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Illu strikte Wett.
Eine Art von Citadelle für die ehemalige Deutschordensstadt
bildete die Burg Neuhaus ob Igersheim, mit ihren stattlichen
Gütern nunmehr königliche Staatsdomäne. Einst Sitz einer
Linie der Familie Hohenlohe-Brauneck, kam Neuhaus 1431 aus
den Händen des Bistums Würzburg in das Eigentum des
oeutschen Ordens. Die Burg diente in unruhigen Zeiten als
Zufluchtsort sür den Ordensschatz, die Landeskassen, das Archiv.
Dann und wann beherbergte sie als Staatsgefängnis unfrei-
willige Gäste. Leider
ließ die Ordensregie-
rung das schöne Schloß-
gebäude auf Neuhaus
1791 niederbrechcn und
auch die ansehnlichen
Befestigungen der Burg
vollends in Verfall ge-
raten.
Eine neuzeitliche Er-
rungenschaft von Mer-
gentheim ist- unter an-
derem das Bad. Die
Quelle wurde 1826
entdeckt und der Betrieb
1829 unter dem Na-
uen Seiner Majestät
ves Königs, damaligen
Kronprinzen Karl, er-
öffnet. Nach dem Aus-
spruch des Freiherrn
von Liebig gehört die
Mergenthcimer Mine-
ralquelle zu den vorzüg-
lichsten derartigen Was-
sern Deutschlands. Sie
ist außer an Chlor-
natrium (Kochsalz) vor-
zugsweise reich an schwe-
selsaurem Natron,
schwefelsaurer Magne-
sia, Chlorlithium,
Bromnatrium und koh-
lensaurem Eisenoxydul.
Das Wasser wird so-
wohl zur Trink- wie zur
Badekur gebraucht und
Zur Erimlermly an den 18. August 1870.
Einundzwanzig Jahre sind dahingegangen, seitdem Deutschland
zum zweitenmale in diesem Jahrhundert seinen Erbfeind geschlagen
hat. Zwanzig Jahre sind im Leben der Völker gar keine Zeit,
und doch erscheinen uns diese glänzenden Tage, die die Wieder-
geburt des deutschen Reiches zur Folge hatten, schon so weit ent-
oberhalb derselben liegenden Punkte; dieser Tunnel hat eine
durchschnittliche Tiefe von ungefähr 160 Fuß unterhalb des
Flußbettes und liegt 400 Fuß vom Flusse entfernt, mit welchem
er durch zu Tage liegende Kanäle in Verbindung steht. Der
Tunnel wird eine gewaltige Wassermenge von starker Strömung
sür die Rinnen zu den Rädern liefern, welche unter dem Niveau
der Kanäle ansgehoben werden, und der Tucknel sowohl wie die
Kanäle und diese Räderschachte müssen alle aus dem harten Felsen
k>nrn N»rp«»r'» Onpyriekt, I8Sl>, by Nnrper är krotken».
von den Aerzten haupt-
sächlich bei Krankheiten
der Leber, Nieren und
Kiirassierangriff in der Schlacht von Rezonville. Nach dem Gemälde von Aim« Morot.
Milz, bei Gallen- und Nierensteinen, Gelbsucht, Hämorrhoiden,
Störung der Verdauungsorgane, gichtischen Gclenksablagerungen,
Rheumatismus, allgemeiner Fettsucht, Herzverfettung und bei den
verschiedenen Frauenkrankheiten angelegentlichst empfohlen. Mit
dem trefflich ausgcstattcten Mineralbad ist auch eine Wasserheil-
anstalt nach dem System Kneipp-Wörishofen verbunden. Eine
weitere gut geleitete Einrichtung in diesem Sinne besteht in der
Lladt.
