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wartenkönnen leidex gewoͤhnlich nur eben ſo ſchwierig. Der Banlier
war heute ungewoͤhnlich zerſtreut, ja es kam ſogar im Geſchaͤft vor,
daß er ſich dieſes ihm fonſt durchaus nicht eigenen Fehlers ſchuldig
machte. Ich habe ſie gekraͤnkt, wirklich gekränkt, dachte er, ohne jede
Veranlaſſung, wenn auch in der beſten Abſicht. Ich muß ihren Stolz
ehren, anerkennen; ſie ſteigt dadurch um ſo höher in meiner Achtung,
und es iſt wirklich eine Thorheit, daß ich immer noch zoͤgere. Sle


Pah, das iſt eine Sache für ſich, hat mit meiner Heirath gar nichts zu
ſchaffen, gar nichts! Das fehlte gerade. Ein für allemal nichis — Aber ich
muß einlenken, das bin ich ihr ſchuldig. Es iſt mir auch abſolut unerträglich,
ſie erzurnt oder boͤſe gegen mich zu wiſſen, denn ſie iſt eine begabte, ſehr
ſchoͤne und eben ſo liebenswürdige Frau, wenn ſie will natürlich, und
wenn's ihr darum zu thun iſt. — Ich kann keine beſſere Wahl treffen,
wozu alſo dieß fortwährende Hinhalten und Zögern! Ich will zu ihr, ich


ſenden, ſie liebt die Blumen und verſteht ſie auch zu pflegen, was be—
weist, daß ſie ordentlich und wirthſchaftlich iſt. Unordentliche und lieder—
liche Frauen koͤnnen niemals Blumen pflegen. Ich werde ſie um Ver—
zeihung und um eine Unterredung bitten; ich werde den Brief ſo faſſen,
daß ſie über meine Abſicht nicht zweifelhaft ſein kann, und dann, wenn
ſie mir geantwortet, wenn ſie verſohnt iſt, ja dann muß es zum Ende
kommen, ſetzte er mit einem langen Seufzer hinzu, entweder oder! Eine
muß es doch ſein, wenn es überhaupt Eine ſein ſoll, alſo: beſetzen wir
2 Nummer, welche nach allen wohl erwogenen Kombinationen ein Treffer
ein muß.

„Friedrich,“ ſagte er am folgenden Morgen ganz in derſelben Weiſe, wie
vor einigen Tagen zu dieſem, „Sie werden nochmals zu der Frau von
Waller gehen, aber wie vorgeſtern erſt gegen 12 Uhr.“

„Wie der Herr Direktor befehlen.“

„Uebergeben Sie ihr dieß Blumenkoͤrbchen, welches Sie ſich vorſichtig
in Paxier packen laſſen müſſen, und dieſen Brief. Antwort nicht nöthig.“

„Blumenkoͤrbchen, Wenn? —“

„Der Gärtner wird es einpacken, ich erwarte Ihren Bericht um vier
Uhr, früher komme ich nicht nach Hauſe.“

Friedrich fand ſich in Erfullung dieſes Auftrages alſo wieder bei der
Frau von Waller ein. Das in einem zierlichen Körbchen befindliche
Bouquet beſtand aus den ſeltenſten Blumen, unter denen ſich beſonders
eine rothe Camellie hervorhob, ein für den Monat Auguſt ganz ungewöhn—
liches und deßhalb ſehr theures Erzeugniß der Flora. Der Auftrag war
ihm im Ganzen unangenehm, beſonders aber der Umſtand, daß er das
mit Papier bedeckte Blumenkörbchen nach der Anweiſung des Gärtners
ſehr vorſichtig in der Hand den weiten Weg tragen muͤßte. Er hatte
deßhalb, und da es ihm der Direktor nicht ausdrücklich geboten, auch ſeine
Orden nicht angelegt.

„Das iſt eigentlich gar nicht mein Fach,“ äußerte er gegen den ihn
inſtruirenden Gärtner, „ich bin Kutſcher, weßhalb ſchickt er nicht den langen
Johann?“

„Vielleicht weil er ihm zu lang iſt,“ lachte der Gärtner, „und Sie zu
Allem zu gebrauchen ſind.“

„Na, geben Sie her,“ ſagte Friedrich und ging.

