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Illustrirte Mell.

51

ist. Sie sehen, dieser Kretscham ist abweichend von der !
Bauart der ganzen Umgegend ein massives, neues HauS. !
ES ist für einen großen Verkehr eingerichtet und hat auch !
viel Verkehr, lediglich deshalb, weit die Schmuggler viel
Geld zu verzehren babcn und dasselbe nach Möglichkeit
in der Schenke wieder anlege». Ausfallend ist auch noch,

Nur einer der Fuhrleute war zurückgeblieben, der eS
nicht so eilig zu haben schien. Er war nur mit einem
Einspänner, der vor einer Britschke sich befand, angekommeu,
batte mit den Fnhrleuren geplaudert, aber ihre Aufforde-
rung, mitzufahren, abgclchnt.
Er trat an den Schenktisch Hera», hinter den: sich
Mikaz befand, und forderte noch eine Schnaps-
mischung, die Mikaz zurecht machte. An
einer Ecke des Schcirktischeö lag ein schmutzi-
ges Spiel Karten, welches der Fremde er-


griff und mischte, um dann die einzelne» Karten
durch seine Finger gleiten zu lasse». Dau»
warf er dieses Kartenspiel wieder auf de»
Schenktisch, jedoch so, daß als die oberste
Karte das Herz-Aß zu sehen war.
Mikaz reichte ihn: den gewünschten Schnaps
und machte sich dann wieder mit seinen Flasche»
zu thuii. Der Fremde, ei» Mau» in polni-
scher Bauerittracht, nahm die Karten zum
zwciteiimalc auf und legte jetzt daS Piguc-Aß
»ach oben.
Mikaz drehte sich darauf von seinem Fla-
schenregal uni und sagte:
„Ihr scheint die Karten zu lieben!"
„O gewiß!" entgegnete der Fremde.
„lind welches ist Eure liebste Farbe?"
„Herzen!" erwiderte der Fremde.
„Und weshalb?"
„Weil Herz linier »rein guter Freund ist."
„Ei, merkwürdig!" entgegnete Mikaz. „Ich möchte
wohl wisse», wer Herz-Unter ist?"
Der Fremde beugte sich über de» Schcicktisch u»d
flüsterte Mikaz einen Namen zu. Dieser nickte befriedigt
und sagte:
„Kennt Ihr noch mehr Karten?"
„O ja!" entgegnete der Fremde, „ich kenne auch Piqnc-
König."
„WaS Ihr sagt!" sagte Mikaz lächelnd. „Seit wann
denn?"
„Seitdem ich," entgegnete der Fremde, „hier bi» und
mit Euch spreche."
Mikaz sah sich noch einmal um und fragte dann leise:
„Welchen Austrag habt Ihr? Ihr kommt zum ersten-
mal?"

daß der Kretschmer, der Inhaber der
Schenke, hier kein Jude ist, während
Wsonst anSnabmslos und — wie Sic wisse» werde» —
/.Him ganzen Regiermigsbezirk sich die Gastwirtschaften in
^Kdeii Händen von Juden befinde». Der frühere Wirt soll
Mvo'n den Schmugglern thatsächlich auö dem Orte hinaus
M gezwungen worden sei». Sie wollten einen der Ihrigen
Wirt in ihrem Hauptquartiere haben."
„Und hat inan," fragte Günther, „nichts Verdächtiges
I bei diesem Kretschmer entdeckt?"
„Niemals!" entgegnete Otto von Kontala. „Dazu
x sind die Leute zu klug, und insbesondere der Kretschmer,
k der nocb dazu mehr Deutscher als Pole ist und Mikaz
D heißt. Er spielt sogar eine eigentümliche Nolle und leistet
r iinö bin und wieder Vorschub. Aber ich traue ihm nicht
I über de» Weg und glaube, daß die Nachrichten, die er

Königshaus im Bad Kreuth.

uns zuträgt, zumeist absichtlich von den Schmugglern nnS
durch ihn zu teil werden, um unö zu täuschen. Ich glaube
aber ebenso fest versichern zu können, daß eS nichts helfen
würde, wenn man bei dem Manne plötzlich eine Hans-
suchuug vornähmc, wozu ja außerdem die richterliche Er-
laubnis notwendig ist. Ich habe die feste Ucberzeugnng,
inan würde auch nicht das geringste Verdächtige bei dem
Manne vorsinden, der überdies noch vollständig unbestraft

„Ja!" entgegnete der Fremde in polnischer Sprache,
in welcher auch die ganze Unterhaltung geführt worden
war. „Ich komme zum erstenmal, und zwar um Euch
zu sagen, cs ist dringend nötig, daß sechshundert Kisten
Thee und zweihundert Pud Kaviar sortgeschafft werden.
Das Lager ist so angcwachscn, daß irgend etwas fort-
geschasst werden muß, oder eö müßte sonst vernichtet
werden."

