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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Editor]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 14.1920(1922)

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Weingartner, Josef: Der Umbau des Brixner Domes im 18. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.27699#0062
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Josef Weingartner Der Umbau des Brixner Domes im XVIII. Jahrhundert.

Die Rücksicht auf die Nachwelt war für Peisser auch wirklich der bestimmende Grund
für den Fleiß, mit dem er Tag für Tag die geringfügigsten Ereignisse in sein Diarium
eintrug. Er war von niemand dazu beauftragt, ja er betont wiederholt, daß niemand etwas
davon wisse. Und als in den späteren Baujahren der Baudeputation endlich der Gedanke
kam, ein offizielles Protokoll zu führen, war sich Peisser wohl bewußt, daß seine Auf-
schreibung für die Nachwelt wertvoller sein werde. Er schreibt darüber unter dem
3. April 1753: „Vor allen musste Herr Tangl das mit seiner Handt formierte Conferenz-

protocoll . . ablösen, welches kurz und succincte ausgesöchen. So vill ist richtig und gewiss,
dass bey disen Domgebäuconferenzien khurz vor Herr Vischnaller die Cassafiehrung resig-
nieret, allererst der Anfang gemacht, ein Protocollum zu fiehren. Gott wais aber, obe dise
Fragmenta aufbehalten werden1). Es ist weiters richtig und gewiss, dass von diser meiner
Baubeschreibung khain Seel auf der Weldt einige Wissenschaft trage, massen ich dises
bis gegenwertiger Stundt khainen Mentschen anverthrauet, sonderen alles in gehaimb für
Ehre Gottes und der heiligen Patronen verfasset, wohl wissendt, dass mann in
khünfftig Zeiten umb dise meine Beschreibung fro sein werde, gestalte
ich auch gedenckhe mit diesem Werckh ein Opfer zu machen“.

Daß neben der Ehre Gottes und der Stiftspatrone gelegentlich auch Peissers eigene
Ehre nicht ganz vergessen wird, ist wohl selbstverständlich und darf um so nachsichtiger
beurteilt werden, als sich Peisser um den Dombau tatsächlich große Verdienste erworben
hat und sich auch in Fällen, wo er von seinen eigenen Werken erzählt, 'einer sachlichen
Darstellung befleißt. Nur in den letzten Partien seiner Tagebücher, wo das Wirken Georg
Tangls geschildert wird, trübt persönlicher Arger vielfach das ruhige Urteil, denn Tangl
hatte seit 1752 den Einfluß Peissers stark in den Hintergrund gedrängt. Damit verlor Peisser
aber auch die Freude am Tagebuchführen immer mehr und Ende 1753 schloß er seine
Aufschreibung mit den Worten: „Weilen bis auf dise Zeit der Dombbau mehristenthails

zur Vollkhombenheith gelanget und thails mindere Arbeithen mir fir ohnnöthig geschinen,
in ein etwas mihesambere Beschreibung zu bringen, umb so mehr als thails dergleichen so
gar nit conferentialiter abgeredet und beschlossen worden, auch wie lesterhandt her öffters
geschehen .... dass auch der bestöllte Baucassier Herr Georg Tangl nach aigenen Erfinden
und ohne Anfrag die Veranstaltungen oder aber das Anbefohlene so gar nit exequieret,
so habe ich mit Vortsözung dises Diarii und Beschreibung lieber desistieren, als neben der
villen Schreibarbeith mir auch den Verdruss vermehren wollen“.

In Peissers Diarinm besitzen wir demnach ein Quellenwerk, das den Baubetrieb des
XVIII. Jhs. mit seltener Treue widerspiegelt und dem die persönliche Anteilnahme des
Verfassers außerdem individuelles Leben und eine wohltuende Frische verleiht.

Bei dem regen Fleiße, mit dem seit anderthalb Jahrhunderten eine ganze Deszendenz
von Lokalhistorikern die Geschichte Brixens und namentlich auch seiner Kunstdenkmäler
erforscht und dargestellt hat, ist es selbstverständlich, daß auch die reichen Quellen über
den Dombau nicht unbenützt geblieben sind. Resch hat den Dombau noch selber miterlebt,
aber schon Sinnacher bringt zumal aus Peissers Diarium eine Reihe von Zitaten. Desgleichen
fußt Tinkhauser in seiner für die damalige Zeit ausgezeichneten Beschreibung des alten
und des neuen Domes2) auf Peisser und auf den Beständen des Kapitelarchives. In allerletzter

*) Vischnaller schied 1752 aus seinem Amte, der 2) Mitteilungen d. C. C. 1861, S. 90 ff.

Bau aber hatte schon 1745 begonnen. Das offizielle Proto-
koll ist tatsächlich verloren gegangen.
 
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