Die Frau von Waller empfing ihn heute noch freundlicher, als das
erſte Mal. ; ;

„Eigentlich ſollte ich den Brief gar nicht leſen und auch die Blumen
zurückſchicken,“ ſagte ſie, ihm das Körbchen ſehr langſam abnehmend, bei
welcher Operation ihre Finger mit den ſeinigen in eine flüchtige Berührung
lamen, „da Sie es aber bringen und einen ſo weiten Weg gemachi
haben, ſo wäre es unrecht von mir, nicht wahr?“

„Der Herr Direktor würden gewiß ſehr ungehalten ſein.“

Darauf käme es nicht an, aͤber ſetzen Sie ſich, ich werde erſt den
Brief leſen.“

Die Szene des vorgeſtrigen Tages ſchien ſich zu wiederholen, Friedrich
ſaß ſichtlich verlegen in einiger Entfernung vor ihr, während ſie wieder
in halbliegender Stellung, ſo daß ihre kleinen, in rothen ſeidenen Pan—
toffeln ſteckenden Fuͤße nebſt den zierlichen Knöcheln ſichtbar wurden, leſend
in einem Fauteuil ruhte.

Seine Blicke hafteten verſtohlen auf dieſer reizenden und verfüh—
reriſchen Erſcheinung, und als ſie einmal mitten im Leſen die Augen
aufſchlug und ihre Blicke ſich einen Moment begegneten, fühlte er, daß er
von einer heißen Glut überſtrömt werde.

Es war jedoch, wie geſagt, nur ein kurzer Moment, ſie las wieder
ruhig weiter und ohne daß er in ihren Mienen, als er wieder hinſah,
eine Veränderung bemerkt hätte.

Der Brief des Bankiers erfreute ſich dießmal eines ihm ſonſt nicht
eigenen ſchwulſtigen Styles. Er wickelte ſich darin wie ein Haſe, der
eine Menge Abſprunge macht, ehe er endlich Beſitz von ſeinem eigentlichen
Ziele nimmt.



Zuerſt bat er ſie um Verzeihung, ſein Projekt als eine Thorheit, aber als


von der Reiſe durch das Leben, welche, wenn auch nicht mit einer Badereiſe
zu vergleichen, doch das Gluͤck und die Genüffe in viel, viel höherem Naße
im Gefolge haben werde. Wenn ihm ihre Verzeihung zu Theil geworden,
und ſie als Zeichen derſelben die beikommenden Blumen freuͤndlich in
Empfang genommen, werde er ſie fragen: ob ſie ihn auf diefer Reiſe als
Gefährtin annehmen wolle. In dieſem ſchwülſtigen und zugleich immer
noch unklaren und nur Andeutungen enthaltenden Style ging der Brief
zu Ende. Er war dem Schreiber augenſcheinlich ſchwierig geworden. Um
ihren Mund ſchwebte ein leichtes ſpotiiſches Lacheln, als ſie das Papier zu⸗
ſammenfaltete. Aufſtehend, was Friedrich ebenfalls ſogleich that, nahm ſie das
Blumenkorbchen, ſchuͤttete die Blumen auf den Tiſch und hielt ihm den
leeren Korb hin.

„Da, lieber Friedrich,“ ſagte ſie lachend, „geben Sie das dem Herrn
Direktor, es ſei meine Antwort.“

Friedrich trat erſchredt einen Schritt zurück, die Bedeutung dieſer Ant—
wort ſogleich erfaſſend.