Das Geräusch und Getümmel der großen Weltbädcr ist in
Mergentheim freilich nicht anzutresfen. Dagegen findet der Ge-
nesung oder Erholung Suchende in unserer von 4440 Seelen
bewohnten Oberamtsstadt außer den schon genannten Kurmitteln
eine vorzügliche Luft, wohllhütige Ruhe, vortreffliche Unterkunft
und freundliches Entgegenkommen von allen Seiten.
Deni Liebhaber der Einsamkeit bieten sich in den Anlagen
des Karlsbadcs und in dem herrlichen Schloßgartcn lauschige
Plätze genug, um eine oder mehrere Stunden unter dem Gesänge
der gefiederten Welt verträumen zu können. Unterhaltung ge-
währen die täglichen Konzerte einer guten Musikkapelle, das Lcse-
kabinet der Muscumsgcsellschaft, die Darstellungen eines Sommer-
theaters, die schöne Adelsheimische Sammlung auf dem Rathause,
und abends findet man in den Gasthäusern der Stadt jederzeit
trinkbare Männer, deren Scherz und Ernst den Zeiger der Uhr
unbemcrkterweise ost nur zu schnelle Fortschritte machen läßt.
Die nächste Umgebung von Mergentheim ladet zu schönen
Spaziergängen aller Art ein. Wer aber nach der Ferne strebt,
vermag mittelst der Bahn leicht zu erreichen: Bischofsheim (Ge-
scchtsseld von 1866), Creglingen (alte Herrgottskirche), Rothcnbnrg
ob der Tauber (wohlerhaltene ehemalige Reichsstadt), Weikers-
heim (prächtiges hohenlohisches Schloß), Wertheim, Würzburg
und andere besuchenswerte Orte in Hülle und Fiille.
H. Sch.
legen, daß die Erinnerung daran nur noch bei denen recht
lebendig ist, die mit im Kampfe gestanden haben. Aber die
Gegenwart nimmt so ganz und gar unser ganzes Fühlen und
Denken in Anspruch, daß selbst für die Erinnerung an solche
Ehrentage unseres Volkes keine Zeit übrig bleibt. Und die füns
Tage vom 14. bis 18. August sind mit blutigroten Lettern in
das Ehrenbuch der Geschichte der Deutschen eingeschrieben. Wäh-
rend dieser Zeit wurden die verschiedenen Schlachten nm Metz
geschlagen, durch welche die große Armee unter Marschall Bazaine
in diese Festung cingeschlosjcn wurde. Noch am Abend des 18.
hatte Moltke persönlich an dem Kampfe tcilgenommen. Den
Säbel ziehend, war er den einer ermatteten Abteilung zu Hilfe
eilenden Pommern vorangeiprengt und hatte sie dadurch zu
rascherem Vorgehen ermuntert. Mit unbeschreiblichem Jubel
und tausendstimmigem Hurrageschrei stürmten die wackeren Pom-
mern ihm »ach, eine Höhe nach der andern wird erstiegen und
der Tag ist entschieden. Diesseits Rezonville neben einer Garten-
mauer auf einer Leiter, die man von einem Bauernwagen ge-
nommen und als Sitz eingerichtet hatte, während das eine Ende
auf einer Dezimalwage und das andere auf einem toten französi-
schen Grauschimmel lag, saß der König, als Moltke zu ihm trat
und ihm meldete- „Majestät, der Sieg ist unser, der Feind zieht sich
zurück." Die nm ihn Versammelten, darunter Bismarck, Roon,
Prinz Karl (Vater), der Großherzog von Weimar und andere
mehr brachen in ein kräftiges Hurra aus. Dann wurde ein in
der Nähe haltender Marketender herbeigcholt, und aus einem ab-
gebrochenen Tulpcnglase trank der König dessen gewiß schlechten
sogenannten Rotspohn.
So endeten die denkwürdigen Tage um Metz, an denen viele
unserer tapferen Brüder den Heldentod fürs Vaterland starben.
Aber sie haben ihr Leben nicht umsonst geopfert, sondern ans
der Blutsaat ist herrlich und kräftig emporgewachsen: das ncne
deutsche Reich!
