkischen und
schwäbischen Schule, überall derselbe Zug, die Passion
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15. Jahrhunderts in Deutschland ganz besonders die
Passion Christi verherrlicht, während in Italien in der
gleichzeitigen Kunst die Darstellung der Passion fast ganz
gegen die vielen Darstellungen der Madonna und der Heiligen
zurückgetreten ist. Der Hauptgrund hierfür dürfte wohl in
den, namentlich in jener Zeit, verschiedenen religiösen Im-
pulsen beider Länder zu finden sein.
In Italien bewirkte die immer weitere Ausdehnung
des Marienkultus und der Heiligenverehrung im 15. Jahr-
hundert wohl auch eine Wandlung in den Darstellungsobjekten
der Kunst. Ausserdem eigneten sich die genannten Themen
viel besser zur Darstellung der Vollkommenheit der Er-
scheinung, nach der die Italiener strebten, als die Passions-
themen.
In Deutschland mag die besondere Verherrlichung
des Leidens und Sterbens Christi einmal ihren Grund haben
in der religiösen Bewegung, die sich im 15. Jahrhundert allent-
halben an die politischen Erhebungen knüpfte, am meisten
aber ist sie begründet in dem deutschen Wesen selbst.
Dem deutschen Wesen mit seiner reichen Phantasie, mit
seinem tief erregbaren Gefühlsleben lag das Leiden und
Sterben des Erlösers als höchstes Religiöse viel näher
als die ideale Schönheitsgestalt „der Gottesmutter des Ita-
lieners“ .
Und dieses Bestreben die Passion Christi zu verherr-
lichen knüpft sich in Deutschland nicht nur an einzelne
Künstlernamen oder an eine einzelne Schulrichtung, in allen
drei Hauptschulen der deutschen Kunst und namentlich der
deutschen Malerei — zu der ich hier auch die graphischen
Künste rechne — in der kölnischen, fränkischen und
schwäbischen Schule, überall derselbe Zug, die Passion
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