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Kunstgeschieh tliche Würdigung

verwandt, daß man versucht ist, ihn derselben Schule zuzuweisen, in welcher Hermogenes
seine Ausbildung empfing.

Als ein Werk dieses Architekten gilt auf Grund des Zeugnisses Vitruvs der Dionysos-
Tempel in Teos. Vitruv nennt ihn als Beispiel einer besonderen Tempelart, des Eustylos;
die beiden mittleren der sechs Säulen der Front sollten weiter von einander gestellt sein
als die übrigen. Nach den letzten englischen Untersuchungen zählte die Front in der Tat
sechs Säulen, deren Zwischenweiten alter unter einander gleich waren; sie maßen 21/* untere
Durchmesser, wie Vitruv für die Zwischenweiten des Eustylos mit Ausnahme drv mittleren
vorschreibt1). Was von Einzelheiten des Tempels bekannt geworden ist. bekundet eine
auffallende Verwandtschaft mit den Bauten von Magnesia. Die Basis und das Kapitell der
Säule, die Perlenschnur in den Füllungen der Unterseite des Arehitravs. das ionische Kyma
des Frieses und das niedrige Kyma- des Zahnschnitts sind gleichsam vom Artemision über-
nommen, und hier wie dort sind alle (Mieder des Bauwerks sowie die Figuren des Frieses
von gleicher flüchtiger Ausführung. Ist nun auch Vitruvs Angabe des Grundrisses nicht
ganz richtig, so liegt doch kein Grund vor, daran zu zweifeln, dal.» Hermogenes den Tempel
in Teos entworfen habe; vielleicht ist der Widerspruch zwischen der Nachricht Vitruvs
und dem gefundenen Bestände dahin aufzuklären, daß der Entwurf, wie es gewiß schon
im Altertum oft geschah, in der Ausführung verändert wurde, daß Hermogenes aber in
seinen Schriften, die Vitruv benutzte, von dem Entwürfe und nicht von dem ausgeführten
Bauwerk gesprochen hatte. Den Neubau des Artemisions dürfen wir den Inschriften zufolge
während der Jahre 220—205 v. Chr. annehmen; vielleicht noch vor Ablauf des dritten Jahr-
hunderts wurden die Bauwerke der Agora vollendet. Auf Grund der Ortsgeschichte von
Teos ist der Bau des Dionysos-Tempels in die ersten Jahre des zweiten Jahrhunderts zu ver-
legen2); er mag sich also zeitlich den Bauten von Vagnesia unmittelbar angeschlossen haben.

Vitruv meldet, daß Hermogenes den Tempel der Artemis in Magnesia als Pseudo-
dipteros errichtete, und die Untersuchung des Bauwerks hat seine Angabe bestätigt. Die
Säulenhallen hatten die tiefen Schatten eines Dipteros; indem Hermogenes aber die innere
Säulenreihe fortließ, verminderte er nicht nur die Baukosten und die Bauzeit, sondern
machte die Hallen auch geräumiger und übersichtlicher. Die Zahl der Saiden des Tempels
gibt Vitruv richtig an, acht an der Front, fünfzehn an der Langseite; jedoch sagt er nichts
darüber, daß die beiden Mittelsäulen der Vorder- und der Rückseite weiter von einander
standen als die übrigen Säulen.

J) Es ist sehr zu bedauern, daß, als die Platten vom Friese des Tempels nach Smyrna und London
übergeführt wurden, man es verabsäumte, auch einige Bruchstücke der Architektur von der Kuinenstätte
zu nehmen. Unsere Kenntnis der Architektur des Tempels beschränkt sich daher auf die wenigen Auf-
nahmen Eevetts und Pullans, die in den Antiquities of Jonia Bd. I und IV mitgeteilt sind und eine Er-
gänzung finden in den Skizzen Huyots, die die National-Bibliothek in Paris aufbewahrt. Der untere Durch-
messer der Säule maß nach Revett 1,00 m, nach Pullan 1,03 m, nach Huyot 1,05 m; der Achsenabstand maß
nach Pullan 3,26 m oder vermutlich 10 Fuß (3,28 m), die Zwischenweite also etwa 2,25 m.

■) Im Jahre 193 v. Chr. ließen sich die Techniten von Teos die Unverletzlichkeit des Tempelgebietes
bestätigen, nachdem sie vermutlich den Bau des Tempels vollendet hatten. Um 135 v. Chr. hörte Teos auf.
Sitz der Technitensynode zu sein. Vgl. den S. 14 Anm. 6 angeführten Aufsatz Hirschfelds.
 
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