Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
110

I l l u st r i r t e Dell.

Ivie unser Herrche. Es ist sonderbar, sie wählen alles
immer mehr für Hermine ans als für mich."
Klara suchte die Mißtrauische zu beruhigen: „Gelb
kleidet immer gut bei dunklem Haar, Sie werden in dieser
Toilette gewiß ebenso hübsch anösehen wie Hermine."
„Ach, Sie stehen natürlich meiner Schwester bei, Fräu-
lein Klara. Eigentlich müßte cs doch mehr nach mir
gehen, da ich die Aeltere bin."
Holzmüller hatte den beiden Mädchen je eine große
blühende Kamelie in schönem Topf geschenkt, für Hermine
eine rote, für Isidore eine weiße. Er schien sich wieder
durchaus heimisch in dem Familienkreise zu fühlen, bewegte
sich ungezwungen, war heiter
und gesprächig: konnte es
aber, ohne auffällig zu wer-
den, geschehen, so blieb er
an Herminens Seite. Diese
bielt mit verstohlenen Win-
ken und Worten Klara bei
sich fest, welche ihre Freude
an den beiden jungen Leuten
hatte, die sie durchaus
passend für einander fand.
Lewin wurde dazu ge-
drängt, sich mit-Isidore zu
beschäftigen, sah aber, wie
er immer gefunden, daß es
eine mühselige Arbeit sei,
dieses fade älteste Fräulein
Ehlermann zu unterhalten.
Bei Tisch wurde der Ver-
kehr des kleinen Kreises un-
ter einander allgemeiner.
Die Hausfrau nötigte eifrig
zu den Karpfen mit polni-
scher Sauce und hätte gern,
wenn ihr Mann sie nicht
immer unterbrochen, die Zu-
bereitung sämtlicher Gerichte
mitgeteilt.
Bevor man auseinander
ging, saßen die Freundinnen
Hand in Hand auf der klei-
nen Nohrbank unter den
Palmen des Grünhauses.
„Er ist doch wirklich so
nett, Herrchen," flüsterte
Klara und legte den Arm
um Herminens Schulter,
„und ich weiß, ich fühle es, Du bist ihm gut, Du hast ihn
lieb, so laß ihn nun doch nicht länger vergebens werben."
„Ja, ja, ich will es gar nicht leugnen, daß ich ihn von
jeher gern hatte, aber ihm mich verloben, nein, das kann
ich unmöglich — wozu auch? Der Ball übermorgen wäre
mir ganz verpfuscht — bitte, quäle mich nicht mit solchen
Einfällen. Ich bin schon vom vorigenmale zu mehreren
Tänzen engagirt, sogar mit Graf Seleki zum Cotillon,
waS sollte daraus werden, wenn ich plötzlich als Braut
aufträte?"
„Nun, eine Braut ist doch kein Unding!" lachte Klara.
„Doch, doch, die Herren fragen alle nichts mehr dar-
nach und ich sehe nicht ein, warum ich so rasch abtakeln soll."
Holzmüller trat zu den Mädchen heran und fragte,
welchen Tanz sie ihni zu übermorgen geben wollten. Er
bat Hermine, ob er sie zu Tisch führen dürfe, und diese
willigte zögeryd ein.
„Damit sind Sie nun aber abgefunden," sagte sie sehr
bestimmt: „es ist gar zu langweilig, wenn man mehr als
einmal an denselben Herrn gebunden ist."
Verletzt fuhr er auf: „Wenn es Ihnen wieder einmal
nicht paßt?"—
„Ich will'S ja thun und mit Ihnen zu Tische gehen,
sonst will ich aber meine Freiheit haben!"
„Wer sicht die an?"
„Ach, ich weiß ja —"
Unmutig wandte er sich ab und ging zu Fran Ehler-
mann.
„Du warst recht unfreundlich, Hermine," sagte Klara
vorwurfsvoll. „Ich bitte Dich, besinne Dich auf Dein
eigentliches Empfinden!"
„Ich mag nicht immer denselben, und einige Zeit wird
das wohl noch dauern: ich kann nichts dafür, es ist
einmal so!" (Fortsetzung folgt.)

