DAS BILD DES TODES
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nehmen Verstorbenen anzumalen, damit vor der Beerdigung keine
Veränderung sichtbar sein würde1). Die Leiche eines Predigers der
ketzerischen Sekte der Turlupins, der in Paris im Gefängnis vor der
Urteilsprechung gestorben war, wurde vierzehn Tage in einem Kalk-
faß aufbewahrt, um sie zusammen mit einer lebendigen Ketzerin
verbrennen zu können2). Der Brauch, Leichen von Vornehmen zu zer-
schneiden und so lange zu kochen, bis sich das Fleisch von den Knochen
loslöste, war allgemein verbreitet, worauf die Knochen gereinigt und in
einem Koffer zur feierlichen Beisetzung versandt wurden, während die
Eingeweide und der Rest an Ort und Stelle begraben wurden. Im 12.
und 13. Jahrhundert ist es durchaus gebräuchlich und geschieht mit
Bischöfen ebensogut wie mit einer Anzahl von Königen3). 1299 und
aufs neue 1300 wird es von Papst Bonifaz VIII. aufs strengste ver-
boten, als ein „detestandae feritatis abusus, quem ex quodam more
horribili nonnulli fideles improvide prosequuntur“. Nichtsdestoweniger
wurde noch im 14. Jahrhundert manchmal päpstlicher Dispens des
Verbots bewilligt, und im 15. Jahrhundert steht die Sitte bei den Eng-
ländern in Frankreich noch in Ehren. Die Leichen von Eduard von
York und Michael de la Pole, Graf von Suffolk, den vornehmsten eng-
lischen Gefallenen bei Azincourt, wurden auf diese Weise behandelt4).
Es geschieht mit Heinrich V. selbst, mit William Glasdale, der bei der
Befreiung Orleans durch Jeanne d’Arc ertrinkt und mit einem Neffen
von Sir John Fastolfe, der 1435 bei der Belagerung von Saint Denis
fällt5).
Im 14. Jahrhundert kommt das wunderliche Wort macabre auf, oder
wie es ursprünglich lautete: Macabre. „Je fis de Macabre la dance“
0 Prozeß über die Seligerklärung von Peter von Luxemburg, 1390, Acta
sanctorum Julii, I, p. 562. Vgl. die regelmäßige Erneuerung des Wachses, das
die Leichen englischer Könige und ihrer Verwandten einhüllte, Rymer, Foedera
VII, 361, 433 = III3, 140, 168 üsw.
2) Les Grandes chroniques de France, ed. Paulin Paris, Paris 1836—1838,
6 vol., VI, p. 334.
3) Siehe die ausführliche Studie von Dietrich Schäfer, Mittelalterlicher
Brauch bei der Überführung von Leichen. Sitzungsberichte der preußischen
Akademie der Wissenschaften, 1920, p. 478—498.
*) Lefevre de S. Remy, I, p. 260, wo für Oxford Suffolk gelesen werden muß.
8) Juvenal des Ursins, p. 567; Journal d’un bourgeois, p. 237, 307, 671.
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nehmen Verstorbenen anzumalen, damit vor der Beerdigung keine
Veränderung sichtbar sein würde1). Die Leiche eines Predigers der
ketzerischen Sekte der Turlupins, der in Paris im Gefängnis vor der
Urteilsprechung gestorben war, wurde vierzehn Tage in einem Kalk-
faß aufbewahrt, um sie zusammen mit einer lebendigen Ketzerin
verbrennen zu können2). Der Brauch, Leichen von Vornehmen zu zer-
schneiden und so lange zu kochen, bis sich das Fleisch von den Knochen
loslöste, war allgemein verbreitet, worauf die Knochen gereinigt und in
einem Koffer zur feierlichen Beisetzung versandt wurden, während die
Eingeweide und der Rest an Ort und Stelle begraben wurden. Im 12.
und 13. Jahrhundert ist es durchaus gebräuchlich und geschieht mit
Bischöfen ebensogut wie mit einer Anzahl von Königen3). 1299 und
aufs neue 1300 wird es von Papst Bonifaz VIII. aufs strengste ver-
boten, als ein „detestandae feritatis abusus, quem ex quodam more
horribili nonnulli fideles improvide prosequuntur“. Nichtsdestoweniger
wurde noch im 14. Jahrhundert manchmal päpstlicher Dispens des
Verbots bewilligt, und im 15. Jahrhundert steht die Sitte bei den Eng-
ländern in Frankreich noch in Ehren. Die Leichen von Eduard von
York und Michael de la Pole, Graf von Suffolk, den vornehmsten eng-
lischen Gefallenen bei Azincourt, wurden auf diese Weise behandelt4).
Es geschieht mit Heinrich V. selbst, mit William Glasdale, der bei der
Befreiung Orleans durch Jeanne d’Arc ertrinkt und mit einem Neffen
von Sir John Fastolfe, der 1435 bei der Belagerung von Saint Denis
fällt5).
Im 14. Jahrhundert kommt das wunderliche Wort macabre auf, oder
wie es ursprünglich lautete: Macabre. „Je fis de Macabre la dance“
0 Prozeß über die Seligerklärung von Peter von Luxemburg, 1390, Acta
sanctorum Julii, I, p. 562. Vgl. die regelmäßige Erneuerung des Wachses, das
die Leichen englischer Könige und ihrer Verwandten einhüllte, Rymer, Foedera
VII, 361, 433 = III3, 140, 168 üsw.
2) Les Grandes chroniques de France, ed. Paulin Paris, Paris 1836—1838,
6 vol., VI, p. 334.
3) Siehe die ausführliche Studie von Dietrich Schäfer, Mittelalterlicher
Brauch bei der Überführung von Leichen. Sitzungsberichte der preußischen
Akademie der Wissenschaften, 1920, p. 478—498.
*) Lefevre de S. Remy, I, p. 260, wo für Oxford Suffolk gelesen werden muß.
8) Juvenal des Ursins, p. 567; Journal d’un bourgeois, p. 237, 307, 671.