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E. Tietze-Conrat Die Bronzen der fürstlich Liechiensteinschen Kunstkammer

den Antinous, und diese nur in Gips, hat Fürst Josef Wenzel erworben (jetzt im Pozzosaal),
dann noch das Alabasterrelief, Adam und Eva, eines anonymen Künstlers, die Alabaster-
gruppe, Apoll, Minerva und Genius, ein ungemein reizvolles Werk eines jungen Wiener
Bildhauers, der in den Anforderungen des täglichen Lebens zum Handwerker herabsank
und sich niemals wieder zu jener Höhe seiner Jugendblüte schwingen konnte5). Und endlich
zwei Bronzen, Girardons Raub der Proserpina, das in den Galerien übliche Pendant zu
Bolognas Raub der Sabinerin und das Hauptstück: ein Reiterdenkmal des Giovanni Bologna.
Fürst Karl Eusebius hatte zu sammeln begonnen, als Bologna schon tot war; er mußte
sich zumeist mit Güssen der Bottega begnügen; seinem Nachkommen Josef Wenzel war es
geglückt, ein einzigartiges Werk des Meisters selbst zu erlangen (Fig. 12). Es ist ein „Cavallo“,
ein großes Reitermodell, in Fantis Katalog als Cosimo I. Großherzog von Toscana bezeichnet.
Über einer flachen langovalen Basisplatte steht das Pferd mit dem linken Vorderfuß und
dem rechten Flinterfuß auf, das andere Hinterbein ist ein wenig gehoben, das rechte Vorder-
bein aber ganz hochgezogen. Es ist dieselbe Fußstellung wie bei Cosimos großem Reiter-
denkmal auf der Piazza della Signoria in Florenz. Doch der Reiter, der auf dem Pferde
sitzt, ist ein anderer. Nicht Cosimos hartgeschnittener Kopf, der energ'isch und konzessions-
los zurückblickt; ein weiches Gesicht mit fetten Wangen, die unter den leicht vor-
springenden Backenknochen abfallen; den vortretenden Mund läßt das zierlich gepflegte
Barthaar frei; über den zu eng aneinander stehenden Augen, die vorwärts blicken, springt
die runde Stirne zurück und ein aufgebauschter Haarschopf will diesem etwas leeren, etwas
eitlen Antlitz einen Anstrich martialischer Energie geben. Auch die Haltung ist eine andere,
die Bordüre der Satteldecke, die umgelegte Scherpe, da doch der große Reiter einen Mantel
trägt. Nicht Cosimo ist dargestellt, der Reiter weist die Züge Ferdinand I., wie sie uns
Francavilla (nach dem Entwurf Bolognas) in seinem Standbild mit der Stadt Pisa überliefert
hat. Auch für diesen Großherzog hat Bologna ein großes Reiterbildnis in der Mitte des
Platzes vor der Santissima Nunziata geschaffen. Das Modell zu diesem Denkmal hatte der
greise Künstler im Jänner 1601 zu arbeiten beg’onnen; im März 1603 wurde das Pferd,
im November 1605 der Reiter gegossen. Doch erlebte der Künstler nicht mehr die Auf-
stellung des „Cavallo“; er starb im August 1608, das Pferd wurde im Oktober, die Statue
im Dezember auf den Platz gebracht (Baldinucci VIII 142). Die Annahme scheint berechtigt,
daß wir in der Liechtensteinschen Figur das „Modello“ zu dem großen Reiterdenkmal
Ferdinands erhalten haben6). Das eigenhändige Modello und keine Werkstattreduktion, die
nach dem ausgeführten Denkmal gearbeitet worden wäre. Für diese Annahme spricht die
Signatur des Künstlers, die sich nur in den seltensten Fällen auf seinen Kleinbronzen
findet; ein zweiter maßgebenderer Grund aber ist es, daß sich an dem ausgeführten Reiter-
bild dem Modell gegenüber Abweichungen zeigten. Die auffälligste liegt im veränderten
Gang des Pferdes, das beim großen Denkmal das linke Vorderbein und rechte Hinterbein

5) Die Gruppe 1916 im Kunsthandel von der öster-
reichischen Staatsgalerie erworben. Abgebildet in meinem
demnächst erscheinenden Band „Österreichische Barock-
skulptur“ in Österreichische Kunst im Bilde, II. Bd. Über
den Bildhauer J. G. Dorfmeister siehe meinen Artikel in
Thiemes Künstlerlexikon.
6) Daß es Werkstattbrauch war, außer dem Wachs-
entwurf ein Bronzemodell zu machen, ersehen wir aus einem
Briefe des Pietro Tacca an Vittoria Cibo Pepoli, der eigent-

lich dem Prinzen Alfonso d’Este gilt; dieser sollte wegen
eines Reiterdenkmals bei dem Fürsten von Savoyen inter-
venieren. „Deve sapere V. E. J. che giä qualche tempo fa
il Ser.0 Sig. Duca di Savoja mi ricerchö, che io li facessi
un Cavallo grande.e dopo haverli fatto e mandato
modello di cera e di bronzo in una postura veramente fiera
e nuova, . . . (29. I. 1622).“ Ich zitiere nach G. Campori,
Memorie Biografiche degli Scultori etc nativi di Carrara,
Modena 1873, S. 225.
 
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