Nördlingen und das Ries.
Von
Christian Weyer.
«Bild S. wl.)
Eine der merkwürdigsten Gegenden des schönen Schwaben-
landes ist das sogenannte Ries. Dasselbe umfaßt die große
kesselsörmige Ebene zwischen Oettingcn und Harburg einer-, Markt
Offingen und Wemding andererseits. Bei weitem der größte
Teil gehört zum Königreich Bayern: nur au der West- und
Nordgrenze ragt das Königreich Württemberg ein wenig in das-
selbe herein. Dm Charakter der Bewohner, ihre Denk- und !

' Lebensweise hat niemand tiefer gefaßt und anmutiger geschildert
als der so früh Heimgegangene sinnige Melchior Mehr. In einer
seiner reizenden Ripser Dorfgeschichten findet sich folgende tref-
fende Bemerkung: „Das Ries ist eine kleine Welt für sich und
birgt eine bedeutende Mannigfaltigkeit von Lebenserscheinungen.
Alle Farben der Konfessionen, Christen und Juden, Protestanten
und Katholiken, findet man dort. Schwäbisches und fränkisches
Element reiht sich aneinander." DaS Ries zeichnet sich durch
Fruchtbarkeit, sorgsamen Anbau des Landes und zahlreiche schöne
Ortschaften, aber auch landschaftlich vor vielen Gegenden aus.
Tie weite, wassergleiche Fläche, rings von schönen Anhöhen um-
schlossen, überrascht aufs angenehmste. Den schönsten Ueberblick
auf Len gesegneten Gau genießt man vom Harburger Schlosse

aus und namentlich von dem nahe gelegenen sogenannten Bock.
Nördlich überschaut man da das Wörnitzthal beim Katzenstcin
und Happingen und weiterhin Las Ries bis Oettingen, den
Hesselberg, Spielberg und so weiter. Gegen Westen Schloß
Baldern, dem Nipf, den Breitwang (einen Teil des Schlachtfelds
von 1634) und das Härdtfeld. Gegen Osten den Hahnenkamm
bis zu den hochliegendcn Dörfern Mindlingen und Buchdorf.
Gegen Südostcn aber über Wörnitzstcin und Donauwörth hin
die Hochebene zwischen Lech und Isar, Augsburg und dahinter
die Zugspitze, von der weg sich zur Rechten und Linken die All-
gäuer und bayrischen Alpen in vollständiger Kette aneiüander-
reihen. Groß ist die Zahl der schönen, oft uralten und geschicht-
lich denkwürdigen, zuni Teil an die Römerherrschaft anknüpfenden
Punkte im Ries; Klöster und Schlösser, Städte und Dörfer
übersäen den Plan, und da, wo scheinbar die Ränder der Berge
oft in einförmigen Linien den Gesichtskreis abschlicßen, drängen
sich noch die lieblichsten Thäler zwischen den Vorbergen einwärts.
Sa gelangt man von Nördlingen über Herkheim und das Schlacht-
feld von 1634 einwärts in das enge, still friedliche Karthäuser
Thal, wo frisches Grün und das klare Forellenbächlcin zwischen
den schattigen Lnubhallen majestätischer Buchen laben, wenn im
Hochsommer draußen im Ries die gelben Saaten schattenlos und
ohne erquickendes Grün das Auge ermüden. Weiter das Thal
entlang fällt unser Blick auf drei Burgruinen, genannt das
„Hohe Hans", Las „Niedere Haus" und das „Rauhe Haus".
Das Hohe Haus, welches sich am längsten als bewohntes Schloß
erhalten hat, steht als gewaltige Ruine rechts auf steiler, bewal-
deter Höhe; ihm gegenüber, durch ein schmales Thal getrennt,
sehen wir auf kahlem Bergvorsprungc die Reste des Niederhauses;
jinks aber zeigt sich eine Bergplatte, welche ehedem das gänzlich
zerstörte Rauhe Haus trug. Anmutig ist auch ein Gang an
der alten Rcichsfcste Flohberg bei Bopfingen, wo noch in unserem
Jahrhundert die sogenannten „Frcilcute", eine Art privilegirter
Bettler, saßen, und dem Dorfe Trochtelfingen auswärts an die
Felsenquellc LcS Egerflüßchcns. Und auch da wieder die malerische
Ruine des Schcnkcnsteins, der kegelförmige Nipf, der sich 800 Fuß
steil über den Spiegel des Egerflüßchcns erhebt, mit entzückendem
Anblick des Rieses und feiner hundert Ortschaften.
Seit der frühesten Zeit war das Ries der Schauplatz der
wichtigsten Ereignisse. Hier war einst die Grenze des römischen
Weltreichs, Harburg, der Schlüssel zur Donau, eine Grenzsestc.
Durch das Ries wollte Karl der Große mit Benützung der
Wörnitz Rhein und Donau verbinden. Ein großer Teil des
Landes gehörte zum Domanium der königlichen Kammer; außer-
dem war der Bezirk von den Burgen des Adels übersät. Da-
gegen faßte das Stüdtcwescn weniger Fuß; nur das einzige, bis
in unser Jahrhundert reichsfrei gebliebene Nördlingen macht eine
Ausnahme. Obgleich das heutige Ries mehrere Städte zählt,
so ist doch für den Rieser Nördlingen die Stadt par sxeellsnes.
Der Turm der Stadtkirche, welcher sich zu der gewaltigen Höhe
von 283 Werkfchuhen erhebt, ist Richtpunkt und Merkmal des
ganzen Gaues. Nahezu hundert Jahre (1427—1505) brauchte
man Mr Fertigstellung des gewaltigen Kirchenbaues. Das
Innere der Kirche birgt wertvolle Altarbilder der beiden in der
Kunstgeschichte rühmlichst bekannten Nördlinger Maler Friedrich