Hydraulischer Tunurl ;ur HMarmachung der
Niagarafälle für indukrirlle Zwecke.
(Bilder S. 72.)
Schon seit einer Reihe von Jahren haben sich die Besitzer-
großer Fabriken, die Ingenieure und Mechaniker Nordamerikas
mit der Frage beschäftigt, auf welche Weise man die gewaltige
Wasserkraft der Niagarafälle am besten sür die Industrie nutzbar
machen könne. Es ist auch bereits manches in dieser Beziehung
geschehen; ein drei Viertelmeilen (engl.) langer Kanal, gerade
oberhalb der Fälle beginnend und bis zu der hohen Felsenbank
unterhalb reichend, lieferte seit einigen Jahren Las erforderliche
Wasser zum Betriebe von einem Dutzend Etablissements, beson-
ders von Mahlmühlen, jedoch in so ungenügender Menge und
dabei in so starkeni Gefälle, daß eine Aenderung dringend er-
forderlich erschien.
Das größte Hindernis für die bessere Nutzbarmachung dieser
Wasserkraft bestand bisher in der ungeheuren Schwierigkeit, die
großen Felsmassen zu durchbrechen, den harten Niagara-Kalkstein
zu durchbohren. Diese schwierige Arbeit ist jetzt von der Niagara-
Fälle-Kraft-Gesellschaft unternommen worden nach den in unserer
Illustration angegebenen Plänen und mit einem Kostenaufwand
von über drei Millionen Dollars. Es muß ein Tunnel angelegt
werden, in der Form eines Hufeisens im Querschnitt, von deni
Niveau des Wassers unterhalb der Fälle bis zu einem eine Meile
ausgcbrochen werden, welcher an keinem einzigen Punkte Über-
zehn Fuß unter der Oberfläche vorkommt. Das untere Ende
des Tunnels wird sich etwas unterhalb des Dorfes Niagara be-
finden und eine Neigung von siebcnzehn vom Hundert haben;
die Oberfläche seines Querschnittes wird 490 Quadratfuß betragen,
Nias für hinreichend gehalten wird, nm für die Räder eine
Wasserkraft von 120,000 Pferdckrüften zu liefern. Die Gesell-
schaft will eine Anzahl von Rinnen für Räder mit Turbinen-
rädern versehen, um durch Vermittlung von Kabeln, pneumati-
schen Röhren oder Elektrizität Kraft zur Verfügung zu haben, auch
will sie an Kunden das Recht verpachten, eigene Rinnen für Rädcr
anzulegen und mit jener Kraft in Verbindung zu setzen. Durch
die Steigung Les Tunnels und den weiten Spielraum unter
den Rädern ist dem einströmenden Wasser ein solcher Fall ge-
geben, daß niemals eine Störung durch zu starken Wasserdruck
cintreten kann. Obschon die Konstruktion einen Fall von 160 Fuß
von den Kanälen zum Tunnel ergibt, so sind doch nur 120 Fuß
Fall auf die Räder in Anschlag gebracht worden, während dcr
Rest für den freien Abfluß des Wassers berechnet ist.
Das Abteufen Les ersten Schachtes, von welchem aus dcr
Tunnel durch Seitenstollen in den Fels getrieben werden soll,
ist in der Skizze Nr. 1 unserer Illustration zur Anschauung
gebracht; dasselbe weicht nicht ab von der gewöhnlichen Methode,
einen Felsen in den Minen zu durchbohren. Die Gesellschaft
hat ein Terrain von etwa 1300 Acres angekaust, Las sich zwei
Meilen längs des Flußufers hinzieht; es soll zur Anlage von
Docks, Mühlen und Arbeiterwohnungen benützt werden, die jedoch
so weit entfernt von den Fällen liegen werden, daß sie den Ein-
druck von deren imposanter Schönheit in keiner Weise beein-
trächtigen dürften.
