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135

Illustrirte D e l t.

Aus den österreichischen Kaisermanövern.
«Bild S. ISS.)
Für die diesjährigen Manöver in Oesterreich, welche mit
ganz außergewöhnlich großen Truppemnassen (zusammen etwa
70,000 Mann) ausgeführt wurden, wurde das Terrain lwn
Gniünd Lis Horn (Nicderösterrcich-Mührcn) gewühlt. Die Ur-
sache zu dieser Wahl ist leicht erklärlich, es galt einer Prüfung
des neuen rauchlosen und mit verhältnismäßig schwachem Ge-
räusch explodirenden Pulvers in einem für dasselbe möglichst
günstigen Terrain. Nur schwer vermag bei diesen Bodenverhält-
nissen die Kavallerie selbst flüchtigen Fußtruppcn zu schaden, da
diese sich jeden Augenblick wieder gedeckt fcstzuiehcu und dem
siegreichen Gegner noch immer bedeutende Verluste Leizubringcn
vermögen, und die Artillerie findet nur selten Gelegenheit, ihre
Geschosse in geschlossene Infanteriekolonnen zu senden, da die
ganze Schlacht sich in zahlreiche Einzclgcfcchte von Gehölz zu
Gehölz aufgelöst hat. Hier ist die Infanterie in ihrem Element
und hier bot sich also eine ausgezeichnete Gelegenheit, um die
durch die neuen Waffen gebotene neue Gcfechtstaktik in ein-
gehendster Weise zu studircn und zu prüfen. Die diesjährigen
Manöver im Waldviertel hatten somit eine ganz außerordent-
liche Bedeutung und erschien demzufolge nicht nur der oberste
Kriegsherr der österreichisch-ungarischen Armee mit der Mehrzahl
der Mitglieder seines Kaiserhauses bei diesem großen Kriegsspicl,
sondern auch seine getreuen Waffengefährtcn Kaiser Wilhelm
und König Albert von Sachsen mit seinem Bruder, dem Prinzen
Georg, folgten der Einladung.
Unmittelbar nach der überaus herzlichen Begrüßung der
Monarchen begaben sich dieselben direkt zu den Truppen (Ost-
partei), welche bereits über Horn hinaus auf Göpfritz zu im
Anmarsch begriffen war. Dieser erste große Manövertag bot
gleich noch Anlaß zu einer großen „Reitcrschlacht", bei der auch
die Artillerie ein sehr ernstes Wort mitsprach. Etwa 6000 Reiter,
je 22 Eskadrons, standen sich bei Tagesanbruch gegenüber, auf
der einen Seite von Fcldmarschalllieutenant Baron Gemmingen,
auf der andern von Feldmarschalllicutenant Gradl befehligt.
Nach längerem Ritt in teilweise sehr schwierigem Terrain kam
cs mittags zu einem allgemeinen Zusammenstoß, der schließlich
zu Gunsten der Weftpartei aussiel. Das Hauptinteresse aber
nahmen an den nächsten Tagen die Jnfantcriegefechte in Anspruch.
Am Allentsteig, zwischen Göpfritz und Schwarzenau, gab es einen
heißen Kampf, zu dem die feindlichen Corpskommandcure ihre
gesamten Streitkräfte auf einer etwa sieben Kilometer langen
Linie zusammengezogen hatten. Hier ließ sich das rauchlose
Pulver und das Magazingewehr gar trefflich beobachten. Es
ist ein eigenes 'Ding um diese neue Waffe, die alten Kriegern
förmlich gespenstisch erscheint. Und zwar gilt dies für die großen
Geschütze noch mehr als für die Gewehre, denn nicht nur die
Rauchentwicklung ist eine förmlich unscheinbare, auch der Knall
ist nicht annähernd nut früher zu vergleichen. Da sicht man
aus grünem Tannendickicht in langgezogencr Schlachtlinie die
Jnfanterietruppen auftauchcn, und man muß darauf schließen,
daß sie Salve auf Salve abgeben, aber hören und sehen kann
man von dieser Thatsache sehr, sehr wenig. Jeder einzelne Mann
bleibt im heißesten Feuergefccht dem Gegner sichtbar, so daß von
jener Nebelwand, hinter der sich früher ganze Divisionen zu ver-
bergen vermochten, auch nicht die leiseste Spur zu entdecken ist.
Ein leichter Hauch steigt nach dem Schüsse empor, doch bevor
man denselben noch deutlich mit dem Feldstecher wahrgenommcu,
ist er auch schon wieder verflüchtigt. Früher konnte man auf
recht bedeutende Entfernungen die Geschütze zählen, welche der
Feind ins Treffen führte, denn ein Nauchball nach den: andern
stieg Uber denselben empor, der auch zugleich als guter Distanz-
schätzer benützt werden konnte. Jetzt ist dieses alles bedeutend
erschwert und nur — an Regentagen ist die Rauchentwicklung
eine ziemlich bedeutende. Diese Entdeckung hat man am letzten
Manövertage gemacht, an dem ein ausgiebiger Regen nach der
langen drückenden Hitze folgte, welche übrigens von den Truppen
vorzüglich überstanden wurde.

