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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 9.1889

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Chmelarz, Eduard: Ein Verwandter des Breviarium Grimani in der k. k. Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5731#0482
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Eduard Chmelarz.

und auf einem Knie ruhend, das andere blos gebeugt hat. Das starke Betonen der brüchigen Faltengebung
durch gerade kräftige Pinselstriche findet sich auf den meisten Bildern des einen und des andern Codex
wieder, und ebenso ist auf beiden Seiten die Schönheit der landschaftlichen Hintergründe mit trefflicher
Luftperspective, der Liebreiz der Frauen, wie die Würde und Kraft der Männerköpfe in feiner, vielfach
gezeichneter Malerei unleugbar. Bemerkenswerther ist jedoch die Uebereinstimmung einer ganzen
Reihe von Figuren des Breviars mit jenen des Hortulus:

Die Figur des Johannes Evangelista (Breviar Tafel 53) ist genau copirt im Hortulus 421. Die
Todtenvesper (Breviar 58) stimmt in den Figuren fast Zug für Zug mit Hortulus 454 v., und auch die
Architektur ist ziemlich dieselbe, nur im Breviar durch Figuren und Wappenträger an den Pfeilern des
Chortheiles bereichert. — Breviar 59 fällt Figur um Figur mit Hortulus 331 v. zusammen, nur enthält
ersteres auf jeder Seite um eine Figur mehr, sowie oben bei der Gruppe der göttlichen Personen auch
der heilige Geist erscheint, welcher in unserem Codex auffallender Weise fehlt. Ganz gleich ist das Ver-
hältniss von Gott Vater und den sechs kräftiger hervortretenden Engeln, von welchen Auserwählte im
Fluge himmelwärts getragen werden, auf Breviar 60 zu Hortulus 326 v. — Bei Breviar 61 und Hortulus 237
ist wenigstens der Gedankengang derselbe, zuerst den Heiligen in ganzer Figur, dann dessen Martyrium
dramatisch vorzuführen, und zwar im Breviar im Hintergrunde, im Hortulus aber auf der Umrahmung. —
Aehnlich sind die Nebenscenen auf der Umrahmung zu Breviar 63 und Hortulus 266 v. und 267 r., näm-
lich die Versuchung des Heiligen und dessen Speisung durch einen Raben. — Der heil. Sebastian von Bre-
viar 64 erscheint wieder in der Gruppe der Nothhelfer im Hortulus 263 v. — Bei dem Kampfe St. Georgs
mit dem Drachen ist wieder Breviar 67 mit Hortulus 25o in der Figur des Drachen und in der Haltung
und Rüstung des Heiligen und seines Pferdes identisch. — Hortulus 228 v., die Bekehrung Pauli ist nur
die Vergrösserung der Scene im linken Hintergrunde auf Breviar 74. — Breviar 81 und Hortulus 259 V.
zeigt die Hauptfiguren sozusagen Strich für Strich gleich. — Die heil. Katharina, Hortulus 304 v., ist fast
Copie jener links im Vordergrunde sitzenden Heiligen aus dem himmlischen Hofstaate der Madonna auf
Breviar 90 und ganz genaue Wiederholung von Breviar 108, überhaupt künstlerisch die directe Schwester
der Maria Magdalena von Breviar 77 oder der heiligen Frauen von Breviar 56.1 Schliesslich erinnert der
Schutzengel Hortulus 217 sofort an jenen auf Breviar 95.

Nachdem also die künstlerische Verwandtschaft unseres Hortulus mit dem Breviar zur Genüge be-
wiesen ist, so bleibt noch die sehr wichtige Erörterung übrig, welches von beiden Werken das ältere
sei und dem andern theilweise als Vorbild dienen konnte. Die Entscheidung ist nicht leicht, und
kaum wagt man dieselbe dahin zu treffen, dass das Breviarium vorangegangen sei, obwohl dasselbe eine
weit üppigere Ausartung der Gothik mit noch unverstandener Anlehnung an Renaissancearchitektur zeigt
als unser Hortulus, in welchem sich die Renaissancemotive auf Kleinigkeiten im Ornamente bei dem Meister
der Monatsbilder beschränken. Aber die Verminderung der Heiligen von Breviar 5g um je eine Figur auf
jeder Seite geschah gewiss vom Copisten mit Rücksicht auf den beschränkteren Raum in dem Hortulus;
gerade solche Veränderungen lassen darauf schliessen, dass der Copist der Meister des Originals selbst
gewesen sei. Auch Flüchtigkeiten, wie das Vergessen der dritten göttlichen Person in der Gestalt der
Taube auf unserer Miniatur, widerfahren leichter bei Wiederholung eines bereits vorliegenden Bildes als
bei sorgfältiger Durchbildung der ersten Composition, und leichter dem Meister selbst als einem pedan-
tischen Copisten. In ganz gleicher Weise erklärt sich der Wegfall eines Wappenschildes, welcher sich auf
dem Katafalk der Todtenvesper im Breviar, aber nicht im Hortulus 454 V. vorfindet, und ebenso glaube ich
eher schliessen zu dürfen, dass aus dem Bilde Bekehrung Pauli im Breviarium eine Scene aus dem Hinter-
grunde für den Hortulus vergrössert wurde, als dass eine Hauptgruppe des Hortulus zu einer Hintergrund-
staffage des Breviars degradirt worden wäre.

Aber zugestanden, dass das Breviarium älter sei, so fällt es doch nicht weit ab vom
Hortulus, weder so früh (ca. 1480), wie Zanotto imTexte zu Perini's Photographien und Ernst Förster

' Sie alle zusammen, inbegriffen ähnliche Gestalten auf dem Rouener Bilde des Gerard David, stammen, in Nach-
wirkung der grossen Kunst auf die sogenannte kleine, von Jan van Eyck's St. Barbara im Museum von Antwerpen ab.
 
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