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Glücklich, Hans-Joachim; Nickel, Rainer; Petersen, Peter
Interpretatio: neue lateinische Textgrammatik (Band (1)): [Schülerhandbuch] — Freiburg, Würzburg: Verlg Ploetz, 1980

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.54656#0136
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Bedeutungslehre (Semantik)

II/3.-3.1

Aufgaben
1. Inwiefern handelt es sich bei dem Wort patere in den Texten 45 und 46 um
Homonyme?
2. Wodurch wird eine Verwechslung zwischen patere (45) und patere (46) ausge-
schlossen?
3. Stellen Sie mit Hilfe eines Lexikons einige Homonyme zusammen!
4. Unterscheiden Sie edere - edere, venire - venire, vöces - vöces, velis - velis!

3. Die Bedeutung von Umschreibungen (rhetorische Tropen)
Die Verschiebung oder Veränderung des üblichen Wortinhalts zur Erzielung einer
bestimmten Wirkung bezeichnet man als Tropus. Man kann auch dann von einem
Tropus sprechen, wenn ein Wort den Gegenstand, den es üblicherweise bezeichnet,
nicht mehr oder nicht mehr vollständig bezeichnet, seine übliche Bedeutung aber
weitgehend behält.
3.1 Übertragene Bedeutung (Metapher)
Die Metapher ist der häufigste Tropus. Sie bezeichnet eine „Wendung“ oder „Über-
tragung“ in ein bildhaftes Sprechen. Denn sie dient der Veranschaulichung einer
Sache mit Hilfe von Wörtern, die aus einem Sachbereich stammen, dem die so
veranschaulichte Sache eigentlich nicht angehört. Wenn man z.B. „Stuhlbein“ sagt,
dann veranschaulicht man die bezeichnete Sache mit Hilfe eines Begriffs, der dem
Sachbereich „Lebewesen, Tier mit Beinen, Mensch“ zugehört. Dabei behält das Wort
”Bein“ durchaus seine eigentliche Bedeutung.
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Comparatio est, cum dico fecisse quid hominem „ut leonem“, translatio, cum
dico „leo est“. (Quintilian, inst. 8,6,9)
Ein Vergleich ist es, wenn ich sage, ein Mann habe etwas getan „wie ein Löwe“, eine Übertragung
(Metapher), wenn ich sage, „er ist ein Löwe“.
Ergo ille tenuis orator ... nec in faciendis verbis erit audax et in transferendis
verecundus ... tralatione fortasse crebrior, qua frequentissime sermo omnis
utitur non modo urbanorum sed etiam rusticorum, si quidem est eorum „gem-
mare vites“, „sitire agros“, „laetas esse segetes“, „luxuriosa frumenta“. Nihil
horum parum audacter, sed aut simile est illi, unde transferas, aut, si res suum
nullum habet nomen, docendi causa sumptum, non ludendi videtur. (Cicero,
orat. 81-82)
Jener Redner des schlichten Stils wird ... beim Formulieren nicht kühn sein und bei der Verwen-
dung von Metaphern zurückhaltend bleiben ... Vielleicht benutzt er häufiger eine Metapher, die
auch in der Umgangssprache nicht nur der Stadtbewohner, sondern auch der Landbewohner sehr
oft vorkommt, wenn man sagt, daß „der Weinstock Augen ansetzt“, „die Äcker Durst haben“, „die
Saaten fröhlich sind“, „das Korn üppig ist“. Jede dieser Wendungen ist recht kühn, aber entweder
besteht eine Ähnlichkeit mit dem Sachverhalt, aus dem man sie überträgt, oder, wenn die Sache
keinen Namen hat, ist die Wendung anscheinend übernommen worden, um zu verdeutlichen, nicht
um (mit Wörtern) zu spielen.
Huius eloquentia est tractare animos, huius omni modo permovere; haec modo
perfringit, modo inrepit in sensus; inserit novas opiniones, evellit insitas.
(Cicero, orat. 97).
Die Redekunst (die sich des hohen Stiles bedient) hat das Ziel, die Hörer zu beeinflussen und auf
jede Weise zu erregen; bald bricht sie in die Sinne (der Hörer) ein, bald schleicht sie sich ein; sie sät
neue Meinungen, sie reißt eingewachsene heraus.

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