Verurteilt.
«Bild S. IS2 u. ISS.)
ES war alles umsonst — die Beteurungen der Unschuld,
die Bitten der Mutter, die eindringliche Rede des Verteidigers,
selbst die mitleidsvolle Art und Weise, wie der Staatsanwalt
den Fall behandelte, alles war vergeblich gewesen; die Anklage
auf Diebstahl war aufrecht erhalten worden, hin und her waren
Rede und Gegenrede gegangen, als nach langer und banger
Pause das Urteil verkündigt wurde, das auf vierzehn Tage Ge-
fänonis lautete, da gellte durch den Saal ein Schrei Les Schmerzes,
der'auch das härteste Herz erschüttern mußte. Und unwillkürlich
lenkten sich die Blicke von Richter und Publikum nach der Anklage-
bank zu dem Mädchen hin, das dort zufammengebrochen fein
Gesicht in den Händen verbarg. Was sie gcthan, es war eines
ien r Vergehen, Las tausendmal begangen wird, ohne entdeckt zu
werden Man hatte ihr unbedingtes Vertrauen entgegeng-bracht
in dem Geschäfte, in welchem sie seit Jahren angestel t war, man
gab ihr Geld und Geldeswert in die Hände in bedeutender Hohe,
und treu und gewissenhaft hatte sic bis jetzt darüber gewacht und
gewaltet. So groß auch manchmal die Verfuchung gewefen war
denn der Gehalt war ein kleiner, und die gute alte Mutter, die
sie zu sich genommen, brauchte manche Stärkung, die eben „nm
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sann sie auf einen Ausweg, sie wußte keinen ; pachte daran
iick> ibrem Nrinzipale anzuvertrauen, und schämte sich doch, ihn
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ihm helfen könne, sic könne die Summe, die sic entnehme, ja
nach und nach wieder decken, sie könne cs gewisjcrmaßcn als ein
Itiltcs Aulchen betrachten, das sic bei ihrer Firma mache, lind
am Ende gab sic nach, zuletzt schien ihr das, was. er ihr vor-
schlug, selbst nicht mehr so ungeheuerlich, und als cs einmal
geschehen war, als sie die verhältnismäßig kleine Summe ihm
überbracht hatte, da wußte sic mit cincmmal selbst alle mög-
lichen Gbiindc, welche ihr Thun als ein durchaus begreifliches
hinstcllten. Daß sie, die sonst so ruhig und eifrig all ihrer
Arbeit nachgcgnugcn, nun mit cincmmal Lästig und unruhig
wurde, davon wußte sic selbst nm wenigsten; aber denen, die
mit ihr verkehrten, mußte allmälich ihr verstörtes Wesen aus-
fallen — leise erst und daun immer lauter ging unter dem
zahlreichen Personal eine böse Kunde von Mund zu Mund; sie
hatte Neider und Feinde, die schon lange auf die Gelegenheit
warteten, ihr eins „auzuhängcu", jedes wußte wieder etwas
Neues, und eines TagcS — wer ihn gesandt, wußte man nicht
. cm anonymer Brief bei dem Prinzipal eiugelauscn,
gleichzeitig hatte inan, um ja jeder nachsichtigen Regung vorzu-
beugen, die Staatsanwaltschaft von bedeutenden Unterschlagungen
in Kenntnis gesetzt. Das Verhängnis brach herein; das offene
Geständnis, das Helene sofort ablcgtc, die Gründe, die sie an-
führte, sprachen bei Prinzipal und Gericht sehr zu ihren Gunsten,
aber eine Strafe mußte sie dulden, lind so kam der Tag der
Verhandlung. Als Helene ihre arme alte Mutter erblickte, meinte
sic umsinkcn zu müssen, sic wagte nicht, auszusehen, ihre Ehre
war verloren, verloren, weil sie zu gut gewesen. Wer wird sich
nun ihrer, wenn sie wieder srei ist, erbarmen; wer wird ver-
gessen, was sic gcthan? Sic ist ciuc Geächtete, und ihr wäre besser,
sic wäre tot. „Schuldig!" lautete der Ausspruch des Gerichts,
schuldig des Diebstahls. Die Verhandlung ist zu Ende, noch
wenige Minuten, dann wird sic abgcsührt werden iuS Gefängnis.
Einen Augenblick noch sicht sie unter Thränen aus, sie sieht, wie
ihr wackerer Verteidiger tröstend zu ihrer Mutter spricht, sieht
den mitleidsvollen Blick, mit dein der Staatsanwalt sic betrachtet,
und sic schöpft neue Hoffnung. Sic hat gefehlt, und nun will
sic büßen, und wenn sie wiedcr frei ist, dann wird Gott ihr
helfen, zu sühnen, was sie gcthan. Th. S.