Die Lokalität bietet große Vorteile für den Transport von
Materialien und allen anderen Bedürfnissen; es ist eine direkte
Wasserverbindung mit den Häsen aller großen Seen und dein
Erieknnalc vorhanden, ebenso werden Seitenlinien der Haupt-
eisenbahnen zu allen Mühlen und anderen Etablissements führen.
Das unterscheidende Merkmal dieses großartigen Unternehmens
von allen übrigen, Lurch welche Wasserkraft für industrielle Zwecke
nutzbar gemacht worden ist, liegt in der ganz unerschöpflichen
Wassermenge, welche demselben zur Verfügung steht. Es wurde
berechnet, daß der Tunnel dem Strome nicht mehr als vier Pro-
zent von der Wassermasse entziehen, die jetzt über die Fälle stürzt,
und dennoch eine bei weitem höhere Kraft liefern wird, als die
ähnlichen Unternehmungen zu Lawrence, Lovell, Holyoke und
Cohoes zusammmgenommen aufbringen können. In allen diesen
Industriestädten haben die Pächter der Wasserkräfte nur das
Recht, dieselben für eine bestimmte Anzahl von Stünden benützen
zu dürfen, Nachtarbeit nicht mit inbegriffen, und diese Unter-
brechungen sind, namentlich während der Sommermonate, häufig
die Ursache von Wassermangel, so daß manche Etablissements
sich genötigt sahen, ihre Wasserkraft durch Einrichtung ciner
Dampfkraft zu ergänzen. Beim Niagara jedoch hat die Natur
einen großen natürlichen Damm geschaffen, durch welchen alle
die großen Seen, eine Fläche von mehr als 241,000 Quadrat-
meilen bedeckend, in riesige Wasserreservoirs umgewandelt werden,
so daß niemals während des ganzen Jahres eine Aenderung in
der Höhe des Stromes eintritt.
Die erste Sektion dieses Unternehmens muß kontraktlich zu
Beginn des Jahres 1892 vollendet sein.
Illu strikte Wett.
Eine Art von Citadelle für die ehemalige Deutschordensstadt
bildete die Burg Neuhaus ob Igersheim, mit ihren stattlichen
Gütern nunmehr königliche Staatsdomäne. Einst Sitz einer
Linie der Familie Hohenlohe-Brauneck, kam Neuhaus 1431 aus
den Händen des Bistums Würzburg in das Eigentum des
oeutschen Ordens. Die Burg diente in unruhigen Zeiten als
Zufluchtsort sür den Ordensschatz, die Landeskassen, das Archiv.
Dann und wann beherbergte sie als Staatsgefängnis unfrei-
willige Gäste. Leider
ließ die Ordensregie-
rung das schöne Schloß-
gebäude auf Neuhaus
1791 niederbrechcn und
auch die ansehnlichen
Befestigungen der Burg
vollends in Verfall ge-
raten.
Eine neuzeitliche Er-
rungenschaft von Mer-
gentheim ist- unter an-
derem das Bad. Die
Quelle wurde 1826
entdeckt und der Betrieb
1829 unter dem Na-
uen Seiner Majestät
ves Königs, damaligen
Kronprinzen Karl, er-
öffnet. Nach dem Aus-
spruch des Freiherrn
von Liebig gehört die
Mergenthcimer Mine-
ralquelle zu den vorzüg-
lichsten derartigen Was-
sern Deutschlands. Sie
ist außer an Chlor-
natrium (Kochsalz) vor-
zugsweise reich an schwe-
selsaurem Natron,
schwefelsaurer Magne-
sia, Chlorlithium,
Bromnatrium und koh-
lensaurem Eisenoxydul.
Das Wasser wird so-
wohl zur Trink- wie zur
Badekur gebraucht und
Zur Erimlermly an den 18. August 1870.