Eine amerikanische Kanonengiekerei.
(Bild S. 48.)
Amerika ist das Land der Industrie und der Erfindungen.
Eine seiner großartigsten Werkstätten, das Eisenwerk in South-
Bethlehem in Pennsylvanien, hat sich aus kleinen und unbedeu-
tende» Anfängen durch tie rastlose amerikanische Energie zu einem
der größten Etablissements der Welt ausgebildet, das sich getrost
neben die Werkstätten von Manchester, Le Creuzot und Krupp
stellen darf. Es sind dort beinahe 5000 Menschen beschäftigt,
die auf der breiten Ebene längs des Lehigh-River ihre Ansied-
lungen bewohnen. Im Jahre 1857 gegründet, umsaßt die
Bethlehem Icon Compan» heute alles, was die Eisenindustrie
hervorbringt. Geschähe, Panzervlatten, Geschosse, und insonder-
heit das Kriegsmaterial aus diesen Werkstätten verdient hohes
Interesse. WaS nur au Maschinen und sonstigen technischen
Einrichtungen die Neuzeit aufzuwcijcn hat, ist hier in den Tienst
einer großartigen und unermüdlichen Arbeit gestellt, und die Art
und Weise, wie in diesen Werkstätten von South-Bethlehem ge-
arbeitet wird, ist, wenn auch in manchen Zügen gleich mit der-
jenigen in den Werkstätten Europas, in der Hauptsache doch so
eigenartig amerikanisch, daß es sich wohl der Mühe verlohnen
möchte, einen Gang durch diese ungeheuren Fabrikanlagen zu
machen und zu beobachten, wie sich hier alles vereinigt, an körper-
licher und geistiger Kraft, zur Arbeit. Namentlich interessant ist
der Guß der Geschütze in den Werkstätten von Bethlehem; die
verschiedenen dort hcrgcstellten Teile der Riejenkanonen werden
indessen nicht hier, sondern in Washington zusammengcscht;
eine neue Erfindung von South-Bethlehem ist die Herstellung
von hohlen Geschossen sär Kriegsschiffe, welche die gleiche Durch-
schlagskraft zeigen wie die früheren massiven Geschosse. Die
dort hergestcllten Panzerplatten für Kriegsschiffe können sich an
Widerstandsfähigkeit und Festigkeit gut mit denjenigen messen,
die bisher, von Schneider öe Co. in Le Creuzot gefertigt, als
die besten galten. Die Bethlehem Iran Comptmy hat schon viele
Schiffe der Bereinigten Staaten ausgerüstet, die Kreuzer „San
Franzisko", „Newark" und „Philadelphia" find unter diesen,
und neuerdings werden nun „Amphitrite", „Texas" und eine
große Anzahl anderer Schiffe von der Gesellschaft mit Geschähen
und vielem anderen Kriegsmaterial versehen. Es läßt sich be-
greifen, welch ungeheure Mengen von Stahl und Eisen in diesen
Werkstätten verbraucht werden. „Hiedurch wird," wie der die-
selben beschreibende Amerikaner sagt, „eines der großartigsten
Beispiele geliefert, wie der Geist des Menschen die gewaltigen
Kräfte der Natur sich zu Diensten machen kann."

Aktes Hold.

Darf einer ein Ding thun, so dürscn's andere Leute sagen.

Den Willen gibt Gott,
Den Zwang die Not.

Wer nicht mehr trinken kann, stehet doch gern zapfen.

