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V. Archaisch-griechische Figur

In den Kreis der vorperspektivischen Kunst gehört , wie wir ohen sagten, auch die griechisch-
archaische Kunst, die demgemäß die kuhistische Auffassung zur Schau trägt. Als Beispiele seien
für die statuarische Plastik der „Apollon" von Sunion in Athen (Taf. II; Nation. Mus. Nr. 2720)41)
und die Figur des Polymedes von Argos erwähnt (Abb. 27, 28; Fouilles de Delphes IV Tai. 1,2;
P. K. III 165). Von einer längeren Beschreibung dieser Werke hinsichtlich ihrer kastenartigen Ge-
staltung können wir absehen, da sie ja in wörtlichem Sinne mit den Händen zu greifen ist und ihrer oft
Erwähnung getan wurde. Auch hier handelt es sich nicht um eine Unterordnung der einzelnen Form
unter ein jede Bewegung leitendes Zentrum, die Körper sind nicht als ein in seinen Aktionen einheitlich
von einer Kraftquelle regierter Organismus verstanden, sondern der Aufbau ist parataktisch, die Formen
sind stereometrischer Art und lassen den Gegensatz, der zwischen den beiden Formelementen vor-
perspektivischer Kunst, der Rundung und der Fläche, besteht, deutlich erkennen. Natürlich werden
auch hier wieder organische Partien, wie die Muskulatur, die Bildung der Kniee und Schienbeine usw.,
beobachtet und in stereometrischer Bindung dem Ganzen eingefügt. Auch den in der vorperspek-
tivischen Art gegebenen Drang zur ornamentalen Liniengestaltung finden wir — hier natürlich in der
griechischen Erscheinungsform — wieder vor allem in der Gestaltung der Haare, der Ohren, in den
Grenzlinien der Formen des Leibes und des Rückens. Alle diese Züge sagen uns, daß ein dem ägyp-
tischen verwandtes räumliches Empfinden diesen Werken zugrunde liegt, daß beiden Kunstkreisen
eine gewisse Grundveranlagung der künstlerischen Auffassung gemeinsam gewesen sein muß, die wir
vorperspektivisch nennen. Andererseits versteht es sich natürlich von selbst, daß ebenso wie die
Werke, die im griechischen Bereich entstanden, eine ganz andere geistige Haltung erkennen lassen
und von einem ganz verschiedenen Menschentum zeugen als die ägyptischen Schöpfungen, so auch
der sich in ihnen auswirkende statische Raum hier und dort verschiedener Natur gewesen sein muß.
Unterscheidet sich ja auch der dynamische Raum in den verschiedenen Kunstbereichen, in denen
er auftritt, durch andere Spannungsverhältnisse je nach dem Charakter des Volkes und der Zeit,
worauf hier nicht eingegangen werden kann. Der Erkenntnis der hier vorliegenden Andersartigkeit
werden wir durch einen Vergleich zwischen den plastischen und architektonischen Schöpfungen
der beiden Kunstbereiche näherkommen. Im Gegensatz zu ägyptischen Werken wie dem Per-
hernofret (P.K. II 230; .Plastik36ff.), dem Ranofer (Abb. 29), den Kupferstatuen des Phiops und
seines Sohnes (B.B. 12b; Curtius Abb. 81), oder auch zu Werken des Mittleren oder Neuen
Reiches fällt uns sofort die viel straffere Haltung der griechischen Gestalten auf, sei es, daß wir
dabei die Statue des Polymedes oder den Apollon von Sunion heranziehen. Wenn diese Werke auch
den parataktischen Aufbau zeigen und ihre Glieder nicht in gegenseitiger, organisch bedingter Be-
einflussung stehen, so ist doch ein den ägyptischen Gestalten fremder innerer Zusammenhang
 
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