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206

Späthollenistischc Bildwerke.

die Statuen zweier vornehmer elischer Frauen gefunden, gefertigt in den Ateliers des
Eros und Eleusinios (Taf. 63, 4, 5), alle drei im Heraion und die Statue der Regula
(Taf. 68, 5) in der Exedra des Herodes Atticus. Das Bestehen dieser „neuattischen" Kunst-
richtung läßt sich hier also von der zweiten Hälfte des I. Jahrhunderts bis ins 11. Jahr-
hundert n. Chr. hinein verfolgen. Besonders auffallend ist die Übereinstimmung der beiden
Statuen aus Magnesia (Abb. 207 und 208) mit denen des Eros und Eleusinios; sie geht bis in das
Detail des Mantelüberschlags über der linken Schulter: mehrere wagrecht verlaufende kurze
Falten ziehen sich über die linke Schulter hin, während das breitere auf dem Oberarm
liegende Ende leicht in senkrechter Richtung gekräuselt ist. Diese so sehr charakteristische
Anordnung kommt bei allen anderen Repliken nicht vor und ist nur der hier verglichenen
Gruppe eigentümlich. Anzunehmen, daß „neuattische" Künstler außerhalb Athens in Klein-
asien arbeiten, und dadurch die Gleichheit dieses Typus zu erklären, geht nicht an. Es muß
an beiden Orten ein gemeinsames Vorbild vorliegen, eine uns unbekannte Statue hellenistischer
Zeit, die sich an Vorbilder des IV. Jahrhunderts anschließt1). Es verdient hier hervor-
gehoben zu werden, daß es immer dieselbe, recht kleine Auswahl von Typen ist, der wir
in dieser Zeit an allen Orten begegnen.

Von der kleinasiatischen „neuattischen" Kunstrichtung sind in Magnesia noch weitere
Beispiele erhalten. In engster Beziehung zu der eben beschriebenen Reihe steht eine über-
lebensgroße weibliche Statue von 2,05 m Höhe, die im Säulenhof des Prytaneions zu Tage
gekommen ist (Abb. 209)2). Sie setzt sich aus zwei etwa gleich hohen Hälften zusammen,
deren Lagerfuge quer durch den Leib geht. Das Gesicht mit dem Hals war wie bei den
Statuen der Baebia und Saufeia in den vom Schleier gebildeten Hohlraum eingesetzt; die
beiden Hände mit den Teilen des Gewandes, die sie hielten, waren angestückt. Die Statue
ist sonst mit ihrer viereckigen, niedrigen Plinthe wohl erhalten. Die Anordnung des Mantels
über dem Chiton, der von wenigen tiefen Falten durchzogen ist, ist reich und lebensvoll.
Die Motive der Gewandgliederung zeigen im ganzen große Verwandtschaft mit denen der
großen Ilerkulanenserin in Dresden. Nur ist hier die dort so charakteristische, über die
Brust sich hinziehende Mantelfalte, die von der rechten Hand straff angezogen wird,
weiter nach unten verschoben und liegt dicht am Körper an. Von etwas über der rechten
Hüfte bewegen sich drei Falten nach der gesenkten linken Hand, wo sie zusammengefaßt
und angezogen werden. Geändert ist ferner die Anordnung des Mantels auf der linken
Schulter, wo sich genau so wie bei den Statuen des Eros und Eleusinios und ihren Schwestern
aus Magnesia vier schöne Falten in feinen Linien übereinanderlegen. Die Statue ist also
sicher aus demselben Atelier hervorgegangen wie die anderen Figuren aus Magnesia und
benutzt diesen ganz analog gebildete Vorbilder. Eine Replik befindet sich in Rom in der
Sammlung Borghese (abg. Nibby, Mon. Borgh. 14; Clarac 432, 784); genauere Auskunft über
sie und eine Photographie (Abb. 210) verdanke ich der Güte von Amelung. Die Höhe der
ebenfalls überlebensgroßen Statue beträgt 2,02 m. Der Kopf, die rechte Hand mit dem
Anfang des Schleiers, der den Hinterkopf bedeckte, und die ganze linke Hand mit dem zu-

') Für die Entstehung des Vorbildes dieser Statuen in flühhellenistischer Zeit spricht, daß dieselbe
Faltenlegung auf der Schulter auch bei der Statue des Aeschines in Neapel sich findet.
'') Jetzt in Konstantinopel.

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