Helbcn und Hans Scheuffelin. Andere Werke dieser Meister
befinden sich in dem neuerdings auf dem Rathaus eingerichteten
städtischen Museum. Das Rathaus gehört noch der gotischen
Periode an, während die beiden Thortürme, von denen hier Ab-
bildungen beigegeben sind, das Reimlinger und das Deininger
Thor, ihrer Bauzeit nach in das Ende des 16. Jahrhunderts
fallen. Die beiden sind es namentlich, die neben der Georgskirchc
der Stadt ihr charakteristisches äußeres Gepräge geben. Das
Deininger Thor spielt zudem in der Geschichte der der furcht-
baren Schlacht bei Nördlingen vom 6. September 1634 voraus-
gehenden Belagerung dieser Stadt eine denkwürdige Rolle. Ei»
Teil der Bclagerungsarmee hatte sich nämlich bereits des Thor-
turms bemächtigt und die Einnahme der Stadt schien unabwend-
bar, als es der mutigen Ent-
schlossenheit eines Bürgers, des
Gerbers Hans Eiferlin, ge-
lang, noch rechtzeitig Feuer, in
den Turm zu werfen und die
dort postirten feindlichen Sol-
daten durch den qualmenden
Rauch zu ersticken. Freilich
konnte dadurch das endliche
Schicksal der Stadt nicht län-
ger als einige Tage aufgehal-
ten werden. Am 6. Septem-
ber fand unter den Thoren
Nördlingens jene Schlacht zwi-
schen der kaiserlichen und der
schwedischen Armee statt, die
die blutigste und folgenschwerste
des ganzen dreißigjährigen
Krieges gewesen ist. Die Lage
der zwischen den beiden Heeren
eingekeilten Stadt war die be-
drängteste. Zweimal gelang es
den Schweden, durch einen
kühnen Handstreich Verstärkun-
gen in die Stadt zu werfen.
Mit Heldenmut warfen die
Bürger die Tag für Tag an-
stürmenden Kaiserlichen zurück,
doch erlahmte allgemach die
Kraft des Widerstandes. Der
hartbedrängten Stadt zu Hilfe
zu kommen, wagten Bernhard
von Weimar und der schwedische
Oberbefehlshaber Horn den
verhängnisvollen Angriff auf
die feste Stellung der Kaiser-
lichen auf dem sogenannten
Albuch. Nach fünfzehnmaligem
vergeblichem Ansturm sah sich
Horn zum Rückzug genötigt,
der durch einen furchtbaren
Angriff der Kaiserlichen auf den
linken Flügel Bernhards, infolge dessen dieser sich in wilder Eile
auf Horns Scharen stürzte, bald in unaufhaltsame Flucht aus-
artete. Die Niederlage des schwedischen Heeres war vollständig:
nach müßigen Angaben verlor dasselbe 12,000 Tote und 600) Ge-
fangene. „Die guten Wirtemberger Bauern fein in großer Menge
und ganz gliederweis dagclegen in ihren weißen Zwilchkitteln
und Ränzlein auf dem Rucken," berichtet ein Zeitgenosse. Horn
fiel als Gefangener in die Hände bayrischer Reiter, Bernhard
von Weimar rettete sich, -am Halse verwundet, mit genauer Mühe
in eiliger Flucht durch das Remsthal nach Schorndorf. Die
Trümmer des Heeres warfen sich in voller Auflösung nach
! Neresheim und Aalen zu. So endete der Tag von Nördlingen.
Er hat den Gedanken Gustav Adolfs und Oxenstjernas, eine
Union aller protestantischen Stände Deutschlands unter dem
Direktorium der Krone Schweden herzustellen, vereitelt und Lein
Hause Habsburg seine Stellung im Reiche gerettet. Am 7. Sep-
tember erschlossen sich dem König von Ungarn die Thore Nörd-
lingens, am 9. zog er in Siegesglanz in die Stadt, und Bürger-
meister und Rat lagen vor ihm auf den Knieen, als er die
Stadtkirche betrat, um mit Hochamt und Tedeum den Dank für
folchen Sieg zu feiern.

