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wie sie bei Jorio gezeichnet ist. Aber das Zugreifen der Finger ist doch unverkennbar und nament-
lich der eingeschlagene kleine Finger ganz deutlich. Von dem linken Oberschenkel des Sitzenden
fällt bei Paderni ein Gewandstück herab, das mit seinen oberen Theil auf dem Pantherfell aufliegt
und in seinem unteren in seltsam geblähte Falten ausläuft, wie sie allenfalls verständlich wären, wenn
plötzlich von unten ein heftiger Windstoss hineinführe. Wieder war es Gerhard, der in dem vermeint-
lichen Gewand einen Weinschlauch erkannte, den der Sitzende mit seiner Linken gefasst hält. An
allen diesen Stellen haben Gerhard und Jorio schwerlich mehr gesehen, als sich auch heute noch er-
kennen lässt. Nur ob das rechte Bein wirklich so unter dem linken durchgesteckt war, wie es bei
Jorio erscheint, lässt sich jetzt nicht mehr constatiren. Wofür man aber vor allem von den beiden
älteren Publicationen Aufklärung erhofft, das ist der Kopf des Sitzenden, aber gerade hier findet man
sich enttäuscht. Zwar bieten beide wesentlich mehr, als heute noch sichtbar ist, aber beiden Stichen
gegenüber liegt hier der begründete Verdacht starker willkürlicher Interpolation vor, und zwar in ent-
gegengesetzter Richtung. Paderni zeichnet einen edlen Philosophenkopf von freundlich ernstem Aus-
druck mit edler Schädelbildung, hoher Stirn, feingebogener Nase, leicht geöffnetem Mund mit etwas
vorspringender Oberlippe, wohlgepflegtem Schnurr- und Vollbart und kurzem lockigem Haar im Nacken,
einen Kopf etwa im Typus des Neapler Lysias. Bei Jorio hingegen finden wir einen Kopf von einer
an das Gemeine streifenden Gewöhnlichkeit in durchaus naturalistischer Wiedergabe. Die Stirne tritt
stark zurück, und ist von, überdies ganz falsch gesetzten, Falten durchfurcht. Die über die Glatze ge-
strichenen dünnen Haarsträhne, die Stumpfnase mit geblähten Nüstern, der grosse Mund, der spärliche
Kinnbart neben bartloser Oberlippe vollenden den Eindruck eines Mannes aus den niedersten Volks-
schichten, das Urbild des Banausentums. Euphronios hat in seiner realistischen Periode ähnliche
Typen geschaffen z. B. im Innenbild der Londoner Eurystheusschale und auf seiner Komosvase.
Der Castellanische Dornauszieher, wenn man sich ihn alt geworden denkt, müsste ungefähr so aus-
sehen. Der Mund ist bei Jorio weitgeöffnet gezeichnet, nicht wie der eines Trinkenden, sondern eines
Hauchenden oder Inhalirenden. Vergleicht man mit diesen diametral verschiedenen Auffassungen das
Aquarell von Gillieron, so erkennt man, dass bei Jorio zwar die Schädelform richtiger wiedergegeben
ist, als bei Paderni, wird aber die Haarsträhne mit Bestimmtheit, die Stirnfalten mit Wahrscheinlich-
keit für willkürliche Zutliaten von Jorios Zeichner halten, der den Charakter des Kopfes ebenso ge-
flissentlich nach der realistischen Seite hin vergröbert, wie ihn Paderni nach der idealistischen hin
veredelt, und man wird sich nicht scheuen daraus die Consequenz zu ziehen, dass Mund und Nase
sowohl bei Paderni als bei Jorio willkürlich ergänzt sind und bereits bei der Auffindung so wrenig zu
erkennen waren, wie heutigen Tages. Das Ohr, auf das für die Benennung der Figur vieles ankommt,
zeichnet Paderni als noch ganz erhalten und vollkommen menschlich gebildet. Bei Jorio fehlt der
obere Theil, und man wird geneigt sein, diese Wiedergabe für die genauere zu halten.