ist und sich in der ganzen Gegend wegen seiner Betrieb-
? samkeit und wohl auch deshalb, weil er sich einiges Ver-
k mögen erworben hat, in gutem Ansehen steht."
Die Reiter kamen jetzt an dem Gasthaus vorüber, das
I in der That einen auffallend sauberen und mit seinem
massiven Bau gegen die anderen, zerstreut liegenden Hütten
einen geradzeu vornehmen Eindruck machte.
Vor der Thür hielten einige Wagen mit langen Leitern,
s zwischen denen lange, auS Weidenruten geflochtene, halbe
k Körbe lagen, welche die Ladung, bestehend ans Heu und
! Stroh, trugen. Die kleinen polnischen Pferde fraßen auS
8 den Krippen vor der Thür, in dieser selbst aber stand ein
mittelgroßer Mann mit einem langen blonden Bart, der
I seine Mütze abnahm nnd sehr höflich grüßte, als die
M Steuerbeamten vorübcrritteu.
„Das ist der Kretschmer!" sagte Otto von Kontala.
- „Aber nun gestatten Sie, Herr Kamerad, daß ich Ihre
s- Führung anderen Händen übergebe. Dort drüben kommt
K gerade eine Patrouille von zwei meiner reitenden Ofsi-
k zianten, welche die hiesigen Verhältnisse genau kennen und
d die Ihnen auch die Grenze, sowie alle Terrainschwierig-
keiten an derselben zeigen werden. Ich mnß hinauf nach
dem Gutshof, Schloß Katzeuberg genannt, nm dort privatim
und dienstlich vorzusprechen. Auf Wiedersehen!"
Otto von Kontala übergab Günther den beiden Offi-
zianten zur Führung, wandte dann sein Pferd und ritt
nach dein Gutshofe hinüber. —
Nachdem der Obcr-Grenzkontrollcur mit Günther
vorübcrgcrittcn war, kehrte der Kretschmer Mikaz von der
Hausthüre zur Schenkstube zurück, in welcher nur die
, Fuhrleute Schnaps trinkend saßen, deren Wagen draußen
s standen.
Diese Schenkstubc war ein großes Lokal, welches gleich-
! zeitig als Tanzboden benützt werden konnte, und hatte
nur an der einen schmalen Seite einen Maucrbogen, unter
welchem sich eine Art Buffet befand. Das Mobiliar war
8 sehr einfach und bestand aus mehreren langen Tischen mit
s Kreuzbeinen und Bänken; auch einige Schemel aus ein-
fachem Kiefernholz standen hie und da herum.
x . Die Fuhrleute verlangten noch einen Schnaps, der
L ihnen in kleinen, viereckigen, langhalsigen Flaschen von
bestimmtem Maße und zci jeder Flasche ein Gläschen,
aus dem sie trinken konnten, gereicht wurde. Dann tranken
ste ziemlich rasch den Kornschnaps herunter und verließen
mit einem Gruß das Zimmer, um aus ihren Fuhrwerken
weiter zu fahren.


„Gut, gut!" sagte Mikaz, „und wohin wollt Ihr von
hier aus?"
„Ich bin beauftragt, mir von Euch
weitere Aufträge zu holeu," sagte der Fremde.
„Daun verweilt hier nocb," sagte Mikaz,
„eine Stunde. Ich werde Euch dann Auf-
träge geben. Kennt Ihr den Weg nach
Guttcntag?"
„O gewiß!" entgegnete der Fremde.
„Nun," bemerkte Mikaz, „dann macht eS
Euch bequem. In einer Stunde könnt Ihr
fahren. Euer Paß ist doch in Ordnung?
Wie Ihr gesehen haben werdet, streichen ,die
Grünen' hierherum, und der neue Beamte,
der vorhin mit dem Ober-Grenzkontrollcur
vorübergeritten kam, ist sicher nicht umsonst
hier."

Das alte Bad in Kreuth.

Hohlmsteinalpc.
„Es ist alles in Ordnung," sagte der Fremde, „und
falls jemand kommen sollte, kenne ich Euch nicht. Doch
damit Ihr wißt, wie Ihr mich anzuredeu habt: ich bin
Herz-Acht und heiße Kanowski."
Mikaz rief ein Dienstmädchen, welchem er die Auf-
sicktt über das Buffet uud den Schcnktisch übertrug, und
verließ bald darauf das Haus, indem er die Richtung
nach dem Gutshofe zu ciuschlug.
(Fortsetzung folgt.)

Ein Kfliiernprin? nnd seine menschenfrennd-
tichrn Schöpfungen.
(Bilder S. 51 u. 52.)
Unter den Angehörigen des bayrischen Königs-
hauses nimmt der derzeitige Chef der herzoglichen
Linie, Herzog vr. Karl Theodor in Bayern, König-
liche Hoheit, eine eigenartige Stellung ein, die seinen
Namen mit dem Glorienschein einer Berühmtheit um-
gibt , welche derjenigen nicht nachsteht, die von Mit-
gliedern der Fürstenhäuser sonst zunieist auf der
militärischen Laufbahn angcstrebt wird. Seine Leistun-
gen auf dem Gebiete der Heilkunde und sein damit
in Verbindung gebrachtes humanitäres Wirken haben
ihm längst die Verehrung und Bewunderung des Volkes gesichert
und in Bayern, wie auch in Oesterreich hat sich Karl Theodor
als Arzt nnd Menschenfreund eine ticfgcwurzelte Popularität
errungen. Und doch war der Prinz in seinen jungen Jahren nichts
weniger als ein ausgesprochener Bücherfreund. Er galt bis zu
seiner Vermählung als ein echter Lebemann und zählte zu den
schneidigsten Offizieren der bayrischen Kavallerie; als Reiter be-
sonders suchte er seinesgleichen.
Karl Theodor, Herzog in Bayern, ist geboren zu Possenhofen
den 9. August 1839 und vermählte sich in erster Ehe zu Dresden
am 11. Februar 1865 mit Sophie, königlicher Prinzessin von

Sachsen, welche aber schon am S. März 1867 verstarb. Ter
 
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