Der zwölfjährige Jesus im Tempel.
«Bild S. 105.)
Als Jesus zwölf Jähr alt geworden und voller Weisheit
und stark im Geist war, denn Gottes Gnade waltete über
ihm, da zogen seine Eltern, wie sie jedes Jahr zu thun Pfleg-
ten, hinauf gen Jerusalem. Und als die Tage vollendet waren
und sie sich wieder auf den Heimweg machten, da blieb
das Kind Jesus zurück in der Stadt, ohne daß die Eltern
es wußten, da sie meinten, er wäre unter seinen Geführten.
Als sie nun eine Tagereise weit gekommen waren, suchten
sie ihn unter den Bekannten. Und da sie ihn nicht fanden,
gingen sie wieder zurück nach Jerusalem. Aber erst nach drei
Tagen erblickten sie den so schmerzlich Vermißten im Tempel
sitzend mitten unter den Lehrern, daß er ihnen zuhörte und sic
fragte. Und alle verwunderten sich ob seines Verstandes und
seiner Antworten. Da seine Eltern ihn sahen, entsetzten sie sich,
und seine Mutter sprach zu ihm: „Mein Sohn, warum hast
Du uns das gethan? Siehe, Dein Vater und ich haben Dich
mit Schmerzen gesucht." Und er sprach zu ihnen: „Was ist es,
daß ihr mich gesucht habt? Wisset ihr nicht, daß ich sein muß
in dem, was meines Vaters ist?" Sie verstanden das Wort
aber nicht, wäs er zu ihnen redete. Gehorsam folgte er den
Eltern nach Nazareth zurück und war ihnen ein unterthäniger
Sohn und nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott
und den Menschen. Seine Mutter aber behielt alle diese Worte
in ihrem Herzen.

Nördlingen. — Harburg. Nach einer Photographie im Verlag von Theodor Rcischle in Nördlingen.
 
Annotationen