Einundzwanzig Jahre sind dahingegangen, seitdem Deutschland
zum zweitenmale in diesem Jahrhundert seinen Erbfeind geschlagen
hat. Zwanzig Jahre sind im Leben der Völker gar keine Zeit,
und doch erscheinen uns diese glänzenden Tage, die die Wieder-
geburt des deutschen Reiches zur Folge hatten, schon so weit ent-
oberhalb derselben liegenden Punkte; dieser Tunnel hat eine
durchschnittliche Tiefe von ungefähr 160 Fuß unterhalb des
Flußbettes und liegt 400 Fuß vom Flusse entfernt, mit welchem
er durch zu Tage liegende Kanäle in Verbindung steht. Der
Tunnel wird eine gewaltige Wassermenge von starker Strömung
sür die Rinnen zu den Rädern liefern, welche unter dem Niveau
der Kanäle ansgehoben werden, und der Tucknel sowohl wie die
Kanäle und diese Räderschachte müssen alle aus dem harten Felsen
k>nrn N»rp«»r'» Onpyriekt, I8Sl>, by Nnrper är krotken».
von den Aerzten haupt-
sächlich bei Krankheiten
der Leber, Nieren und
Kiirassierangriff in der Schlacht von Rezonville. Nach dem Gemälde von Aim« Morot.
Milz, bei Gallen- und Nierensteinen, Gelbsucht, Hämorrhoiden,
Störung der Verdauungsorgane, gichtischen Gclenksablagerungen,
Rheumatismus, allgemeiner Fettsucht, Herzverfettung und bei den
verschiedenen Frauenkrankheiten angelegentlichst empfohlen. Mit
dem trefflich ausgcstattcten Mineralbad ist auch eine Wasserheil-
anstalt nach dem System Kneipp-Wörishofen verbunden. Eine
weitere gut geleitete Einrichtung in diesem Sinne besteht in der
Lladt.
Das Geräusch und Getümmel der großen Weltbädcr ist in
Mergentheim freilich nicht anzutresfen. Dagegen findet der Ge-
nesung oder Erholung Suchende in unserer von 4440 Seelen
bewohnten Oberamtsstadt außer den schon genannten Kurmitteln
eine vorzügliche Luft, wohllhütige Ruhe, vortreffliche Unterkunft
und freundliches Entgegenkommen von allen Seiten.
Deni Liebhaber der Einsamkeit bieten sich in den Anlagen
des Karlsbadcs und in dem herrlichen Schloßgartcn lauschige
Plätze genug, um eine oder mehrere Stunden unter dem Gesänge
der gefiederten Welt verträumen zu können. Unterhaltung ge-
währen die täglichen Konzerte einer guten Musikkapelle, das Lcse-
kabinet der Muscumsgcsellschaft, die Darstellungen eines Sommer-
theaters, die schöne Adelsheimische Sammlung auf dem Rathause,
und abends findet man in den Gasthäusern der Stadt jederzeit
trinkbare Männer, deren Scherz und Ernst den Zeiger der Uhr
unbemcrkterweise ost nur zu schnelle Fortschritte machen läßt.
Die nächste Umgebung von Mergentheim ladet zu schönen
Spaziergängen aller Art ein. Wer aber nach der Ferne strebt,
vermag mittelst der Bahn leicht zu erreichen: Bischofsheim (Ge-
scchtsseld von 1866), Creglingen (alte Herrgottskirche), Rothcnbnrg
ob der Tauber (wohlerhaltene ehemalige Reichsstadt), Weikers-
heim (prächtiges hohenlohisches Schloß), Wertheim, Würzburg
und andere besuchenswerte Orte in Hülle und Fiille.
