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Georg Sobotka f Johann Baptist Hagenauer
heutigen Vorstellungen von Originalität eine Minderung seiner Künstlerschaft erkennen.
Das, was Hagenauer der Vorlage Beyers entnahm, war nichts anderes, als was Beyer dem
antiken Vorbild entnehmen wollte. Ich vergleiche z. B. die Flora Beyers mit der Flora
Farnese; bei beiden das tiefgegürtete Gewand, das die herabfallende Rechte in einem Bausch
hält; an der linken Achsel ist es geknöpft, die rechte Schulter läßt es frei; sie trägt Blumen
Abb. 15 J. Hagenauer, Hannibal, Marmor, Schönbrunn, Park.
und schreitet in kurzen Schritten; auf den ersten Blick fällt der Zusammenhang zwischen
beiden Figuren auf, aber es ist ein rein motivischer. Es ist nichts anderes, als wenn ein
Künstler, der eine beiläufige Vorstellung antiker Statuen besäße, auf die bloße Beschreibung
hin eine Figur schaffen wollte. In derselben Freiheit verwirklicht Hagenauer Beyers moti-
vische Anregungen ins große. Bei dem Hannibal, der Sibylle und den Hesperiden nimmt
er sogar nur einige Züge dieser Anregungen und verschmilzt sie in seine persönliche
Erfindung. Bei der Sibylle behält er nur den linken Arm des Beyerschen Entwurfes bei,
wendet im übrigen den auf Dauer angelegten Kontrapost in momentane Handlung, legt
Georg Sobotka f Johann Baptist Hagenauer
heutigen Vorstellungen von Originalität eine Minderung seiner Künstlerschaft erkennen.
Das, was Hagenauer der Vorlage Beyers entnahm, war nichts anderes, als was Beyer dem
antiken Vorbild entnehmen wollte. Ich vergleiche z. B. die Flora Beyers mit der Flora
Farnese; bei beiden das tiefgegürtete Gewand, das die herabfallende Rechte in einem Bausch
hält; an der linken Achsel ist es geknöpft, die rechte Schulter läßt es frei; sie trägt Blumen
Abb. 15 J. Hagenauer, Hannibal, Marmor, Schönbrunn, Park.
und schreitet in kurzen Schritten; auf den ersten Blick fällt der Zusammenhang zwischen
beiden Figuren auf, aber es ist ein rein motivischer. Es ist nichts anderes, als wenn ein
Künstler, der eine beiläufige Vorstellung antiker Statuen besäße, auf die bloße Beschreibung
hin eine Figur schaffen wollte. In derselben Freiheit verwirklicht Hagenauer Beyers moti-
vische Anregungen ins große. Bei dem Hannibal, der Sibylle und den Hesperiden nimmt
er sogar nur einige Züge dieser Anregungen und verschmilzt sie in seine persönliche
Erfindung. Bei der Sibylle behält er nur den linken Arm des Beyerschen Entwurfes bei,
wendet im übrigen den auf Dauer angelegten Kontrapost in momentane Handlung, legt