Wie bei der Folge der Jahreszeiten ist es kein »bozzetto«, sondern ein bis in die letzten Einzelheiten durchgearbeitetes
»modclio«. Das Format der Serie entspricht dem des Josephs-Reliefs. Mit dieser und den übrigen späten Arbeiten
haben die Passionsszenen auch die nahezu vollplastische Ausbildung der Figuren des vordersten Planes gemeinsam.
Was die Kompositionen jedoch von den uns bekannten Bronzen dieser Periode unterscheidet, sind die relativ
größere Erschließung der Tiefe und vor allem die sehr lockere Komposition, welche die Bildeinheit gefährdet und
andererseits zu häßlichen Überschneidungen führt: Auf der »Kreuztragung« verdecken die erhobenen Arme der be-
helmten Schergen die Gruppe der rückwärtigen Zone. Sind sie vielleicht nur falsch angesetzt worden? Oder sollten
^ die Reliefs aus diesen Gründen in die Frühzeit zu datieren sein? Ähnlichkeiten der Gethsemane-Szene mit der frühen
»Beweinung« sprächen dafür. Solange die Bronzegüsse nicht wiedergefunden sind, werden wir diese Frage kaum mit
Sicherheit beantworten können.
Eine abschließende Überlegung soll der Funktion dieser Gattung von Werken der bildenden Kunst gelten. Für das
»Bassorilievo«, das Soldani dem Fürsten von Liechtenstein als »cosa devota« in Bronze auszuführen vorschlug,
nannte der Meister selbst den geeigneten Platz: »da collocarsi vicino ad un Letto«. Das Relief war also als sogenanntes
»kleines Andachtsbild« gedacht, angesichts dessen der Gläubige - auf dem Betstuhl darunter kniend - seine Morgen-
und Abendgebete sprechen sollte. Die bildmäßige Verwendung von Werken der Bronzeplastik entsprach durchaus
Aorentinischer Tradition, man denke an den Passionszyklus des Giovanni Bologna! Doch sind die Erstgüsse dieser
Folge nicht als mobiler Wandschmuck geschahen worden, sondern für den festen Verband einer Innendekoration;
erst spätere Repliken wurden wie Gemälde behandelt. Soldanis Sieneser Reliefs führen diese Gattung fort. Des Künst-
lers mythologische Serie für Johann Wilhelm aber ist von Anfang an als beweglicher Zyklus gearbeitet worden und
für eine Galerie bestimmt gewesen. Auf einer Tafel des großformatigen Stichwerkes von Pigage sieht man denn auch
die bronzenen »Jahreszeiten« zusammen mit einigen jener berühmten Gemälde gehängt, die später zu einem Grund-
stock der Münchner Alten Pinakothek werden sollten 66. Der Zusammenhang mit der Architektur ist aufgegeben. Daß
Bronzereliefs wie gemalte Bilder gerahmt und den Gemälden gleichwertig behandelt wurden, ist hier - soweit ich
sehe - zum ersten Male feststellbar. Daß eine solche Verwendung bronzener Szenen in Florenz erdacht wurde,
scheint kein Zufall. Aber dieser Er Andung war eine reiche Entwicklung beschieden. Im 18. Jahrhundert übernahmen
allenthalben »plastische Gemälde« Aufgaben, die bis dahin der Tafelmalerei Vorbehalten waren 67.
Nicht nur auf Grund seiner Lehrzeit bei Ferrata, sondern auch nach dem ihm innewohnenden Drang zu plastischer
Gestaltung mußte Soldani über das Flachrelief hinaus zur RundAgur gelangen; gerade das früheste Relief mit den
voluminösen Figuren des vorderen Planes verrät die Schulung des Künstlers an der Monumentalskulptur des römi-
schen Hochbarock. In der Tat hat schon der Zögling der großherzoglichen Akademie derartige kleinformatige Bild-
DaZ. 7werke geformt: Wir hören von einem »gruppetto del Soldani«. Über Arbeiten solcher Art ist sicheres nicht bekannt.
Zumindest Beispiel läßt sich jedoch - wie ich meine - aus dieser Periode anführen. Wie hinter den Reliefs das Vor-
bild der Algardi-Schule sichtbar wird, so hinter diesem das Vorbild des Bernini. Noch Champeaux wußte von einer
Bronze mit dem Thema »Apoll und Daphne«6S. Diese Angabe wird durch das Inventar der Manufaktur in Doccia be-
stätigt und präzisiert: »Gruppo di Apollo e Dafne con ß Putti e alberi di Massimiliano Soldani«. Sooft nun auch die
berühmte Skulptur des Gianlorenzo Bernini nachgebildet wurde, ist doch nur eine Variation bekanntgeworden, auf
die der Zusatz »con ß Putti« zutriAt. Schon darum liegt es nahe, eine Bronze in römischem Privatbesitz für die er-
wähnte Arbeit des Soldani zu halten 69. Ihre stilistischen Eigentümlichkeiten deuten auf das letzte Viertel des 17. Jahr-
hunderts. Dem vom reifen Werk zurückblickenden Betrachter erscheinen dazu die überstreng auf eine Hauptansicht
begrenzte Komposition und manche Einzelheiten typisch für unseren Künstler: etwa Haltung und Gesichter der
Putten. Freilich ist auch das Gesuchte der Gruppierung unverkennbar. Die beiden Göttergestalten sind gegenüber
der Skulptur des Bernini spiegelbildlich angeordnet und zu einem Block zusammengestellt; dazu ist links der Baum
mit den beiden Putten herangeschoben, ein dritter Putto rechts am Boden hält sich an einem grünenden Ast und liegt
dem Verfolger buchstäblich im Wege. So wird das Motiv der Darstellung verunklärt, der Schwung der Bewegung
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»modclio«. Das Format der Serie entspricht dem des Josephs-Reliefs. Mit dieser und den übrigen späten Arbeiten
haben die Passionsszenen auch die nahezu vollplastische Ausbildung der Figuren des vordersten Planes gemeinsam.
