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Der Kunstmarkt 1921
zugeben, daß noch niemals und nirgends
eine so in sich geschlossene Menge von Em-
pirestücken auf dem Markt erschien wie bei
Palffy. Und auch dies steht fest, daß unter
den Pälffyschen Stücken Möbel und Bron¬
zen waren, die abgesehen von ihrem histo¬
rischen Wert, auch künstlerische Bedeu¬
tung haben. Dennoch waren die Summen,
die man ausgab, stark übertrieben, auch
wenn hierbei die Entwertung der öster¬
reichischen Krone zu berücksichtigen ist.
Schon als dieSchätzungen bekannt wurden,
schüttelte man den Kopf. Der Schreibtisch
Napoleons I. aus Malmaison (Abb. 34), das
vielleicht von Goutlncre entworfene, mit
Bronze reich verzierte Möbel, war auf
4 Millionen Kronen geschätzt worden, das
2,97 m hohe Bronzekandelaberpaar mit je
24 Kerzen auf 3 Millionen. Und als die
internationale Welt, die jetzt Wien belebt,
zur Auktion kam, gingen die Franzosen bei
dem Napoleon-Schreibtisch, der übrigens
fälschlich für falsch erklärt worden war, bis
1 2 Millionen und erhielten ihn doch nicht;
denn der Wiener Sammler Baron Beitzes, der den Schreibtisch für, sagen wir, diploma-
tische Zwecke brauchte, verstieg sich um eine Million höher und wurde somit bei dem
[3 Millionen-Gebot der glückliche Besitzer des historischen Möbels. Immerhin gab es
Leute, die noch behaupteten, daß dieser sinnlose Pdesenpreis, in Schweizer Franken umge-
rechnet, „passabel“wäre. Derartige Kunstmarktphantasien verwirren eben die Begriffe.
Den zweiten Biesenpreis, nämlich 8 Millionen Kronen, erhielten jene zwei Bronzekande-
labcr, die in der Schätzungsliste mit 3 Millionen verzeichnet waren. Ein paar zwölf-
armige Girandolen aus Bronze und Marmor (frühes Empire) kamen bloß mit 100000
Kronen über den Schätzungswert von 1 Million hinaus, und den gleichen Preis von
1 100000 Kronen sprach man einem französischen Glasschrank zu (Nr. 483). Das in der
Literatur wiederholt genannte „Bett des Generals Berthier“ (Mahagoni, das Kopfende
hoch geschwungen, mit Waffenemblemen aus vergoldeter Bronze) wurde mit 1 700000
Kronen bezahlt (gegenüber einer Schätzung von 2.5o000 Kronen), der auf 1 ooooo Kronen
geschätzte „Lehnsessel der Kaiserin Josephine“ mit 400000 Kronen. Von den übrigen
Der Kunstmarkt 1921
zugeben, daß noch niemals und nirgends
eine so in sich geschlossene Menge von Em-
pirestücken auf dem Markt erschien wie bei
Palffy. Und auch dies steht fest, daß unter
den Pälffyschen Stücken Möbel und Bron¬
zen waren, die abgesehen von ihrem histo¬
rischen Wert, auch künstlerische Bedeu¬
tung haben. Dennoch waren die Summen,
die man ausgab, stark übertrieben, auch
wenn hierbei die Entwertung der öster¬
reichischen Krone zu berücksichtigen ist.
Schon als dieSchätzungen bekannt wurden,
schüttelte man den Kopf. Der Schreibtisch
Napoleons I. aus Malmaison (Abb. 34), das
vielleicht von Goutlncre entworfene, mit
Bronze reich verzierte Möbel, war auf
4 Millionen Kronen geschätzt worden, das
2,97 m hohe Bronzekandelaberpaar mit je
24 Kerzen auf 3 Millionen. Und als die
internationale Welt, die jetzt Wien belebt,
zur Auktion kam, gingen die Franzosen bei
dem Napoleon-Schreibtisch, der übrigens
fälschlich für falsch erklärt worden war, bis
1 2 Millionen und erhielten ihn doch nicht;
denn der Wiener Sammler Baron Beitzes, der den Schreibtisch für, sagen wir, diploma-
tische Zwecke brauchte, verstieg sich um eine Million höher und wurde somit bei dem
[3 Millionen-Gebot der glückliche Besitzer des historischen Möbels. Immerhin gab es
Leute, die noch behaupteten, daß dieser sinnlose Pdesenpreis, in Schweizer Franken umge-
rechnet, „passabel“wäre. Derartige Kunstmarktphantasien verwirren eben die Begriffe.
Den zweiten Biesenpreis, nämlich 8 Millionen Kronen, erhielten jene zwei Bronzekande-
labcr, die in der Schätzungsliste mit 3 Millionen verzeichnet waren. Ein paar zwölf-
armige Girandolen aus Bronze und Marmor (frühes Empire) kamen bloß mit 100000
Kronen über den Schätzungswert von 1 Million hinaus, und den gleichen Preis von
1 100000 Kronen sprach man einem französischen Glasschrank zu (Nr. 483). Das in der
Literatur wiederholt genannte „Bett des Generals Berthier“ (Mahagoni, das Kopfende
hoch geschwungen, mit Waffenemblemen aus vergoldeter Bronze) wurde mit 1 700000
Kronen bezahlt (gegenüber einer Schätzung von 2.5o000 Kronen), der auf 1 ooooo Kronen
geschätzte „Lehnsessel der Kaiserin Josephine“ mit 400000 Kronen. Von den übrigen