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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 14.1920(1922)

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Zweig, Marianne: Das Harrachsche Gartengebäude in der Ungargasse
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https://doi.org/10.11588/diglit.27699#0170
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Marianne Zweig Das Harrachsche Gartengebäude in der Ungargasse.

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nimmt die Stelle ein, auf der sich seit 1717 Kirche
und Kloster der Salesianerinnen erheben. Auf der
linken Seite des Rennweges fallen nur drei archi-
tektonische Gartenanlagen auf4), bloß bei einer von
ihnen befindet sich ein ansehnlicheres Gebäude. Weit
mehr als alle anderen Straßen dieser Gegend trägt
die Ungargasse, die so wie heute Rennweg und Land-
straße verbindet, rein ländlichen Charakter. Verstreut
zwischen Äckern und Weinbergen liegen Häuschen,
die, wie grundbücherlich nachweisbar, vorwiegend
von Gärtnern und Weinbauern, von „Hauern“, wie
der Wiener Ausdruck lautet, bewohnt wurden.

Beachtenswert erscheint nur das mit der
Nummer 37 bezeichnete Gebäude nahe dem Renn-
weg im „Gerstbau“5), auch im „Tiefen Graben“6)
gelegen. Mit seinem großen, von einer Mauer um-
grenzten Garten, der den Eindruck eines Obst- und
Nutzgartens macht, dürfte es wohl schon damals
bei seinem Besitzer Christoph Ignatius Edlen von
Quarient7) als Landhaus Verwendung gefunden haben.
Herr von Quarient hat zwischen 1702 und 1707
mehrere nebeneinander liegende, verschiedenen Grund-
herren dienstpflichtige Gründe erworben und zu einem
einheitlichen Garten vereint. Seine Erben haben 1727
Haus und Garten an Gräfin Ernestine Harrach ge-
borene Dietrichstein verkauft8 9), die abermals angren-
zende Gründe damit verband. Mit diesem Besitz-
wechsel beginnt die Baugeschichte des heutigen
Reitlehrinstituts. Der Grundriß ist der alte geblieben,
aber niemand wird in dem nüchternen Gebäude eine
Schöpfung des Johann Lucas von Hildebrandt ver-
muten, einen Palast erkennen, der wahrscheinlich
nach seinen Plänen, zumindest aber unter seinem
entscheidenden Einfluß entstanden ist.

Gräfin Ernestine Harrach war die dritte Ge-
mahlin des Grafen Aloys Raymund Thomas Harrach,
der gleich seinem Vater Ferdinand Bonaventura I.8)
— in der Wiener Harrachgalerie hängt sein Bild von
Largilliere — in jungen Jahren Botschafter in Spanien
gewesen war. Von dort zurückgekehrt, bekleidete
Graf Harrach die Stellung eines Landmarschalls und
Landesobersten in Österreich unter der Enns. Schon
im Jahre des Grundkaufes in der Ungargasse beginnen
die Bauarbeiten. Diese werden auch in den folgenden
Jahren fortgesetzt, während Graf Harrach als Vize-

4) Ebendort bezeichnet mit Hulber, Kazzi, von der Tran.

5) Nicolai Gewährbuch IV S. 136. Archiv der Stadt
Wien.

6) Ebendort S. 150.

7) Ebendort S. 128, 136, 150.

8) Ebendort S. 268.

9) L. A. de Torre, Graf Ferdinand Bonaventura

Harrach. Haag 1735.

könig in Neapel weilt. Ein 1727 mit dem Tischler-
meister Wagner abgeschlossener Vertrag, der bereits
über die Einsetzung von Tür- und Fensterstöcken
handelt10), läßt den raschen Fortschritt der Arbeiten
erkennen. Es ist allerdings nicht festzustellen, ob
es sich um einen vollständigen Neubau oder um den
Umbau eines schon bestehenden Hauses handelt.
Keinesfalls kann aber das auf dem Plan von Anguis-
sola und Marinoni verzeichnete Haus verwendet
worden sein, denn sein Grundriß ist, wie aus späteren
Abbildungen zu ersehen, dem des Harrachschen
Palastes vollkommen entgegengesetzt. Ein „monath-
licher Rechnungs-Extrakt“ von 172911) beweist, daß
auch im Garten fleißig gearbeitet wurde. Man liest
hier von „188 Fuhr erkauften Tung in den Garten“,
von „gelieferte Büchner und Spallier Stauden“
und von Holz zum „Feig Baum anbinden“. Am
16. Dezember 1729 schreibt Hildebrandt an den Bau-
herrn nach Neapel12): „Im Garten zu Wien ist das

Hauptthor zur perfection kommen, welches die Ungar-
gasse wohl ornieren thut, und weil Ihr. Excell. der
Herr Feld-Marschall13) ohne Ihre Excell. d. consens
resoluiren thut die Verguldung der Wappen, hiemit
schicke ich Ihr. Excell. den riß davon, ob es so recht
sey oder ob mehr davon muß vergoldt werden.“ Im
Juli des nächsten Jahres schildert Hildebrandt in
einem Schreiben an den Vizekönig14) die im Garten
in der Ungargasse aufgestellten Glashäuser. Nachdem
Harrach 1733 wieder Aufenthalt in Wien genommen,
schreibt Hildebrandt an dessen ältesten Sohn Friedrich
August: „Havendo io havuto la sorte nella fabrica al
giardino di Sua Excellenza il Signor Padre di ser-
virlo in piü cose seccondo il Suo genio e gusto con
l’aprovazione di tutti et anche in cittä, ho l’honore
per quanto accorgermi posso d’esser contro miei
meriti nelle sue gratie, mentre ho visto, che i fatti
fare non l’havrebbero appagato in conformitä li miei
sono stati esseguiti.“

Zahlreiche Briefe Hildebrandts, zwischen 1724
und 1741 an den Grafen Aloys Raymund Thomas,
seine Söhne und Brüder gerichtet, geben Kunde von
den herzlichen Beziehungen, die den Meister mit

10) Harrachsches Familienarchiv in Wien.

11) Ebendort.

12) Ebendort. Zitiert bei Dreger: Über Johann Lucas
von Hildebrandt. Kunst- und Kunsthandwerk, X. Jahrgang,
1907, S. 265.

13) Bruder des Bauherrn, der Waffengenosse des
Prinzen Eugen von Savoyen, Johann Josef Graf Harrach.

14) Harrachsches Familienarchiv in Wien.

Ich spreche an dieser Stelle Herrn Staatsarchivar
Dr. Wilhelm meinen besten Dank aus für die gütige Über-
lassung der Abschrift des Hildebrandtschen Briefes.
 
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