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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 14.1920(1922)

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Bielohlawek, Karola: Schönbrunn: ein Beitrag zur Geschichte seines Baues und seiner formalen Erscheinung
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https://doi.org/10.11588/diglit.27699#0197
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6 i

Karoj.a Biet.oht.awek Schönbrunn.

62

Abb. 18 Pacassi, Geplanter Grundriß für den Umbau von Schönbrunn, Wien, Albertina.

besagt aber mehr als bloß eine später erfolgte
Änderung der Fassadenkomposition. Denn logischer-
weise muß man daraus auf eine von der heutigen
abweichenden Gestaltungder großen Galerie schließen,
indem doch in einem solchen Prunkraum rundbogige
und rechteckige Fensteröffnungen nicht ohne eine auf
die Konstruktion zurückgehende Motivierung neben-
einander hätten bestehen können. Tatsächlich zeigt ein
Entwurf Pacassis17) (Abb.18), der noch weiter zurück-
reichen muß, weil darauf die auf rechtwinkligem
Grundriß sich aufbauende Freitreppe sich im Hofe
befindet, während eine in Kurven angelegte sich dem
Gartenrisalit anschmiegt, daß je zwei auf einem der
Wand vorgestellten Säulenpaar ruhende Gurtbogen,
eine Gliederung des Raumes herbeiführten, die den
fünfachsigen Mittelteil von den Seiten abtrennte. So
wird es leichter erklärlich, daß er daran denken
konnte, bei diesen die bestehenden rechteckigen
Fenster beizubehalten.

Die zweite erhebliche Abweichung aber betrifft
die im Stiche hofseitig mit Ausnahme der Eckrisalit-

n) Vgl. Anm. 5.

fronten noch bewahrte ursprüngliche Geschoßteiluug
und die damit zusammenhängende Erhaltung der
bestehenden Oberstockfenster Fischers von Erlach.
Da diese ersten Pläne doch offensichtlich niemals
zur Ausführung gelangten, so würde also auch der
von uns oben aus der Stellung der Kapellenfenster
gezogene Schluß keineswegs durch den Hinweis
erschüttert werden, sie könnten erst damals in Über-
einstimmung mit dem im Stiche erhaltenen Projekt
Pacassis errichtet worden sein.

Die alten Darstellungen von Schönbrunn aber
sind nicht bloß deshalb interessant und wichtig,
weil sie die spezielle Frage der Baugeschichte dieses
Lustschlosses klären helfen, sondern sie bilden zu-
gleich wertvolle Dokumente der allgemeinen Stil-
geschichte. Denn sie illustrieren das grundsätzlich
verschiedene Kunstwollen der drei an seiner heutigen
Erscheinung mitschaffenden Kunstperioden in sehr
charakteristischer Weise. Dadurch erleichtern sie
wieder das Verständnis für die Formensprache des
gegenwärtigen Gebäudes, indem sie deren Genesis
uns zeigen.
 
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