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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 14.1920(1922)

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Bielohlawek, Karola: Schönbrunn: ein Beitrag zur Geschichte seines Baues und seiner formalen Erscheinung
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6g

Karot.a Bielohlawek Schönbrunn.

70

Abb. 20 Schönbrunn, Gartenseite.

der Charakter eines Kompromisses zwischen der zur
Herrschaft gelangten neuen Baugesinnung und dem
notgedrungenen Sparsystem der franzisceischen
Epoche an. Eines Kompromisses, dessen sich der
Kaiser und seine künstlerischen Berater sehr wohl
bewußt gewesen sein müssen, was wir wohl aus dem
Umstande schließen dürfen, daß man in letzter Stunde
noch andere Projekte in Erwägung zog, die Schön-
brunn vermutlich zu einem klassizistischen Bau aller-
strengster Observanz umgewandelt hätten.

Folgendes läßt sich nämlich aus dem vorhandenen
archivalischen Material21) über den Verlauf dieser
Bauperiode rekonstruieren: Die Renovierung des

Schloßgebäudes wurde im Winter 1816/17 in Angriff
genommen und erstreckte sich auf „die Dachung,
Dippelböden, Gesims und Fassade“. Man verteilte
sie von vornherein auf mehrere Jahre, da sie, um den
kaiserlichen Sommersejour nicht zu stören, stets nur
in den Wintermonaten durchgeführt werden mußte,
und ging dabei so vor, daß man das Gebäude, den
Mittelrisalit ausgenommen, in vier Teile aufteilte und
davon jährlich einen vornahm, während der Mittel-
teil bis zuletzt aufgespart wurde. Als nun im Sommer
1819 drei Viertel der Seitenflügel schon vollendet
waren, beschloß man im folgenden Winter, zugleich
mit dem letzten Teil der Flanken, auch die Garten-
fassade des Mittelrisalits herzustellen. Pläne Amans
dafür lagen bereits im Juni in zwei Varianten vor
und wurden bei einem Vortrag des Obersthofmeisters
Fürsten Trauttmansdorff vom 25. Juli 1819 nebst
einem Modell dem Kaiser zur Begutachtung unter-
breitet, mit der Bitte, die allerhöchste Entscheidung
möge der notwendigen Vorbereitungen halber nach
einer persönlich vorgenommenen Besichtigung des
Gebäudes noch im August erfolgen.

21) Mit einer einzigen angegebenen Ausnahme handelt
es sich um Obersthofmeisterakte aus den Jahren 1819 und
1820, Konvolute 5 und 13, Haus-, Hof- und Staatsarchiv.

Diese letztere fand tatsächlich im September
nach des Kaisers Rückkehr aus Italien statt. Ent-
schieden wurde die Sache jedoch erst anfangs
Oktober durch vorläufig mündlich erteilte Aufträge.
Denn der Kaiser, wohl unbefriedigt von dem Effekt
der Amanschen Restaurierung und seiner weiteren
Vorschläge, hatte sich mittlerweile andere Pläne für
die Fassaden der Hof- und Gartenseite vorlegen
lassen, und zwar von dem Hofbaurat und Direktor
der Architekturschule der Akademie der bildenden
Künste, Pietro Nobile. Sie dürften sich erhalten haben
und wir hoffen, sie bald in einem anderen Zusammen-
hang zeigen zu können. Doch der jede Konzession
verschmähende Radikalismus, den Nobile gleich-
zeitig bei der Lösung einer analogen Aufgabe be-
kundete22), bietet uns hinreichendGewähr dafür, daß er
wohl auch in diesem Falle nicht minder energisch vor-
gegangen wäre, sein klassisches Ideal zu erreichen und
sich sicher nicht auf die Mittelrisalite beschränkt,
sondern auch die scjion restaurierten Flügel umgestaltet
hätte. Das eine wie das andere Mal verhinderte zweifels-
ohne der zu hohe Kostenpunkt die Realisierung
seiner Entwürfe. Jene von Schönbrunn wurden dem
Hofbauamt übermittelt, wie wir durch ein Dekret
dieser Behörde vom 22. Oktober erfahren, das deren
Inventarisierung und Aufbewahrung im Planarchiv
anordnet23). Denn der haushälterische Kaiser hatte
sich doch für Amans Projekt mit nach seinen eigenen
Angaben durchgeführten Abänderungen entschieden.
Nachträglich müssen ihm dann erst wieder Bedenken
betreffs der Dringlichkeit der Restaurierung auf-
gestiegen sein. Am 28. November wurde der oberst-
hofmeisterliche Vortrag vom 25. Juli mit folgendem
Befehle erledigt24):

22) Die Publikation dieser Pläne Nobiles bereite ich vor.

23) Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Hofbauamtsakten,
II25, 1819.

24) Darauf erfolgte die oben wiedergegebene„Äußerung“
Amans.
 
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