„Der Herr Direltor haben vorläufig keine Antwort gewunſcht,“ ſagte
er, „und wenn die gnädige Frau ihm dieſe zu ſchicken beabſichtigen, dann
werden Sie gewiß einen paſſenderen Boten dazu finden.“

„Sie ſind wohl ſehr für den Direktor eingenommen?“

„Ich ſtehe in ſeinen Dienſten.“

Und es gefaͤllt Ihnen bei ihm, Sie beabſichtigen recht lange in dieſer
Stellung zu verbleiben?“

„Bis ich mich verheirathe, ſo denke ich.“

„Bis Sie ſich verheirathen?“ fragte die junge Wittwe mit geſteiger—
tem Intereſſe, „haben Sie denn ſchon eine Wahl getroffen? Vielleicht
eine Braut?“

„Da Sie mich geradezu fragen, gnädige Frau, weßhalb ſollt' ich's
verleugnen, da ihre Mutter eingewilligt hat.“

„Ihre Braut iſt gewiß ein ſehr ſchönes und liebenswürdiges junges
Mädchen?“

„'8 macht ſich und mir gefällt ſie und huͤbſch iſt ſie auch.“

„Wie heißt ſie denn und was iſt ſie?“

„Sie heißt Dora Martin und iſt eine Feinwäſcherin im Geſchaͤft der
Frau Lange.“

„Und weßhalb wollen Sie noch warten?“

„Erſt muß ich ſelbſtſtändig ſein. 's fehlen noch ein paar hundert Thaler.“

„Schade, daß ich nicht reich bin.“

„Sie werden's bald ſein, gnädige Frau, 's wird wohl nicht mehr
lange dauern.“

„Meinen Sie? Sie könnten ſich doch leicht irren. Aber Sie haben
ja heute Ihre Orden nicht an?“

„Nein — da ich das Körbchen tragen mußte, ſo dacht' ich —“

„Sie haben ganz richtig gedacht, aber meinetwegen ſollen Sie nicht
ohne Schmuck bleiben. Hier,“ fuhr ſie fort, die Kamellie nehmend und
in ſein Knopfloch befeſtigend, wobei er den Hauch ihres Athems fuͤhlte
und die Spitzen ihrer dunkeln ſeidenen Locken ſein Geſicht ſtreiften, „hier,
das tragen Sie mir zuliebe, und grüßen Sie Ihre Dora vielmals, welche
kennen zu lernen ich mich ſehr freuen werde.“

„Adieu, lieber Friedrich!“ fuhr ſie fort, während er verlegen und


neben ihr ſtand, ihm die Hand reichend, welche zu erfaſſen er unter dieſen
Umſtänden ſich nicht entſchlagen konnte. Er führte ſie aber nicht zum
Munde, um ſie zu küſſen, wie ſie erwartet hatte, ſondern hielt ſie nur
einen Moment feſt, den leiſen Druck der ihrigen herzhaft erwiedernd.

Dann machte er eine etwas unbeholfene Verbeugung und empfahl ſich.

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„Es Täßt ſich nicht Alles vereinigen,“ ſagte ſie, ihm nachblickend und
mit der ſchmalen weißen Hand eine herabgefallene dunkle Locke aus dem
erglühten Geſicht ſtreichend, — „es fehlt ihm die Bildung — die Tournüre,
indeſſen ſolche naturwüchſige Einfachheit hat auch ihre Reize.“

Friedrich entfernte, auf dem Hausflur angekommen, ſchon die ihm
oftroyirte Kamellie wieder aus ſeinem Knopfloch, er that dieß jedoch vor-
ſichtig mit einem ſelbſtgefälligen Lächeln, und wickelte ſie daun ſorgfältig
in Papier, ehe er ſie in ſeine Brufttaſche ſchob, weil er ſich vornahm,
heute Abend, wenn er Dora beſuchen würde, ſie wieder anzuſtecken.

Genau zu derſelben Zeit, wo die Untexredung zwiſchen Friedrich und
der ſchönen Wittwe ſtattfand, erſtieg der Bankier abermals die ſteile und
dunkle Treppe zu Dora's Wohnung. Er mußte deßhalb zwar heute die Börſe
verſäumen; da er Dora jedoch nur zu dieſer Stunde ſprechen konnte, ſo
opferte er bei der ohnehin regelmaßig fortſchreitenden Hauſſe die Anſprüche
einer ihm obliegenden Pflicht bereitwillig den Anforderungen ſeiner kleinen

Paſſionen.

Dora hatte ſich in Gedanken und, wir wollen dieß nicht verheimlichen,
 
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