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Josef Weingartner Der Umbau des Brixner Domes im XVIII. Jahrhundert.
größere Rolle spielte als im italienischen Landesteile, größere Aufgaben zu stellen. Die
bewegten Linien der Gemälderahmen, die übrigen Stuckornamente, die Vermehrung der
Pilaster, die Aufbiegung des Gebälkes sollte im Gegensätze zum italienisierenden Ent-
würfe mehr Leben und Reichtum in die Kirche bringen und stellt sich damit ebenfalls
auf den Boden der landesüblichen Rokokodekoration. Endlich belehrt uns ein Blick etwa
auf die Wandgliederung der Innsbrucker und Wiltener Pfarrkirche (Abb. 31 und 32), daß auch
das Motiv der vom bewegten Gebälk durchzogenen Fenstergruppe mit der deutschtirolischen
Stilentwicklung im engsten Zusammenhänge steht. So kann demnach der Bauplan Fögers als
ein Versuch bezeichnet werden, den stark italienisch projektierten Bau noch so weit als
möglich im Sinne der deutschtirolischen Rokokokunst umzugestalten, der heftige Kampf
Abb. 30 Fögersches_Modeil, Langhaus.
der Anhänger Fögers gegen Delaya aber versinnbildet das Aufeinanderprallen von zwei
verschiedenen Stiltendenzen an der Grenze ihrer beiderseitigen Einflußsphäre, in der Mitte
zwischen Nord und Süd, wenn auch den vielfach von persönlichen Motiven geleiteten
Kämpfern die Tragweite ihres Gegensatzes kaum zum Bewußtsein gekommen sein dürfte.
Übrigens mußte die Verquickung so verschiedener Richtungen naturgemäß auch ihre
üblen Folgen haben. Nach dem Entwürfe Delayas wäre der Dom ein zwar nüchterner aber
— abgesehen vom schon vorhandenen Querschiff, das für den neuen Hauptraum auf jeden
Fall zu schmal war — doch einheitlicher und harmonisch disponierter Bau geworden. So
aber trägt er weder den südlichen noch den nordischen Charakter voll zur Schau. Die
schwere und im ganzen strenge Architektur weist noch immer nach Italien und ein Ver-
gleich mit der nahen Kirche des Klosters Neustift (Abb. 33 und 34) läßt das fremdartige Wesen
des Domes scharf hervortreten. Die harmonische Anlage einer italienischen Kirche aber, die
der vorhandene Entwurf zeigt, wurde durch die Überhöhung und durch die Kapellenänderung
stark gestört. Die Kapellen sind im Verhältnis zu ihrer Höhe viel zu eng und werden
durch die wuchtigen Pfeiler und schweren Gebälke erdrückt. Aus demselben Grunde war
Josef Weingartner Der Umbau des Brixner Domes im XVIII. Jahrhundert.
größere Rolle spielte als im italienischen Landesteile, größere Aufgaben zu stellen. Die
bewegten Linien der Gemälderahmen, die übrigen Stuckornamente, die Vermehrung der
Pilaster, die Aufbiegung des Gebälkes sollte im Gegensätze zum italienisierenden Ent-
würfe mehr Leben und Reichtum in die Kirche bringen und stellt sich damit ebenfalls
auf den Boden der landesüblichen Rokokodekoration. Endlich belehrt uns ein Blick etwa
auf die Wandgliederung der Innsbrucker und Wiltener Pfarrkirche (Abb. 31 und 32), daß auch
das Motiv der vom bewegten Gebälk durchzogenen Fenstergruppe mit der deutschtirolischen
Stilentwicklung im engsten Zusammenhänge steht. So kann demnach der Bauplan Fögers als
ein Versuch bezeichnet werden, den stark italienisch projektierten Bau noch so weit als
möglich im Sinne der deutschtirolischen Rokokokunst umzugestalten, der heftige Kampf
Abb. 30 Fögersches_Modeil, Langhaus.
der Anhänger Fögers gegen Delaya aber versinnbildet das Aufeinanderprallen von zwei
verschiedenen Stiltendenzen an der Grenze ihrer beiderseitigen Einflußsphäre, in der Mitte
zwischen Nord und Süd, wenn auch den vielfach von persönlichen Motiven geleiteten
Kämpfern die Tragweite ihres Gegensatzes kaum zum Bewußtsein gekommen sein dürfte.
Übrigens mußte die Verquickung so verschiedener Richtungen naturgemäß auch ihre
üblen Folgen haben. Nach dem Entwürfe Delayas wäre der Dom ein zwar nüchterner aber
— abgesehen vom schon vorhandenen Querschiff, das für den neuen Hauptraum auf jeden
Fall zu schmal war — doch einheitlicher und harmonisch disponierter Bau geworden. So
aber trägt er weder den südlichen noch den nordischen Charakter voll zur Schau. Die
schwere und im ganzen strenge Architektur weist noch immer nach Italien und ein Ver-
gleich mit der nahen Kirche des Klosters Neustift (Abb. 33 und 34) läßt das fremdartige Wesen
des Domes scharf hervortreten. Die harmonische Anlage einer italienischen Kirche aber, die
der vorhandene Entwurf zeigt, wurde durch die Überhöhung und durch die Kapellenänderung
stark gestört. Die Kapellen sind im Verhältnis zu ihrer Höhe viel zu eng und werden
durch die wuchtigen Pfeiler und schweren Gebälke erdrückt. Aus demselben Grunde war