6o
Friedrich Kenner.
gegeben; der Gegensatz ist deutlich: der langjährigen Caesar- und Augustuswürde des Einen steht die eben
erst angetretene Caesarwürde des Andern gegenüber.
Abgesehen von dieser wohlbegründeten Verschiedenheit einzelner Merkmale sind beide Medaillons
absichtlich und auffallend gleich componirt. Solche Uebereinstimmung findet man nur bei Münzen, die
aus demselben Anlasse von Augusti und Caesaren ausgegeben wurden; es darf auf die interessante Reihe
von Solidi hingewiesen werden, welche zu den Tricennalien Constantins des Grossen von ihm und seinen
Söhnen in völlig gleichmässiger äusserer Ausstattung geprägt wurden.1
Aas den angegebenen Gründen muss also gefolgert werden, dass die hier behandelten Silberstücke
auf die Ernennung des Caesar Constantius Gallus, die am i5. März 35 i erfolgte, hergestellt worden sind.
Zunächst sind wohl diejenigen Exemplare entstanden, welche die Siglen der Münzstätten Constantinopolis
und Siscia zeigen, die im östlichen Theile des Reiches und in dem Gebiete, in welchem vorher Vetranio
geherrscht hatte, lagen; hingegen können die in Aquileja geprägten erst nach der Schlacht bei Mursa
(October 351), jene, die Lugdunum als Münzstätte nennen, nicht vor der letzten Niederlage und dem
Tode des Magnentius (August 353) hergestellt worden sein. Sobald nach dem Fortschritte, welchen der
Siegeszug des Constantius gegen Westen machte, neue Gebiete seiner Alleinherrschaft zugeführt wurden,
ist in deren Münzstätten, wenngleich nachträglich, die Ernennung des Caesars documentirt worden durch
Ausgabe der darauf bezüglichen Gepräge. Die ersten von ihnen scheinen also in den Münzstätten Con-
stantinopolis und Siscia geschlagen worden zu sein, welche dem damaligen Aufenthalte des Kaisers am
nächsten lagen. Er war Ende December 35o in Naissus2 und dürfte von dort nach Vetranio's Resignation
vorgerückt sein, um Sirmium oder Siscia, die wichtigsten Punkte der Savelinie, zugleich die Schlüssel zur
Behauptung von Illyricum, zu besetzen; sie bilden fortan die Basis seiner Unternehmungen in dem fol-
genden Kriege, der vorläufig in der Schlacht bei Mursa Ende September 351 mit der Niederlage des
Magnentius endete. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Proclamation des neuen Caesar in Sirmium oder
Siscia stattfand, und können dann mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit die in Siscia geprägten Silber-
medaillons als die ersten auf dieses Ereigniss anspielenden betrachtet werden.3
339. DN FL CL CONSTANTIVS NOB CAES. Brustbild von rechts, ohne Diadem und Kranz, im Mantel,
darunter auf der rechten Achsel die Panzerklappen.
Rev. VICTOR I A ROMANORVM. Schreitende Vic-
toria von links, im langen Chiton, in der erhobenen
Rechten einen Kranz mit Bändern, in der Linken einen
Palmenzweig, vor ihr am Boden ein Gefangener, von
vorne; zu ihr emporsehend ist er in das linke Knie ge-
sunken, die Hände sind auf den Rücken gebunden.
Perlenrand auf beiden Seiten durch das Aufhäm-
mern des Randes zerstört. Röthliche Bronze, jetzt 32 Mm.
Durchmesser, 3 bis 3-5 Mm. dick, 19-4 Gr.
Aus der Sammlung Tiepolo. Mus. Theupoli ant. num., P. II, p. 822. — Arneth, Synopsis,
p. 202, Nr. 7.
Cohen, VI, 3o6, Nr. 184 fälschlich ohne Vorderseite und unter Constantius II. eingetragen. Im Katalog
der Sammlung Tiepolo ist unser Stück richtig beschrieben, aber unrichtig dem Kaiser Constantius II.
zugetheilt. In der That gehört es zu Cohen, VI, p. 35o, Nr. 23.
1 Dieselben sind zusammengestellt in der Numismatischen Zeitschrift, XII (1880), S. 79.
2 V.Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung, III, 262, Note.
3 Es fehlen zu den grossen Silberstücken, die aus diesem Anlasse geschlagen worden sein mögen, die Gegenstücke
gleicher Münzstätten. Von den beiden des Constantius II. ist das eine ohne Zeichen der Münzstätte, das andere von Siscia. Von
Gallus sind, wie schon bemerkt, jene aus Constantinopel, Aquileia und Lugdunum bekannt. Man kann diese Erscheinung sehr
wohl daraus erklären, dass die Exemplare des Augustus der einen, jene des Caesar einer andern Münzstätte zu prägen auf-
getragen wurden; doch ist nicht ausgeschlossen, dass in den einzelnen Münzstätten beide Gepräge gearbeitet wurden und
zufällig bisher nur jene bekannt wurden oder erhalten geblieben sind, welche aus den eben genannten Münzstätten stammen.
