Braunschweigische Maler der Biedermeierzeit
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übertraf auch bei weitem ein zwei¬
tes Bildnis des Künstlers, das einen
im Freien an einem Tische sitzen¬
den Knaben darstellte, der sich mit
Lesen beschäftigt hat und nun,
den Kopf in die Hände gestützt,
sinnend in die Ferne blickte, wäh¬
rend neben ihm auf dem Tisch
ein Teckel schlief. Gerade diesem
Bildnis, das wohl seiner späteren
Zeit angehörte, fehlte das, was
wir besonders an jenem bewun¬
dern durften, nämlich das kind¬
lich Naive in Haltung und Aus¬
druck, an dessen Stelle hier eine
fatale Süßlichkeit getreten war,
die bis zu einem gewissen Grade
Als tüchtiger Bildnismaler zeigte sich ferner auch Karl Schröder (i 802-1867). Schröders
eigentliches Gebiet, das er mit besonderer Vorliebe pflegte, war allerdings das Genrebild
aus dem Bauernleben. In zahlreichen, mehr oder weniger figurenreichen Bildern hat
er die Bauern bei ihren Festlichkeiten, bei Hochzeiten, Taufgängen usw. geschildert,
wobei er gern hier und da gewisse anekdotenhafte Züge und witzige Pointen anzubringen
liebt, die jedoch nur selten über eine ziemlich nüchterne Darstellungsweisc und die man-
cherlei zeichnerischen Mängel hinwegzutäuschen vermögen. Der Wert dieser Bilder und
seiner, dieselben Motive behandelnden Lithographien1), von denen beiden die Ausstellung
verschiedene Proben darbot, beruht daher auch weniger auf eigentlich künstlerischen
Qualitäten, als vielmehr auf dem volkskundlichen Interesse, das sie als wichtige Dokumente
des Lebens und Treibens, der Sitten und Bräuche der ländlichen Bevölkerung in der
ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auch heute noch besitzen. Weit höher stehen
dagegen in rein künstlerischer Hinsicht die Bildnisse Schröders, und die beiden Werke
dieser Art, die die Ausstellung enthielt, gehörten ohne Zweifel zu dem Besten, was
überhaupt in diesem Fache vorhanden war. Das galt nicht nur von dem lebensgroßen
Kniestück des Medizinalrats Franke, das durch die schlichte, ungezwungene Natürlich-
keit in Haltung und Bewegung wie durch den trefflich charakterisierten Kopf und nicht
3) Es sei nebenbei bemerkt, daß mit dieser Biedermeierausstellung noch eine weitere verbunden war, die die
Entwicklung der lithographischen Kunst in Braunschweig während jener Periode vorführen sollte. Siehe hier-
über K. Steinacker, Die künstlerische Lithographie in Braunschweig bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in „Wissen-
schaft!. Beilage z. Braunschweigisch. Landeszeitung No. 45 (7/XI 21).“
Jahrbuch für Kunstsammler II
Abb. 2 t. Harzlandscliaft von H. Brandes Privatbesitz
auch der Malerei als solcher anhaftete.
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übertraf auch bei weitem ein zwei¬
tes Bildnis des Künstlers, das einen
im Freien an einem Tische sitzen¬
den Knaben darstellte, der sich mit
Lesen beschäftigt hat und nun,
den Kopf in die Hände gestützt,
sinnend in die Ferne blickte, wäh¬
rend neben ihm auf dem Tisch
ein Teckel schlief. Gerade diesem
Bildnis, das wohl seiner späteren
Zeit angehörte, fehlte das, was
wir besonders an jenem bewun¬
dern durften, nämlich das kind¬
lich Naive in Haltung und Aus¬
druck, an dessen Stelle hier eine
fatale Süßlichkeit getreten war,
die bis zu einem gewissen Grade
Als tüchtiger Bildnismaler zeigte sich ferner auch Karl Schröder (i 802-1867). Schröders
eigentliches Gebiet, das er mit besonderer Vorliebe pflegte, war allerdings das Genrebild
aus dem Bauernleben. In zahlreichen, mehr oder weniger figurenreichen Bildern hat
er die Bauern bei ihren Festlichkeiten, bei Hochzeiten, Taufgängen usw. geschildert,
wobei er gern hier und da gewisse anekdotenhafte Züge und witzige Pointen anzubringen
liebt, die jedoch nur selten über eine ziemlich nüchterne Darstellungsweisc und die man-
cherlei zeichnerischen Mängel hinwegzutäuschen vermögen. Der Wert dieser Bilder und
seiner, dieselben Motive behandelnden Lithographien1), von denen beiden die Ausstellung
verschiedene Proben darbot, beruht daher auch weniger auf eigentlich künstlerischen
Qualitäten, als vielmehr auf dem volkskundlichen Interesse, das sie als wichtige Dokumente
des Lebens und Treibens, der Sitten und Bräuche der ländlichen Bevölkerung in der
ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auch heute noch besitzen. Weit höher stehen
dagegen in rein künstlerischer Hinsicht die Bildnisse Schröders, und die beiden Werke
dieser Art, die die Ausstellung enthielt, gehörten ohne Zweifel zu dem Besten, was
überhaupt in diesem Fache vorhanden war. Das galt nicht nur von dem lebensgroßen
Kniestück des Medizinalrats Franke, das durch die schlichte, ungezwungene Natürlich-
keit in Haltung und Bewegung wie durch den trefflich charakterisierten Kopf und nicht
3) Es sei nebenbei bemerkt, daß mit dieser Biedermeierausstellung noch eine weitere verbunden war, die die
Entwicklung der lithographischen Kunst in Braunschweig während jener Periode vorführen sollte. Siehe hier-
über K. Steinacker, Die künstlerische Lithographie in Braunschweig bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in „Wissen-
schaft!. Beilage z. Braunschweigisch. Landeszeitung No. 45 (7/XI 21).“
Jahrbuch für Kunstsammler II
Abb. 2 t. Harzlandscliaft von H. Brandes Privatbesitz
auch der Malerei als solcher anhaftete.
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