Auch so.
Vou
Ili . Jiranz Aerold.

I.
Die Sommerlllfte wehn
Mit ihrem schwülen Flügel,
> Die roten Rosen stehn
Auf einer Mutter Hügel.
Ein siebzehnjährig Kind
Ist drüber hingejunkcn,
Von ihren Thränen sind
Die Kelche voll getrunken.

II.
Anhcbt der Mond im Blau,
Ein Silberkahn, die Reise,
Mit ihrem Krug voll Tau
Entsteigt die Nacht ihm leise.
Und tränkt am Fenster still
Die Roscn und die Nelken,
lind was im Herzen will
Verblühen und verwelken.

„O Mütterlein,-so schwer
! Ist mir das Herz beladen;
! Reich du die Hand mir her
AuS deines Himmels Gnaden.
Mein Leben wirbelt hin,
Ach, wie im Strom getrieben,
Weil ich nur ihn, nur ihn
Kann glauben, hoffen, lieben.
Und keine Seele mag
Des JammcrS Tief' ermessen:
Nun war dein Sterbetag,
Und ich, — ich hatt'L vergessen!"
AuS „Vöymeilö deutsche Poesie

Da? tote Mütterlein
Zur Tochter kommt gegangen,
Zur Kammer tritt cs ein
Und streichelt ihr die Wangen.
Und schaut und lächelt so
Und lächelt gar so eigen:
„Mein Kind, sei wieder froh, —
Nun darf ich's nicht verschweigen.
Sieh, was du heute weinst.
Ich hab' eS auch besessen,
Hab' auch geliebt so einst
Und habe auch — vergessen."
guust". Tevlltl. Alexander Schuch.