Friedrich Kenner.
gegeben; der Gegensatz ist deutlich: der langjährigen Caesar- und Augustuswürde des Einen steht die eben
erst angetretene Caesarwürde des Andern gegenüber.
Abgesehen von dieser wohlbegründeten Verschiedenheit einzelner Merkmale sind beide Medaillons
absichtlich und auffallend gleich componirt. Solche Uebereinstimmung findet man nur bei Münzen, die
aus demselben Anlasse von Augusti und Caesaren ausgegeben wurden; es darf auf die interessante Reihe
von Solidi hingewiesen werden, welche zu den Tricennalien Constantins des Grossen von ihm und seinen
Söhnen in völlig gleichmässiger äusserer Ausstattung geprägt wurden.1
Aas den angegebenen Gründen muss also gefolgert werden, dass die hier behandelten Silberstücke
auf die Ernennung des Caesar Constantius Gallus, die am i5. März 35 i erfolgte, hergestellt worden sind.
Zunächst sind wohl diejenigen Exemplare entstanden, welche die Siglen der Münzstätten Constantinopolis
und Siscia zeigen, die im östlichen Theile des Reiches und in dem Gebiete, in welchem vorher Vetranio
geherrscht hatte, lagen; hingegen können die in Aquileja geprägten erst nach der Schlacht bei Mursa
(October 351), jene, die Lugdunum als Münzstätte nennen, nicht vor der letzten Niederlage und dem
Tode des Magnentius (August 353) hergestellt worden sein. Sobald nach dem Fortschritte, welchen der
Siegeszug des Constantius gegen Westen machte, neue Gebiete seiner Alleinherrschaft zugeführt wurden,
ist in deren Münzstätten, wenngleich nachträglich, die Ernennung des Caesars documentirt worden durch
Ausgabe der darauf bezüglichen Gepräge. Die ersten von ihnen scheinen also in den Münzstätten Con-
stantinopolis und Siscia geschlagen worden zu sein, welche dem damaligen Aufenthalte des Kaisers am
nächsten lagen. Er war Ende December 35o in Naissus2 und dürfte von dort nach Vetranio's Resignation
vorgerückt sein, um Sirmium oder Siscia, die wichtigsten Punkte der Savelinie, zugleich die Schlüssel zur
Behauptung von Illyricum, zu besetzen; sie bilden fortan die Basis seiner Unternehmungen in dem fol-
genden Kriege, der vorläufig in der Schlacht bei Mursa Ende September 351 mit der Niederlage des
Magnentius endete. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Proclamation des neuen Caesar in Sirmium oder
Siscia stattfand, und können dann mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit die in Siscia geprägten Silber-
medaillons als die ersten auf dieses Ereigniss anspielenden betrachtet werden.3
339. DN FL CL CONSTANTIVS NOB CAES. Brustbild von rechts, ohne Diadem und Kranz, im Mantel,
darunter auf der rechten Achsel die Panzerklappen.
Rev. VICTOR I A ROMANORVM. Schreitende Vic-
toria von links, im langen Chiton, in der erhobenen
Rechten einen Kranz mit Bändern, in der Linken einen
Palmenzweig, vor ihr am Boden ein Gefangener, von
vorne; zu ihr emporsehend ist er in das linke Knie ge-
sunken, die Hände sind auf den Rücken gebunden.
Perlenrand auf beiden Seiten durch das Aufhäm-
mern des Randes zerstört. Röthliche Bronze, jetzt 32 Mm.
Durchmesser, 3 bis 3-5 Mm. dick, 19-4 Gr.
Aus der Sammlung Tiepolo. Mus. Theupoli ant. num., P. II, p. 822. — Arneth, Synopsis,
p. 202, Nr. 7.
Cohen, VI, 3o6, Nr. 184 fälschlich ohne Vorderseite und unter Constantius II. eingetragen. Im Katalog
der Sammlung Tiepolo ist unser Stück richtig beschrieben, aber unrichtig dem Kaiser Constantius II.
zugetheilt. In der That gehört es zu Cohen, VI, p. 35o, Nr. 23.
1 Dieselben sind zusammengestellt in der Numismatischen Zeitschrift, XII (1880), S. 79.
2 V.Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung, III, 262, Note.
3 Es fehlen zu den grossen Silberstücken, die aus diesem Anlasse geschlagen worden sein mögen, die Gegenstücke
gleicher Münzstätten. Von den beiden des Constantius II. ist das eine ohne Zeichen der Münzstätte, das andere von Siscia. Von
Gallus sind, wie schon bemerkt, jene aus Constantinopel, Aquileia und Lugdunum bekannt. Man kann diese Erscheinung sehr
wohl daraus erklären, dass die Exemplare des Augustus der einen, jene des Caesar einer andern Münzstätte zu prägen auf-
getragen wurden; doch ist nicht ausgeschlossen, dass in den einzelnen Münzstätten beide Gepräge gearbeitet wurden und
zufällig bisher nur jene bekannt wurden oder erhalten geblieben sind, welche aus den eben genannten Münzstätten stammen.