Was die Kompositionen jedoch von den uns bekannten Bronzen dieser Periode unterscheidet, sind die relativ
größere Erschließung der Tiefe und vor allem die sehr lockere Komposition, welche die Bildeinheit gefährdet und
andererseits zu häßlichen Überschneidungen führt: Auf der »Kreuztragung« verdecken die erhobenen Arme der be-
helmten Schergen die Gruppe der rückwärtigen Zone. Sind sie vielleicht nur falsch angesetzt worden? Oder sollten
^ die Reliefs aus diesen Gründen in die Frühzeit zu datieren sein? Ähnlichkeiten der Gethsemane-Szene mit der frühen
»Beweinung« sprächen dafür. Solange die Bronzegüsse nicht wiedergefunden sind, werden wir diese Frage kaum mit
Sicherheit beantworten können.
Eine abschließende Überlegung soll der Funktion dieser Gattung von Werken der bildenden Kunst gelten. Für das
»Bassorilievo«, das Soldani dem Fürsten von Liechtenstein als »cosa devota« in Bronze auszuführen vorschlug,
nannte der Meister selbst den geeigneten Platz: »da collocarsi vicino ad un Letto«. Das Relief war also als sogenanntes
»kleines Andachtsbild« gedacht, angesichts dessen der Gläubige - auf dem Betstuhl darunter kniend - seine Morgen-
und Abendgebete sprechen sollte. Die bildmäßige Verwendung von Werken der Bronzeplastik entsprach durchaus
Aorentinischer Tradition, man denke an den Passionszyklus des Giovanni Bologna! Doch sind die Erstgüsse dieser
Folge nicht als mobiler Wandschmuck geschahen worden, sondern für den festen Verband einer Innendekoration;
erst spätere Repliken wurden wie Gemälde behandelt. Soldanis Sieneser Reliefs führen diese Gattung fort. Des Künst-
lers mythologische Serie für Johann Wilhelm aber ist von Anfang an als beweglicher Zyklus gearbeitet worden und
für eine Galerie bestimmt gewesen. Auf einer Tafel des großformatigen Stichwerkes von Pigage sieht man denn auch
die bronzenen »Jahreszeiten« zusammen mit einigen jener berühmten Gemälde gehängt, die später zu einem Grund-
stock der Münchner Alten Pinakothek werden sollten 66. Der Zusammenhang mit der Architektur ist aufgegeben. Daß
Bronzereliefs wie gemalte Bilder gerahmt und den Gemälden gleichwertig behandelt wurden, ist hier - soweit ich
sehe - zum ersten Male feststellbar. Daß eine solche Verwendung bronzener Szenen in Florenz erdacht wurde,
scheint kein Zufall. Aber dieser Er Andung war eine reiche Entwicklung beschieden. Im 18. Jahrhundert übernahmen
allenthalben »plastische Gemälde« Aufgaben, die bis dahin der Tafelmalerei Vorbehalten waren 67.
Nicht nur auf Grund seiner Lehrzeit bei Ferrata, sondern auch nach dem ihm innewohnenden Drang zu plastischer
Gestaltung mußte Soldani über das Flachrelief hinaus zur RundAgur gelangen; gerade das früheste Relief mit den
voluminösen Figuren des vorderen Planes verrät die Schulung des Künstlers an der Monumentalskulptur des römi-
schen Hochbarock. In der Tat hat schon der Zögling der großherzoglichen Akademie derartige kleinformatige Bild-
DaZ. 7werke geformt: Wir hören von einem »gruppetto del Soldani«. Über Arbeiten solcher Art ist sicheres nicht bekannt.
Zumindest Beispiel läßt sich jedoch - wie ich meine - aus dieser Periode anführen. Wie hinter den Reliefs das Vor-
bild der Algardi-Schule sichtbar wird, so hinter diesem das Vorbild des Bernini. Noch Champeaux wußte von einer
Bronze mit dem Thema »Apoll und Daphne«6S. Diese Angabe wird durch das Inventar der Manufaktur in Doccia be-
stätigt und präzisiert: »Gruppo di Apollo e Dafne con ß Putti e alberi di Massimiliano Soldani«. Sooft nun auch die
berühmte Skulptur des Gianlorenzo Bernini nachgebildet wurde, ist doch nur eine Variation bekanntgeworden, auf
die der Zusatz »con ß Putti« zutriAt. Schon darum liegt es nahe, eine Bronze in römischem Privatbesitz für die er-
wähnte Arbeit des Soldani zu halten 69. Ihre stilistischen Eigentümlichkeiten deuten auf das letzte Viertel des 17. Jahr-
hunderts. Dem vom reifen Werk zurückblickenden Betrachter erscheinen dazu die überstreng auf eine Hauptansicht
begrenzte Komposition und manche Einzelheiten typisch für unseren Künstler: etwa Haltung und Gesichter der
Putten. Freilich ist auch das Gesuchte der Gruppierung unverkennbar. Die beiden Göttergestalten sind gegenüber
der Skulptur des Bernini spiegelbildlich angeordnet und zu einem Block zusammengestellt; dazu ist links der Baum
mit den beiden Putten herangeschoben, ein dritter Putto rechts am Boden hält sich an einem grünenden Ast und liegt
dem Verfolger buchstäblich im Wege. So wird das Motiv der Darstellung verunklärt, der Schwung der Bewegung
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