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Glücklich, Hans-Joachim; Nickel, Rainer; Petersen, Peter
Interpretatio: neue lateinische Textgrammatik (Band (1)): [Schülerhandbuch] — Freiburg, Würzburg: Verlg Ploetz, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.54656#0165
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KAPITEL III

Textverwendungslehre (Pragmatik)

1. Die Bedeutung von Sprache und Literatur für den Menschen

Die folgenden Texte lassen einige wichtige Funktionen von Sprache im allgemeinen
und von Literatur im besonderen erkennen. Die Gesichtspunkte, denen die Texte
zugeordnet sind, vermitteln einen ersten Eindruck von der Einschätzung und Wer-
tung der Sprache und der Literatur bei römischen Autoren.

1.1 Sprache als Verständigungsmittel

Hoc enim uno praestamus vel maxime feris, quod conloquimur inter nos et quod
exprimere dicendo sensa possumus. (Cicero, De orat. 1, 32)
Allein dadurch nämlich sind wir den Tieren ganz besonders überlegen, daß wir miteinander
sprechen und unsere Gedanken durch Sprache ausdrücken können.

Für Cicero, der diesen Satz formuliert hat, folgt daraus, daß man sich darum
bemühen müsse, den Umgang mit Sprache möglichst vollkommen zu beherrschen.
Denn Sprache ist nicht nur ein Mittel der Verständigung, sondern auch der Beeinflus-
sung und Lenkung. Die Einsicht römischer Autoren in diese besondere Leistung der
Sprache ist ein wesentlicher Beweggrund für die Entwicklung einer besonderen
Kunstfertigkeit im Umgang mit Sprache.

1.2 Sprache als Mittel der Beeinflussung und Lenkung

„Neque vero mihi quicquam“, inquit, „praestabilius videtur, quam posse
dicendo teuere hominum mentes, adlicere voluntates, impellere quo velit, unde
autem velit deducere ... Quid enim est ... tarn potens tamque magnificum,
quam populi motus, iudicum religiones, senatus gravitatem unius oratione
converti? Quid tarn porro regium, tarn liberale, tarn munificum, quam opem
ferre supplicibus, excitare adflictos, dare salutem, liberare periculis, retinere
homines in civitate ...?“ (Cicero, De orat. 1, 30-32)
„Mir scheint in der Tat nichts vorzüglicher zu sein“, sagte er (Crassus), „als durch Reden die Sinne
der Menschen zu fesseln, ihre Gemüter zu gewinnen, sie dorthin zu treiben, wohin man will, oder
von dort fortzuführen, von wo man will ... Was ist nämlich ... so machtvoll und so herrlich, wie
wenn die Gefühle des Volkes, die Bedenken der Richter, die Würde des Senates durch die Rede
eines einzigen Mannes gelenkt werden? Was ist weiterhin so königlich, so freiheitlich, so mildtätig,
wie den Schwachen Hilfe zu leisten, die Niedergeschlagenen aufzurichten, Rettung zu bieten, von
Gefahren zu befreien, Menschen in der staatlichen Gemeinschaft zu halten ...?“

Aufgaben
1. Stellen Sie die lateinischen Verben des Textes zusammen, die die Vorgänge der
Beeinflussung und Lenkung durch Sprache bezeichnen!
2. Ordnen Sie die Verben zu einzelnen Gruppen, und versuchen Sie, die Übereinstim-
mung der Verben innerhalb der einzelnen Gruppen mit jeweils einem Oberbegriff
zu kennzeichnen!

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