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SELTENE DEUTSCHE FAYENCEN DES 18. JAHRHUNDERTS
A U S S C H LÖSS K L E S S IIEIM
KDMUND WILHELM BRAUN
Das äußerst reichhaltige Kunstinventar der beiden, dicht bei Salzburg gelegenen
Schlösser zu Kleßheim, die sich der vor wenigen Jahren verstorbene Bruder des
Kaisers Franz Joseph I., Erzherzog Ludwig Viktor, eingerichtet hatte, ist nach dem Um-
sturz einem spanischen Konsortium verkauft worden, welches alle diese zahllosen Bilder,
Skulpturen und kunstgeYverblichen Objekte der Kunstabteilung des Wiener staatlichen
Versteigerungsamtes „Dorotheum“ zur Auktionierung übergeben hat. Eine ganze
Leihe von Einzelversteigerungen hat im Frühjahr und Sommer 1921 bereits stattge-
funden, von denen die qualitativ wie der Anzahl nach umfangreichste Anfang Juni1)
durchgeführt wurde.
Eine zweite, kunstivissenschaftlich vielleicht noch wichtigere Auktion wurde Mitte
Oktober abgehalten und der von mir geschriebene reichillustrierte Katalog umfaßte
gegen 600 Fayencen des 16.—18. Jahrhunderts, von denen gegen 45o Werke deutscher
Manufakturen vom Ende des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts sind. Der Erz-
herzog hatte nämlich eine leidenschaftliche Vorliebe für das blau-yveiße „Delft“ und
kaufte in großen Quantitäten ein. Allzu gefestigt scheinen seine Kenntnisse auf diesem
keramischen Gebiete nicht gewesen zu sein, die Nachfrage war in diesem Falle wohl
auch viel größer als das vorhandene Material, und so lieferten die Händler ihrem
hohen Auftraggeber in der Hauptsache süddeutsche Fayencen mit Blaumalerei, und
zwar in erster Linie solche, die unter starkem Delfter Einfluß standen, wie die
Arbeiten aus den Fabriken Frankfurt a. M. und Hanau, die sich damals weit geringerer
Wertschätzung erfreuten als der allgemein beliebte „Delft“. Heute ist das Verhältnis
beinahe umgekehrt, jedenfalls waren seit der Versteigerung der Fayencensammlung
Georg Kitzinger-München (bei Hugo Helbing 1912) nicht mehr solche Mengen an
deutschen Fayencen von Qualität auf dem Kunstmarkt, als dies im Oktober 1921 zu
Wien der Fall war.
:1) Der umfangreiche Katalog (316. Auktion) mit !\ 1 8 Lichtdrucktafeln ist von Dr. Paul Buberl (Bilder und
Skulpturen) und Dr. E. W. Braun (Kunstgewerbe) verfaßt.
SELTENE DEUTSCHE FAYENCEN DES 18. JAHRHUNDERTS
A U S S C H LÖSS K L E S S IIEIM
KDMUND WILHELM BRAUN
Das äußerst reichhaltige Kunstinventar der beiden, dicht bei Salzburg gelegenen
Schlösser zu Kleßheim, die sich der vor wenigen Jahren verstorbene Bruder des
Kaisers Franz Joseph I., Erzherzog Ludwig Viktor, eingerichtet hatte, ist nach dem Um-
sturz einem spanischen Konsortium verkauft worden, welches alle diese zahllosen Bilder,
Skulpturen und kunstgeYverblichen Objekte der Kunstabteilung des Wiener staatlichen
Versteigerungsamtes „Dorotheum“ zur Auktionierung übergeben hat. Eine ganze
Leihe von Einzelversteigerungen hat im Frühjahr und Sommer 1921 bereits stattge-
funden, von denen die qualitativ wie der Anzahl nach umfangreichste Anfang Juni1)
durchgeführt wurde.
Eine zweite, kunstivissenschaftlich vielleicht noch wichtigere Auktion wurde Mitte
Oktober abgehalten und der von mir geschriebene reichillustrierte Katalog umfaßte
gegen 600 Fayencen des 16.—18. Jahrhunderts, von denen gegen 45o Werke deutscher
Manufakturen vom Ende des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts sind. Der Erz-
herzog hatte nämlich eine leidenschaftliche Vorliebe für das blau-yveiße „Delft“ und
kaufte in großen Quantitäten ein. Allzu gefestigt scheinen seine Kenntnisse auf diesem
keramischen Gebiete nicht gewesen zu sein, die Nachfrage war in diesem Falle wohl
auch viel größer als das vorhandene Material, und so lieferten die Händler ihrem
hohen Auftraggeber in der Hauptsache süddeutsche Fayencen mit Blaumalerei, und
zwar in erster Linie solche, die unter starkem Delfter Einfluß standen, wie die
Arbeiten aus den Fabriken Frankfurt a. M. und Hanau, die sich damals weit geringerer
Wertschätzung erfreuten als der allgemein beliebte „Delft“. Heute ist das Verhältnis
beinahe umgekehrt, jedenfalls waren seit der Versteigerung der Fayencensammlung
Georg Kitzinger-München (bei Hugo Helbing 1912) nicht mehr solche Mengen an
deutschen Fayencen von Qualität auf dem Kunstmarkt, als dies im Oktober 1921 zu
Wien der Fall war.
:1) Der umfangreiche Katalog (316. Auktion) mit !\ 1 8 Lichtdrucktafeln ist von Dr. Paul Buberl (Bilder und
Skulpturen) und Dr. E. W. Braun (Kunstgewerbe) verfaßt.