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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 16.1905

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Vetterlein, Ernst Friedrich: Entwurf zu einem Herrschaftlichen Wohnhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.7502#0200
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INNENDEKORATION

XVI. SflHRGHIlG. Dcirmlfcidf 1005. AUGUST-HEFT.

ENTWURF ZU EINEM HERRSCHAFTLICHEN WOHNHAUSE.

Es war für die Entwickelung unsrer Wohn-
kultur ein verhängnisvoller Irrtum, dass man
gar zu lange Kunst mit Schmuck oder
Ornament verwechselte. Ich will hier gar nicht
reden von Bauten, die sich durch aufgeklebte
Ornamente im Stile der jeweiligen Mode ein stolzes
Aussehen zu geben bemühen. Nein, auch bei ganz
ernsthaften und gediegenen Schöpfungen bildet bis
in die jüngste Zeit hinein das Ornament eine con-
ditio, sine qua non. Hierin hat die moderne Kunst,
oder um mich vorsichtiger auszudrücken: die neuere
Bautätigkeit eine sehr gesunde Reaktion gebracht.
Wenn ich hier den Ausdruck »moderne Kunst«
vermeide, geschieht es, weil gar viele mit diesem
Namen nur die Anwendung neuartiger, merk-
würdiger, symbolistischer Ornamente verstehen.
Nein, die moderne Kunst will und kann mehr sein!
Sie bedeutet ein neues Schaffensprinzip, was den-
noch ein uraltes ist: — nämlich das Schaffen und
Gestalten aus dem Herzen des Künstlers heraus,
nur im Hinblick auf die gestellte Aufgabe! Also
nicht mehr ein Seitwärtsschielen auf Vorlagen,
welche unseren Werken ein glänzendes Mäntelchen
liefern wollen, sondern ein frisches Gestalten im
Geiste unsrer Zeit soll zum Kunstwerke führen!

Wer diese Freiheit mit Willkür verwechselt,
verkennt das Wesen der Kunst. Nicht jede Bau-

tätigkeit ist Baukunst. Solche setzt voraus, dass
ihre Werke ihre Bestimmung fühlen oder empfin-
den lassen, dass wir den Zweck eines Gebäudes
schon wissen, noch ehe wir die Aufschriften gelesen
haben. Erst die »Stimmung« macht das Bauwerk
zum Kunstwerk. Sich diese einmal angeschlagene
Stimmung nicht durch eigne Schuld, gewisser-
maßen durch falsche Töne selbst zu verpfuschen,
ist eine schwere Aufgabe, die nur durch strenge
Selbstkritik vom Künstler zu lösen ist. Diese
Selbstkritik setzt aber eine umfassende Kenntnis,
zum mindesten ein tieferes Gefühl für ästhetische
Grundfragen voraus. Darum muss der Baukünstler
mehr vielleicht als jeder andere lernen und studieren,
u. zw. an dem reichen Schatze alter Kunst, aber
nicht um äusserliche Formen herauszuziehen, sondern
um sich über jene ästhetische Grundfragen Ant-
worten zu holen. Also Freiheit des Gestaltens, aber
nur für den, der über sich selbst ein Meister ist!

Solche Freiheit in Verbindung mit tüchtiger
Meisterschaft zeigt der vorliegende Entwurf eines
herrschaftlichen Wohnhauses für Honnef a. Rh.
Schon ein Blick auf den Grundriss zeigt, dass wir
es hier mit einer grosszügig aufgefassten Arbeit
zu tun haben. Die Räume haben geschlossene,
rechteckige Formen, und doch entstehen bei dem
geschickten Aneinanderfügen der Räume ganz

)9ü6. VIII. i.
 
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