H. Sch.
legen, daß die Erinnerung daran nur noch bei denen recht
lebendig ist, die mit im Kampfe gestanden haben. Aber die
Gegenwart nimmt so ganz und gar unser ganzes Fühlen und
Denken in Anspruch, daß selbst für die Erinnerung an solche
Ehrentage unseres Volkes keine Zeit übrig bleibt. Und die füns
Tage vom 14. bis 18. August sind mit blutigroten Lettern in
das Ehrenbuch der Geschichte der Deutschen eingeschrieben. Wäh-
rend dieser Zeit wurden die verschiedenen Schlachten nm Metz
geschlagen, durch welche die große Armee unter Marschall Bazaine
in diese Festung cingeschlosjcn wurde. Noch am Abend des 18.
hatte Moltke persönlich an dem Kampfe tcilgenommen. Den
Säbel ziehend, war er den einer ermatteten Abteilung zu Hilfe
eilenden Pommern vorangeiprengt und hatte sie dadurch zu
rascherem Vorgehen ermuntert. Mit unbeschreiblichem Jubel
und tausendstimmigem Hurrageschrei stürmten die wackeren Pom-
mern ihm »ach, eine Höhe nach der andern wird erstiegen und
der Tag ist entschieden. Diesseits Rezonville neben einer Garten-
mauer auf einer Leiter, die man von einem Bauernwagen ge-
nommen und als Sitz eingerichtet hatte, während das eine Ende
auf einer Dezimalwage und das andere auf einem toten französi-
schen Grauschimmel lag, saß der König, als Moltke zu ihm trat
und ihm meldete- „Majestät, der Sieg ist unser, der Feind zieht sich
zurück." Die nm ihn Versammelten, darunter Bismarck, Roon,
Prinz Karl (Vater), der Großherzog von Weimar und andere
mehr brachen in ein kräftiges Hurra aus. Dann wurde ein in
der Nähe haltender Marketender herbeigcholt, und aus einem ab-
gebrochenen Tulpcnglase trank der König dessen gewiß schlechten
sogenannten Rotspohn.
So endeten die denkwürdigen Tage um Metz, an denen viele
unserer tapferen Brüder den Heldentod fürs Vaterland starben.
Aber sie haben ihr Leben nicht umsonst geopfert, sondern ans
der Blutsaat ist herrlich und kräftig emporgewachsen: das ncne
deutsche Reich!
Hydraulischer Tunurl ;ur HMarmachung der
Niagarafälle für indukrirlle Zwecke.
(Bilder S. 72.)
Schon seit einer Reihe von Jahren haben sich die Besitzer-
großer Fabriken, die Ingenieure und Mechaniker Nordamerikas
mit der Frage beschäftigt, auf welche Weise man die gewaltige
Wasserkraft der Niagarafälle am besten sür die Industrie nutzbar
machen könne. Es ist auch bereits manches in dieser Beziehung
geschehen; ein drei Viertelmeilen (engl.) langer Kanal, gerade
oberhalb der Fälle beginnend und bis zu der hohen Felsenbank
unterhalb reichend, lieferte seit einigen Jahren Las erforderliche
Wasser zum Betriebe von einem Dutzend Etablissements, beson-
ders von Mahlmühlen, jedoch in so ungenügender Menge und
dabei in so starkeni Gefälle, daß eine Aenderung dringend er-
forderlich erschien.
