vierzigster Zcrbrgcrng.
16. Lest.
Stuttgart, Leipzig, Wertin, Wien.
Tante Jettes Pstegesöhne.
Roman
von
Akerander Hlömer.
III.
s war gegen Ende des März, in der Woche vor
Ostern.
Fritz, ein jetzt kräftig aufgeschossener Knabe von
vierzehn Jahren wanderte an der Seite der Tante Marie
in die Vorstadt hinaus. Er hatte seine Schularbeiten
beendet, sie machten ihm keine große Qual; denn sein
Heller Kopf faßte leicht und bewältigte die Aufgaben
spielend. Sein blondes Haar kräuselte sich leicht, seine
Gesichtsfarbe war blühend und frisch, seine blauen Angcn
blickten fröhlich nnd treuherzig in die Welt. Aber er war
nicht, was man einen hübschen Knaben nennt, dazu waren
seine Glieder zu eckig und derb, seine Züge zu unregel-
mäßig, und an seinem Gang, Haltung und Manieren
hatte Bruder Richard stets etwas auszusctzen. Das küm-
merte Fritz indes wenig, ebenso wie Tante Jettes Tadel
und Rügen. Sein leichter Sinn half ihm darüber hinweg.
„Es ist ziemlich gleich, leiden mögen sie mich doch
nicht," pflegte er zu Tante Marie zu sagen, die seins
Vertraute geworden. Wie glückselig sie an ihm hinauf-
schaute, denn er war jetzt schon größer als sic, und mit
welchem Jntelesse sie allem zuhörtc, was er ihr vor-
plauderte.
Fritz hatte sich seit ein paar Jahren schon cmauzipirt
und sich öffentlich zu der geliebten Tante gestellt. Anfangs
! war ihr Verkehr ein heimlicher gewesen, der von Jettes
Seite durch alle möglichen Mittel gehemmt wurde. Es
hatte aber nichts geholfen. Wenn Fritz gesucht wurde, saß
er unten bei BlumS und Jette behauptete, sie habe
niemals ein ungehorsameres und widerspenstigeres Kind
gekannt als Fritz, und cö sei unmöglich, von ihr zu ver-
langen, daß sie ihn lieben solle.
So kam cS, daß auch er ihr scheu und trotzig aus
dem Wege ging und bei Marien die Entschädigung fand,
die sein weiches Herz bedurfte, die Liebe einer Mutter.
Für Marie Blum war mit ihm ein Sonnenstrahl in
das Haus gekommen und wenn sie sich auch zu Anfang nur
daran labte, wie an einer verbotenen Frucht, sie nahm
auch die Sünde auf sich. Ihr Register war ja bei der
Schwester oknehiu voll. Selbst ihr sonst so gleichgiltiger
Manu, der sich nur um das Geschäft und die Kornpreise
„Die Kunstspringer" im Zirkus Renz in Berlin. Originalzeichnung von E. Hosang. (S. 381.)
JNustr. W-lt. ISgL. 16.
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