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Schopenhauer, Johanna; Houben, Heinrich Hubert [Hrsg.]
Damals in Weimar: Erinnerungen und Briefe von und an Johanna Schopenhauer — Berlin: Rembrandt-Verl., 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.49927#0124
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Mutter und Sohn

Johanna an Arthur Schopenhauer.
Weimar, den 13. Dezember 1807
. . . Von allen Gründen, die dich bestimmten Weimar
zu wählen, sehe ich nur den einen, daß du gern hier seyn
wolltest. Du bist in Weimar nicht mehr als anderswo bis
jetzt zu Hause: ob du es mit der Zeit seyn wirst, werden
wir sehen, ich lasse dich eben gewähren, wie ich immer
gethan habe . . .
Nun zu deinem Verhältnisse hier gegen mich, und da
dünkt mir es am besten, ich sage dir gleich ohne Um-
schweife was ich wünsche und wie es mir ums Herz ist,
damit wir einander gleich verstehen. Daß ich dich recht
lieb habe, daran zweifelst du nicht, ich habe es dir bewie-
sen so lange ich lebe. Es ist zu meinem Glücke nothwen-
dig zu wissen, daß du glücklich bist, aber nicht ein Zeuge
davon zu seyn. Ich habe dir immer gesagt, es wäre sehr
schwer mit dir zu leben, und je näher ich dich betrachte,
desto mehr scheint diese Schwierigkeit, für mich wenig-
stens, zuzunehmen. Ich verhehle es dir nicht: so lange du
bist wie du bist, würde ich jedes Opfer eher bringen, als
mich dazu entschließen. Ich verkenne dein Gutes nicht,
auch liegt das, was mich von dir zurückscheucht, nicht in
deinem Gemüth, nicht in deinem innern, aber in deinem
äußern Wesen, deinen Ansichten, deinen Urtheilen, dei-
nen Gewohnheiten — kurz, ich kann mit dir m nichts,
was die Außenwelt angeht, übereinstimmen. Auch dein
Mißmuth ist mir drückend und verstimmt meinen heitern
Humor, ohne daß es dir etwas hilft. Sieh, lieber Arthur,
du bist nur auf Tage bey mir zum Besuch gewesen und
jedesmal gab es heftige Scenen um nichts und wieder
nichts, und jedesmal athmete ich erst frei, wenn du weg
warst, weil deine Gegenwart, deine Klagen über unver-
meidliche Dinge, deine finstern Gesichter, deine bizarren
UrtheUe, die wie Orakelsprüche von dir ausgesprochen
werden, ohne daß man etwas dagegen einwenden dürfte,
mich drückten, und mehr noch der ewige Kampf in mei-
nem Innern, mit dem ich alles was ich dagegen einwen-
den möchte, gewaltsam niederdrückte, um nur nicht zu
neuem Streit Anlaß zu geben. Ich lebe jetzt sehr ruhig,
seit Jahr und Tag habe ich keinen unangenehmen Augen-
blick gehabt, den ich dir nicht zu danken hätte. Ich bin
still für mich, niemand widerspricht mir, ich widerspreche

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