Das größte Hindernis für die bessere Nutzbarmachung dieser
Wasserkraft bestand bisher in der ungeheuren Schwierigkeit, die
großen Felsmassen zu durchbrechen, den harten Niagara-Kalkstein
zu durchbohren. Diese schwierige Arbeit ist jetzt von der Niagara-
Fälle-Kraft-Gesellschaft unternommen worden nach den in unserer
Illustration angegebenen Plänen und mit einem Kostenaufwand
von über drei Millionen Dollars. Es muß ein Tunnel angelegt
werden, in der Form eines Hufeisens im Querschnitt, von deni
Niveau des Wassers unterhalb der Fälle bis zu einem eine Meile
ausgcbrochen werden, welcher an keinem einzigen Punkte Über-
zehn Fuß unter der Oberfläche vorkommt. Das untere Ende
des Tunnels wird sich etwas unterhalb des Dorfes Niagara be-
finden und eine Neigung von siebcnzehn vom Hundert haben;
die Oberfläche seines Querschnittes wird 490 Quadratfuß betragen,
Nias für hinreichend gehalten wird, nm für die Räder eine
Wasserkraft von 120,000 Pferdckrüften zu liefern. Die Gesell-
schaft will eine Anzahl von Rinnen für Räder mit Turbinen-
rädern versehen, um durch Vermittlung von Kabeln, pneumati-
schen Röhren oder Elektrizität Kraft zur Verfügung zu haben, auch
will sie an Kunden das Recht verpachten, eigene Rinnen für Rädcr
anzulegen und mit jener Kraft in Verbindung zu setzen. Durch
die Steigung Les Tunnels und den weiten Spielraum unter
den Rädern ist dem einströmenden Wasser ein solcher Fall ge-
geben, daß niemals eine Störung durch zu starken Wasserdruck
cintreten kann. Obschon die Konstruktion einen Fall von 160 Fuß
von den Kanälen zum Tunnel ergibt, so sind doch nur 120 Fuß
Fall auf die Räder in Anschlag gebracht worden, während dcr
Rest für den freien Abfluß des Wassers berechnet ist.
Das Abteufen Les ersten Schachtes, von welchem aus dcr
Tunnel durch Seitenstollen in den Fels getrieben werden soll,
ist in der Skizze Nr. 1 unserer Illustration zur Anschauung
gebracht; dasselbe weicht nicht ab von der gewöhnlichen Methode,
einen Felsen in den Minen zu durchbohren. Die Gesellschaft
hat ein Terrain von etwa 1300 Acres angekaust, Las sich zwei
Meilen längs des Flußufers hinzieht; es soll zur Anlage von
Docks, Mühlen und Arbeiterwohnungen benützt werden, die jedoch
so weit entfernt von den Fällen liegen werden, daß sie den Ein-
druck von deren imposanter Schönheit in keiner Weise beein-
trächtigen dürften.
Die Lokalität bietet große Vorteile für den Transport von
Materialien und allen anderen Bedürfnissen; es ist eine direkte
Wasserverbindung mit den Häsen aller großen Seen und dein
Erieknnalc vorhanden, ebenso werden Seitenlinien der Haupt-
eisenbahnen zu allen Mühlen und anderen Etablissements führen.
Das unterscheidende Merkmal dieses großartigen Unternehmens
von allen übrigen, Lurch welche Wasserkraft für industrielle Zwecke
nutzbar gemacht worden ist, liegt in der ganz unerschöpflichen
Wassermenge, welche demselben zur Verfügung steht. Es wurde
berechnet, daß der Tunnel dem Strome nicht mehr als vier Pro-
zent von der Wassermasse entziehen, die jetzt über die Fälle stürzt,
und dennoch eine bei weitem höhere Kraft liefern wird, als die
ähnlichen Unternehmungen zu Lawrence, Lovell, Holyoke und
Cohoes zusammmgenommen aufbringen können. In allen diesen
Industriestädten haben die Pächter der Wasserkräfte nur das
Recht, dieselben für eine bestimmte Anzahl von Stünden benützen
zu dürfen, Nachtarbeit nicht mit inbegriffen, und diese Unter-
brechungen sind, namentlich während der Sommermonate, häufig
die Ursache von Wassermangel, so daß manche Etablissements
sich genötigt sahen, ihre Wasserkraft durch Einrichtung ciner
Dampfkraft zu ergänzen. Beim Niagara jedoch hat die Natur
einen großen natürlichen Damm geschaffen, durch welchen alle
die großen Seen, eine Fläche von mehr als 241,000 Quadrat-
meilen bedeckend, in riesige Wasserreservoirs umgewandelt werden,
so daß niemals während des ganzen Jahres eine Aenderung in
der Höhe des Stromes eintritt.
Die erste Sektion dieses Unternehmens muß kontraktlich zu
Beginn des Jahres 1892 vollendet sein.