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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 14.1920(1922)

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Sobotka, George: Johann Baptist Hagenauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.27699#0005
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Johann Baptist Hagenauer.

Von Georg Sobotka f.
(Bearbeitet von E. Tietze-Conrat1.)

Es ist so verlockend, die künstlerische Entwicklung rein aus den erhaltenen Werken
abzulesen, sie in ihnen allein begründet zu wissen; so wie im einzelnen Werk ein Zeichen,
eine Erscheinung einer andern Welt erkannt werden muß, auch in der sich ändernden
Reihe, in der Vollendung des Keimes eine Gesetzmäßigkeit zu sehen, in die keine Zufälle
der uns umgebenden Welt hineinspielen können. Und gerade beim Durchschnitt ist diese
Auffassung besonders verlockend. Der mittelmäßigen Leistung legen wir auch einen gleich-
gültigen Menschen unter, das Werk betrachten und bewerten wir als bloße Zeiterscheinung,
für deren besondere Ursache wir keine Neugier tragen, und die dürftigen Nachrichten, die
sich über den Künstler selbst aus der Vergangenheit bis zu uns durch die bescheidene
Literatur fortgeschoben haben, bewegen uns auch nicht, für das Werk die Begründung in
der Seele und den Schicksalen des Meisters zu suchen. Und er war doch ein Mensch! —
sagen die Dichter, die das Kleinste in ihre Liebe nehmen. Um ein Künstlerleben zu ver-
stehen, muß nicht die Liebe allein, es muß der Glaube mit dabei sein. Der Glaube daran,
daß der Künstler nur ein Werkzeug einer fremden Kraft ist, daß die äußeren Schicksale
des Lebens, wie sie mir und dir begegnen, wie sie heben und drücken, den Künstler nicht
berühren, daß die Schicksale, die ihn aber packen und biegen, nur von dieser einen Kraft
ausgehen; daß die Entwicklung seiner Künstlerschaft schon in ihrem Keime zum Ausdruck
kommt.

Der Bildhauer Hagenauer genießt die sorgfältigste künstlerische Erziehung. Das Ver-
trauen hoher Gönner gewinnt er durch kühn erfundene, liebevoll ausgeführte Kabinett-
stücke. Große Aufträge in Erz und Stein tragen seinen Ruhm in die Hauptstadt. Die äußere
Anerkennung seiner Kunst ist die Lehrstelle an der Akademie. Einmal an der staatlichen
Krippe, wird Hagenauer innerlich durchsetzt und zersetzt von den kleinlichen Gefühlen
und Ambitionen des Lebens im Dienste. Die verfehlte Spekulation auf eine höhere Ein-
nahme, eine erfolgreich gegen ihn eingesetzte Intrige vertreiben ihn von der Betätigung,
die ihm am meisten am Herzen liegt. Das letzte Drittel seines Lebens macht der einstige
Monumentalbildhauer Entwürfe für Knöpfe, Schuhschnallen und Uhren.

b Im Nachlaß Sobotkas fand sich das gesammelte
archivalische und photographische Material, doch nicht
einmal Ansätze zu einer Bearbeitung. Dennoch glaube ich
diese in seinem Sinne getan zu haben; Beweis dafür ist ein
von Sobotka für die Ullsteinsche Kunstgeschichte geschrie-
benes Kapitel über die österreichische Barockskulptur, in

dem er meine bei verschiedenen Gelegenheiten ausgespro-
chene entwicklungsgeschichtliche Darstellung dieser Zeit
widerspruchslos aufnimmt. Ich war bemüht, die warme
Herzlichkeit, die ich für den lieben Studienkollegen und
Freund hatte, in diese Arbeit, die ich seinem Andenken
weihe, einströmen zu lassen,

J

Jahrbuch des kunsthist. Instituts des österreichischen Staatsdenkmalamtes 1920-
 
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