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E. Tietze-Conrat Die Bronzen der fürstlich Liechtensteinschen Kunstkammer

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bedingte Anerkennung einzelner Höhepunkte ist es, die den Grundzug der ästhetischen
Auffassung dieses klassizistischen Geschmackes bildet. Daß es der Geschmack nicht eines
einzelnen, sondern des ganzen Zeitalters war, lehren die Inventare anderer gleichzeitiger
Sammlungen; immer haben die Nachbildungen antiker Denkmäler den Grundstock gebildet,
ob es sich nun um Reduktionen einzelner Stücke in kleineren Sammlungen handelt oder
um die systematisch durchgeführten Antikenkopien, mit denen der großzügige französische
König seine Gärten und Schlösser schmückte. Und wie die Sammler in ihrem klassizistischen
Geschmack, der nur das anerkannte Beispiel und nicht die persönliche Leistung suchte,
mit dieser bestimmt umschriebenen Nachfrage sich an die Künstler wendeten, so haben
auch diese ihr Angebot entsprechend eingerichtet. Die große Bottega der Susini war es
zumal, die das trefflichste an Antikenreduktionen auf den Markt brachte. Antonio Susini
hat mit seiner Kopie des Herkules Farnese den Anfang gemacht; Bolognas Tierkämpfe
sind nach antiken Gruppen gearbeitet; des Antonio Neffe Francesco Susini hat die Werk-
statt fortgeführt, hat zu den übernommenen Modellen noch den rastenden und sterbenden
Gladiator, den Gallier mit seiner Frau, den schafenden Hermaphroditen und den farnesischen
Stier gefügt. Der vlämisch-florentinische Bildhauer Vries, der in Bolog'nas Atelier seine
letzte Schulung erfuhr, hat den farnesischen Stier kopiert und der vlämisch-römische Duquesnoy
den Hermaphroditen, den Laokoon, den Antinous und andere Meisterwerke. Die Sammler,
die mit den führenden Künstlern der Bottegen in Verbindung traten, um antike Reduktionen
oder Nachgüsse „klassischer“ Werke zu erwerben, bekamen auch Originalarbeiten dieser
Künstler angeboten. Wenn Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein beim Bildhauer
Massimiliano Soldani Kopien nach Putten Fiammingos oder Algardis bestellt, nimmt Soldani
die Gelegenheit wahr, ihm ein eigenes Werk, bei dem auch Putten zu sehen wären, zu
empfehlen. Diese Nachricht ist erst vom Jahre 16952), doch wird es in der ersten Hälfte
des Jahrhunderts auch nicht anders gewesen sein. So kommt es, daß sich dem antiken Stock
auch spätere Werke angeschlossen haben.
Im XVIII. Jahrhundert war das Verhältnis zum klassischen Vorbild ein anderes geworden.
Die Goldschmiede des französischen Königs schmolzen unmodern gewordene Güsse ein,
um das Material für neue Schöpfungen zu verwerten. „Es ist gewiß“, sagt Courajod, „daß
die Goldarbeiter Ludwig XV. fast ebenso viele Stücke vernichteten als sie hervorbrachten.“
Wie überraschend groß der Reichtum war, der hier dem neuen Geschmack geopfert wurde,
zeigt die genau detaillierte Liste der eingeschmolzenen Stücke von 1751; ich greife nur
die Bronzen des Giovanni Bologna heraus: der Hercules mit dem Eber, mit der Hydra,
noch eine Herculestat und vier Gruppen, die den dreifig'urigen Raub der Sabinerinnen dar-
stellen3)! Fürst Josef Wenzel Liechtenstein, der große Kunstfreund des XVIII.Jahrhunderts, hat
an Zahl wenig, aber an Wert bedeutende Skulpturen seiner Galerie einverleibt. Die antike
Figur des betenden Knaben, die aus dem Nachlaß des Generalintendanten Fouquet und
des Prinzen Eugen von Savoyen in seinen Besitz kam, scheint niemals für die Aufstellung in
der Galerie bestimmt gewesen zu sein; denn schon 1744 wurde sie Friedrich dem Großen
angeboten und 1747 um 5000 Taler an ihn verkauft; der König baute ihr als kostbaren
Schatz einen Gitterpavillon neben dem Schloß in Sanssouci4). Nur eine einzige Antikenkopie,
2) Franz Wilhelm, Neue Quellen zur Geschichte des 3) Livre-Journal de Lazare Duvaux, Paris 1873, i.Bd.
fürstlich Liechtensteinschen Kunstbesitzes im Jahrbuch S. XCIV f.
des kunsthist. Institutes der k. k. Z. K., 1911, Beiblatt 4) Paul Seidel, Friedrich der Große und die bildende
Sp. 104. Kunst, Berlin 1912, S. 169. Jetzt im Antikenmuseum.
Jahrbuch des kunsthist Instituts der k. k Z. IC. für Denkmalpflege 1917

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