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Johannes Widmer
eine Anzahl reiner und feiner Künstler erstehen,
meistens Maler, doch auch einige Bildhauer und
Kleinplastiker; siefandenJahrzehnte hindurch einen
guten Halt an der Bevölkerung; viele wohlhabende,
geistig muntere, strebsame Leute wollten einen Jean-
mairc, Pury, Bouvier, Bachelin in ihrem Heim haben;
keiner kam zu kurz; erst die neueste Krisis macht
die Lage beunruhigend. Nennen wir hier einige der
wichtigsten Namen, eine abgekürzte Kunstge-
schichte der kleinen, arbeitsfrohen, ruhmreichen
Republik am sonnigen See und auf den kühlen
Bergen! Zunächst die drei Meuron, Maximilien,
einer der Begründer der Alpenmalerei aus der Nähe
und der Liebe, statt wie ehedem aus der Ferne und
der Furcht heraus; dem graziösen Idylliker folgte
der Sohn, ein robuster Realist, von kühnen Plänen
erfüllt und sie mit einiger Härte und vieler Macht
verwirklichend, Albert; endlich ihr Verwandter,
der groß konzipierende und mild malende Louis de Meuron, dessen Schaffen wir in
vollem Flusse sehn; dann die sittenbildermalenden Girardet, eine förmliche Dynastie;
die Robert: über dem ganzen Geschlechte thronend und es bis heute wie ein Dämon
leitend der große Melancholiker Leopold, zwischen Klassizismus und Romantik in
tragischer Ungewißheit schwebend; Aurele, sein unendlich behutsamerer Bruder, ein
sehr schätzenswerter Kirclieninnerespezialist; Aureles Sohn Paul; wiederum die Söhne
Pauls, vor allen der ernste, trotz seiner Scharlache und reichen Grün aus einem
trüben Silbergrau heraus empfindende und ordnende Paul Theopliile; der romantische
Patriot Baclielin; der klassizistische Impressionist Charles Edouard Du Bois; der formal
energische, koloristisch satte Landschafter Jeanneret; die Bildner in Stein und Metall,
Huguenin, Landry, Roethlisberger, L’Eplattenier. Im ganzen stand das Urteil wie die
Leistung auf hoher Stufe. Davon zeugt auch das schöne Museum, wozu die Sammlung
Russ-Young so vieles beigetragen hat.
So also stellt es um die Kunst in Neuenburg — das nebenbei eine der architektonisch
einheitlichsten, würdigsten, schönsten Schweizerstädte ist —, und dieser Zustand wirkte
einige Zeitlang bestimmend auf die Gestaltung der Galerie ein, mit der wir uns hier be-
schäftigen dürfen. Die Anfänge der Sammlung stimmen vollkommen mit dem Rückblick
auf die Ortsgeschichte, mit der Tradition von Stadt und Land, worin der Sammler aufge-
wachsen ist. Noch heute sieht man, in der zweiten oder dritten Linie sozusagen, eine An-
zahl von Dokumenten dieser die engere Heimat betonenden Epoche. Bald jedoch machte
Abb. 23. Ferdinand Hodler
Bildnis des Herrn Russ-Young, r 91 i
Johannes Widmer
eine Anzahl reiner und feiner Künstler erstehen,
meistens Maler, doch auch einige Bildhauer und
Kleinplastiker; siefandenJahrzehnte hindurch einen
guten Halt an der Bevölkerung; viele wohlhabende,
geistig muntere, strebsame Leute wollten einen Jean-
mairc, Pury, Bouvier, Bachelin in ihrem Heim haben;
keiner kam zu kurz; erst die neueste Krisis macht
die Lage beunruhigend. Nennen wir hier einige der
wichtigsten Namen, eine abgekürzte Kunstge-
schichte der kleinen, arbeitsfrohen, ruhmreichen
Republik am sonnigen See und auf den kühlen
Bergen! Zunächst die drei Meuron, Maximilien,
einer der Begründer der Alpenmalerei aus der Nähe
und der Liebe, statt wie ehedem aus der Ferne und
der Furcht heraus; dem graziösen Idylliker folgte
der Sohn, ein robuster Realist, von kühnen Plänen
erfüllt und sie mit einiger Härte und vieler Macht
verwirklichend, Albert; endlich ihr Verwandter,
der groß konzipierende und mild malende Louis de Meuron, dessen Schaffen wir in
vollem Flusse sehn; dann die sittenbildermalenden Girardet, eine förmliche Dynastie;
die Robert: über dem ganzen Geschlechte thronend und es bis heute wie ein Dämon
leitend der große Melancholiker Leopold, zwischen Klassizismus und Romantik in
tragischer Ungewißheit schwebend; Aurele, sein unendlich behutsamerer Bruder, ein
sehr schätzenswerter Kirclieninnerespezialist; Aureles Sohn Paul; wiederum die Söhne
Pauls, vor allen der ernste, trotz seiner Scharlache und reichen Grün aus einem
trüben Silbergrau heraus empfindende und ordnende Paul Theopliile; der romantische
Patriot Baclielin; der klassizistische Impressionist Charles Edouard Du Bois; der formal
energische, koloristisch satte Landschafter Jeanneret; die Bildner in Stein und Metall,
Huguenin, Landry, Roethlisberger, L’Eplattenier. Im ganzen stand das Urteil wie die
Leistung auf hoher Stufe. Davon zeugt auch das schöne Museum, wozu die Sammlung
Russ-Young so vieles beigetragen hat.
So also stellt es um die Kunst in Neuenburg — das nebenbei eine der architektonisch
einheitlichsten, würdigsten, schönsten Schweizerstädte ist —, und dieser Zustand wirkte
einige Zeitlang bestimmend auf die Gestaltung der Galerie ein, mit der wir uns hier be-
schäftigen dürfen. Die Anfänge der Sammlung stimmen vollkommen mit dem Rückblick
auf die Ortsgeschichte, mit der Tradition von Stadt und Land, worin der Sammler aufge-
wachsen ist. Noch heute sieht man, in der zweiten oder dritten Linie sozusagen, eine An-
zahl von Dokumenten dieser die engere Heimat betonenden Epoche. Bald jedoch machte
Abb. 23. Ferdinand Hodler
Bildnis des Herrn Russ-Young, r 91 i