U r ez n c - A ft.
Kriminal-Noman
von

Ans siiilftindsiehkilMjiihllgk Stiftungsfest der
Himlmrger Turnerschnft von 18lt>.
«Bild 8. IS0)
Am 2. September feierte der älteste Turnverein Deutschlands,
die Hamburger Turucrschaft von 1816, ihr fünsundsicbenzigjährigeS
Stiftungsfest, aus welchem Anlässe im Auftrage des Tururatcs
eine von Karl Schneider verfaßte ausführliche Geschichte der
Gesellschaft von ihrer Begründung bis zur Gegenwart im
Kommijsionsvcrlage von Otto Meißner in Hamburg hcrauS-
gcgeben wurde. Von Wilhelm Bcucckc, einem Schüler JahnS,
zunächst nicht als Verein, sondern nur als ein loser Kreis von
Freunden, welche sich zur Ucbung ihrer Körpcrlrästc zusammen-
sanden, inS Leben gerufen, war die Hamburger Turncrschast
anfänglich vielfachen Angriffen von feiten der Bürger ausgesetzt,
welche zum Teil von der Neuerung nichts GntcS erwarteten.
Aber trotz aller Widerwärtigkeiten und harten Kämpfe, von denen
auch die Folgezeit nicht frei war, ist der Verband doch, das schöne
Ziel stets im Auge behaltend, von der beschrittenen Bahn nicht
abgcwichcn. Und sein Mut und Vertrauen ist belohnt worden:
die Zahl der Mitglieder und Teilnehmer beläuft sich fast ans
3000, und alle Kreise der Bevölkerung wünschen der „Hamburger
Turncrschast von 18l6" zu ihrem Jubeltagc sür die Zukunft
eine weitere gedeihliche Entwicklung. Die Feier nahm ihren
Beginn schon am 30. August mit der Enthüllung des von
Engelbert Pfeiffer modcllirtcn JahndcnkmalS. Den Glanzpunkt
der vielen festlichen Veranstaltungen, die sich während der solgen-
den Tage fast ununterbrochen ancinandcrreihtcn, bildete da?
Hauptturnen auf der Kaiserwicsc neben der Turnhalle am
2. September. An demselben nahmen 1134 Turner und Turne-
rinnen, etwa 770 Männer und Knaben und 360 Frauen und
Mädchen, teil. Der Festplatz bot einen schönen, farbenprächtigen
Anblick bei dem freundlich lachenden Sonnenschein und dem er-
frischend wehenden Windhauch. Ringsum flatterten an hohen
Masten bunte Flaggen, und die Wappen der deutschen Staaten
und freien Städte winkten freundlich aus dem dunklen Grün der
Guirlanden und Kränze heraus. Den Hnuptrciz aber erhielt das
schöne Bild, als Schlag zwölf Uhr aus eine schmetternde Trompeten-
fanfare unter den Klängen eines frischen Marsches ein Zug kräftiger
Gestalten in weißem Turncrgewandc aus der weit geöffneten Thür
der Turnhalle hervorschritt. Während sic auf der linken Seite
des Platzes Ausstellung nahmen, folgte unmittelbar der zweite
Zug, Knaben in roter Bluse und weißen Beinkleidern, je vier
und vier straff in der Reihe marschircnd, und dann die Damen
in ihrer kleidsamen, praktischen Tracht, rot und blau gestreifter
Bluse, blauem fußsrcieni Flanellrock und blauen Turnschuhen,
die Mädchen ganz in Blau mit drei roten Streifen um das
halblangc Röckchen, dann noch ein Zug Knaben und zum Schluß
wiedcr ein Zug Männer. Dem Auge bot es einen hübschen
Anblick, die symmetrisch abwechselnden Farben der Kostüme und
alle die freudig-ernsten Gesichter zu sehen. Nach einer kurzen,
kernigen Ansprache begannen die verschiedenen Einzel- und Gc-
famtiibungen und nahmen unter Musik- und Gesangbegleitung
einen glänzenden, von reichem Beifall begleiteten Verlauf. Am
Abend desselben Tages fand eine theatralische, durch die meister-
haft zu Gehör' gebrachte Jubclouverturc von Weber eingelcitctc
Festvorsiellung statt, deren Mittelpunkt das Fcstspiel: „Jahn und
die Hamburger Turnerschaft von 1816", in drei Handlungen von
W. Sicgelka, bildete. Die außerordentlich wirkungsvolle Dichtung
erntete enthusiastischen Beifall. Daran schloß sich noch ein glän-
zendes, mit vielen Toasten gewürztes Festmahl. Erst spät
trennten sich die Festtcilnchmcr, und alle nahmen das Bewußt-
sein mit nach Hanfe, einem Feste beigewohnt zu haben, das in
allen seinen Teilen glänzend verlaufen ist und in dcr Geschichte
der deutschen Turncrei eines dcr schönsten Blätter cinnchmcn wird.

