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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 14.1920(1922)

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Bielohlawek, Karola: Schönbrunn: ein Beitrag zur Geschichte seines Baues und seiner formalen Erscheinung
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Schönbrunn.

Ein Beitrag zur Geschichte seines Baues und seiner formalen Erscheinung.

Als Schöpfer der kaiserlichen Sommerresidenz
Schönbrunn in der alten Reichshauptstadt Wien wird
gemeinhin Johann Bernhard Fischer von Erlach ge-
nannt. Bekanntlich ist dies jedoch bloß mit einer
großen Einschränkung richtig. Wohl geht der Grundriß
der Anlage, die allgemeine Massendisposition des Ge-
bäudes auf ihn zurück. Doch sind später, ganz ab-
gesehen von Adaptierungen des Innern, welche das
Prinzip der ursprünglichen Raumkompositionen grund-
sätzlich abänderten, auch am Außenbau zu zwei ver-
schiedenen Malen so einschneidende Veränderungen
vorgenommen worden, daß seine heutige Erscheinung
durchaus nicht den Intentionen seines Entwerfers
oder überhaupt auch nur barocker Kunst ent-
spricht.

Ein bedauernswertes Mißgeschick hat denMeister
bei dieser vielleicht stolzesten Aufgabe seines Lebens
verfolgt. Vermutlich bedeutete es für ihn schon einen
schmerzlichen Verzicht, das gigantische Projekt
fallen lassen zu müssen, das er in jugendlicher Be-
geisterung und in unverkennbar heller Freude für
den Gartenpalast des künftigen deutschen Kaisers,
zu dem er nebstbei in dem schönen menschlichen
Verhältnis des Lehrers zum Schüler stand, entworfen
hatte. Nach diesem hätte das Gebäude die Bekrönung
des Schönbrunner Berges gebildet und zugleich
den abschließenden Hintergrund einer großartigen
Terrassenanlage von mächtiger Weite und energischer
Kurven- und Linienführung, ein Entwurf, der wie die
ideale Lösung der beiden wichtigsten Probleme der
Barockkunst, nämlich der Tiefenkomposition und
einer optisch fernsichtigen Aufnahme, anmutet. Ein
ganzer Berg wäre gleichsam zu einem imponierenden
Denkmal der Machtstellung Deutschlands umgestaltet
worden, dessen Herrscher den ersten Fürsten der
Welt sich nennen durfte. Ein monumentaler Gedanke,
an antike Bauphantastik gemahnend, des alten Orients
oder der hellenistisch-römischen Kunstperiode, unter
deren starken Eindruck Fischer von Erlach stand,
wie die Tafeln seines Entwurfes einer historischen

Architektur genugsam beweisen. Doch selbst auch
der nach einem zweiten abgeänderten und stark
reduzierten Plane ausgeführte Bau sollte der Nach-
welt kein Zeugnis mehr geben können von seines
Meisters Eigenart und Stil. Denn bald nach dessen
Tode, bereits in den Vierzigerjahren des XVIII. Jhs.,
ward er unter der Kaiserin Maria Theresia durch
Pacassi in eine Form gebracht, die der damals
herrschenden Rokokophase des Barocks entsprach,
und am Ende des zweiten Jahrzehntes des XIX. Jhs.
wurde er dann wieder durch den Hofarchitekten
Franz I., Johann Aman, klassizistisch umgemodelt,
so daß also das heutige Gebäude als ein Produkt
dreier verschiedener Stilperioden angesehen werden
muß, keineswegs aber als ein Dokument der Kunst
Fischers von Erlach.

Sind dies nun, wie gesagt, geläufige Tatsachen,
so empfindet man es hingegen als einen fühlbaren
Mangel in der Baugeschichte Schönbrunns, ganz
darüber im unklaren zu sein, wie weit der Bau
unter Fischers Leitung gefördert wurde und in
welchem Umfange man sich Pacassis Tätigkeit daran
zu denken habe. Dafür, daß der rechte Flügel bereits
vor Maria Theresias Umbau fertig dagestanden haben
muß, besitzt man einen überzeugenden Beweis in
dem Fresko Rottmayrs, der 1730 starb, das also noch
vor diesen Zeitpunkt fällt, bei dessen Datierung
jedoch Hg, wie wir später noch sehen werden, zu
einem voreiligen Schluß sich hat verleiten lassen.
Ob aber auch der linke Flügel in dieser ersten
Bauperiode, die nach der bisherigen Annahme mit
dem Tode Josefs I. ihren Abschluß gefunden hätte,
aufgeführt wurde, gilt heute als eine offene Frage.
Diese hoffen wir nun restlos beantworten zu können,
indem uns bisher nicht benützte schriftliche Nach-
richten — eine zeitgenössische Quelle und viel
spätere Archivalien —, vor allem aber das erhaltene
Bildermaterial und die Konstruktion des Gebäudes
über diesen strittigenPunkt einen ganz unzweideutigen
Aufschluß zu geben scheinen.
 
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