Die sich zu dem Sitzenden niederbeugende Frau ist bei Paderni und Jorio im Wesentlichen
übereinstimmend wiedergegeben. Man kann noch heute constatiren, dass sie ein gelbes Untergewand
mit Halbärmeln und darüber einen violetten Mantel trug, der schleierartig über den Kopf gezogen,
dann über die rechte Schulter vorgenommen und über die linke zurückgeworfen ist. Verwandt, aber
wie sie bei Jorio gezeichnet ist. Aber das Zugreifen der Finger ist doch unverkennbar und nament-
lich der eingeschlagene kleine Finger ganz deutlich. Von dem linken Oberschenkel des Sitzenden
fällt bei Paderni ein Gewandstück herab, das mit seinen oberen Theil auf dem Pantherfell aufliegt
und in seinem unteren in seltsam geblähte Falten ausläuft, wie sie allenfalls verständlich wären, wenn
plötzlich von unten ein heftiger Windstoss hineinführe. Wieder war es Gerhard, der in dem vermeint-
lichen Gewand einen Weinschlauch erkannte, den der Sitzende mit seiner Linken gefasst hält. An
allen diesen Stellen haben Gerhard und Jorio schwerlich mehr gesehen, als sich auch heute noch er-
kennen lässt. Nur ob das rechte Bein wirklich so unter dem linken durchgesteckt war, wie es bei
Jorio erscheint, lässt sich jetzt nicht mehr constatiren. Wofür man aber vor allem von den beiden
älteren Publicationen Aufklärung erhofft, das ist der Kopf des Sitzenden, aber gerade hier findet man
sich enttäuscht. Zwar bieten beide wesentlich mehr, als heute noch sichtbar ist, aber beiden Stichen
gegenüber liegt hier der begründete Verdacht starker willkürlicher Interpolation vor, und zwar in ent-
gegengesetzter Richtung. Paderni zeichnet einen edlen Philosophenkopf von freundlich ernstem Aus-
druck mit edler Schädelbildung, hoher Stirn, feingebogener Nase, leicht geöffnetem Mund mit etwas
vorspringender Oberlippe, wohlgepflegtem Schnurr- und Vollbart und kurzem lockigem Haar im Nacken,
einen Kopf etwa im Typus des Neapler Lysias. Bei Jorio hingegen finden wir einen Kopf von einer
an das Gemeine streifenden Gewöhnlichkeit in durchaus naturalistischer Wiedergabe. Die Stirne tritt
stark zurück, und ist von, überdies ganz falsch gesetzten, Falten durchfurcht. Die über die Glatze ge-
strichenen dünnen Haarsträhne, die Stumpfnase mit geblähten Nüstern, der grosse Mund, der spärliche
Kinnbart neben bartloser Oberlippe vollenden den Eindruck eines Mannes aus den niedersten Volks-
schichten, das Urbild des Banausentums. Euphronios hat in seiner realistischen Periode ähnliche
Typen geschaffen z. B. im Innenbild der Londoner Eurystheusschale und auf seiner Komosvase.
Der Castellanische Dornauszieher, wenn man sich ihn alt geworden denkt, müsste ungefähr so aus-
sehen. Der Mund ist bei Jorio weitgeöffnet gezeichnet, nicht wie der eines Trinkenden, sondern eines
Hauchenden oder Inhalirenden. Vergleicht man mit diesen diametral verschiedenen Auffassungen das
Aquarell von Gillieron, so erkennt man, dass bei Jorio zwar die Schädelform richtiger wiedergegeben
ist, als bei Paderni, wird aber die Haarsträhne mit Bestimmtheit, die Stirnfalten mit Wahrscheinlich-
keit für willkürliche Zutliaten von Jorios Zeichner halten, der den Charakter des Kopfes ebenso ge-
flissentlich nach der realistischen Seite hin vergröbert, wie ihn Paderni nach der idealistischen hin
veredelt, und man wird sich nicht scheuen daraus die Consequenz zu ziehen, dass Mund und Nase
sowohl bei Paderni als bei Jorio willkürlich ergänzt sind und bereits bei der Auffindung so wrenig zu
erkennen waren, wie heutigen Tages. Das Ohr, auf das für die Benennung der Figur vieles ankommt,
zeichnet Paderni als noch ganz erhalten und vollkommen menschlich gebildet. Bei Jorio fehlt der
obere Theil, und man wird geneigt sein, diese Wiedergabe für die genauere zu halten.
Die sich zu dem Sitzenden niederbeugende Frau ist bei Paderni und Jorio im Wesentlichen
übereinstimmend wiedergegeben. Man kann noch heute constatiren, dass sie ein gelbes Untergewand
mit Halbärmeln und darüber einen violetten Mantel trug, der schleierartig über den Kopf gezogen,
dann über die rechte Schulter vorgenommen und über die linke zurückgeworfen ist. Verwandt, aber