A. Wer-thoLd.
(Fortsetzung.)
Sonne, die FcmiaS blcichcö Gesicht bc-
leuchtete, sandte ihre Strahlen auch nach dein
' Zimmer Marthas, wo das junge Mädchen
soeben mit seiner Morgentoilette beschäftigt war.
Die fürchterlichen Aufregungen der letzten Tage hatten
Martha auch körperlich erschöpft, und völlig apathisch, bis
zum Umsinkcn ermüdet, hatte sie sich abends gegen elf Uhr
von dcr alten Wirtschafterin am Krankenbette dcS BatcrS
ablösen lassen, um dann ihr Zimmer auszusuchcn und sich
zur Ruhe zu begeben. Trotz dcr fürchterlichen Müdigkeit,
die sic fast im Gehen schlafen liest, vergast sic nicht, die
Thür von innen zu vcrschlicstcn und die Fensterladen noch
einmal uachzusehcu.
Sic fühlte sich sogar unangenehm berührt, alö sic Ulka
nicht fand, die sic heute bestimmt erwartet hatte, hatte sie
doch fast vicrundzwauzig Stunde» daS Kind nicht gesehen.
Kaum hatte aber Martha ihr Licht verlöscht, als sic auch
ciuschlicf und erst erwachte, als die Sonne schon durch die
Ritzen der Fensterladen fiel.
Sic kleidete sich rasch an und gleichzeitig suchte sie
einige Ordnung in ihre Gedanken und Empfindungen zu
bringen, die jetzt, nach dem Erwachen aus einem laugen
und traumlosen Schlaf, mit aller Gewalt auf sic ein-
stürmten.
Die Nachtruhe und die Erquickung durch den langen
Schlaf machten Martha, wie jeden andern Menschen,
sicherer und mutiger, und Martha legte sich in Gedanken
den Plan zurecht, ihrer Stiefmutter einmal iuS Gewissen
zu reden, um sic von dem fürchterlichen Geheimnis und
den Thatcn, die zu seiner Verbergung notwendig waren,
loszulösen. Es that ihr leid, daß die Aufregung, in der
sic sich befunden, ihr daS Geheimnis, wer Pique-Ast sei,
entrissen habe. Sie sagte sich, dast ihre Stiefmutter ans
das schwerste verletzt und bedroht sein müsse, dast sie ihre
natürliche Feindin sei von dem Augenblicke an, in dem sic
erfahren, dast Martha um daS furchtbare Geheimnis wisse.
Und doch kam eS Martha vor, als würde cs nicht allzu
schwer sein, mit der Stiefmutter über die ganze Angelegen-
heit zu reden und so Klarheit in die Situation zu bringen.
Martha fühlte, wie ihr Mut wuchs. Sie nahm sich
vor, ihrer Stiefmutter eventuell damit zu drohen, daß sic
Kontala alles verraten wolle. Ja, sic fühlte eine Art
übermenschlichen Mutes in sich, wenn sic an den Geliebten
dachte, und nichts schien ihr in der Welt zu schwer, das sie
im Gedanken au ihn sich nicht auf sich zu nehmen getraute.
Die schwersten Entschlüsse schienen Martha leicht realisir-
bar. Aber gewiß waren die Gedanken, die sie da hegte,
höchst thöricht und unlogisch. War sie ja trotz dcS Ernstes
ihrer Lage nicht im stände, ihre Gedanken auf diese ernste
Lage allein zu richten. Unausgesetzt kamen ihr dazwischen
Gedanken von Wonne und Glück, Gedanken an den Ge-
liebten und daran, dast er sie wieder liebe. Bald arbeiteten
die Hände Marthas eifrig in ihrem Haar, während sie
dasselbe zurcchtsteckte; dann lagen ihre Hände wieder-
müßig im Schoß, und nur die Röte in dem zarten Ge-
sicht bewies, zusammen mit der wogenden Brust, dast eifrig
Gedanke auf Gedanke das Herz des jungen Mädchens
bewegte, gewiß nicht Gedanken schrecklicher Art, Gedanken
! voll unschuldiger Liebe, voll unschuldigen Glücks, Gedanken,
 
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