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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 11.1890

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Chmelarz, Eduard: König René der Gute und die Handschrift seines Romanes "Cuer d'amour espris" in der k. k. Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5770#0170
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König Rene der Gute. l3Q

Exemplar. Die Schrift in unserem Codex stammt gewiss auch noch aus der zweiten Hälfte des XV. Jahr-
hunderts und nur die Miniaturen zeigen, wenn die Abbildungen nach dem Pariser Codex bei Quatrebarbes
halbwegs getreu sind, einige Unterschiede gegen letztere. In beiden Exemplaren halten sich die Darstellungen
an den Wortlaut des Textes, noch ängstlicher jedoch die Pariser Miniaturen, welche auch darin von dem
Wiener Exemplare verschieden sind, dass dort auf einem Bilde zumeist mehrere Scenen vereinigt werden.
Man sieht im Vordergrunde die Hauptgruppe und im Hintergrunde zumeist die unmittelbar vorhergehende
oder nachfolgende Scene, meistens z.B. den Cuer mit seinen Genossen herzu- oder bereits wieder fort-
reitend. Auf Nr. 15 ist bei Quatrebarbes im Hintergrunde links die Zufahrt zu der Insel der freundlichen
Fischerinnen, im Vordergrunde die Landung und Begrüssung und im Hintergrunde rechts das Abendessen
in deren Hütte dargestellt. Diese Vereinigung mehrerer Scenen in einem Bilde ist naiver und entspricht
mehr der Erzählungslust und Genauigkeit der älteren Illustratoren, während der Meister unserer Miniaturen
hierin bereits ein gewisses künstlerisches Masshalten, also einen Fortschritt bekundet, welcher uns be-
stimmen kann, die Entstehungszeit unseres Codex etwa um 1475—1480 anzusetzen, das hcisst also
um ein Vierteljahrhundert nach Vollendung von Renes Werk, welches 1457 datirt und wahrscheinlich in
dem ersten Pariser Exemplare im Originale erhalten ist. Auf jene Zeit, das dritte Viertel des XV. Jahr-
hunderts verweist uns auch das Costüm der Figuren und speciell der Turnirhelm Cuer's, welcher noch
nicht die Formen des vollendeten Ritterhelmes aus Maximilianischer Periode aufweist; auch zeigen die
Randverzierungen des Wiener Exemplares dieselben Motive wie die Bilder zu Renes Dichtung: »L'abuse
en court«, welche 1473 entstand (Vergl. Quatrebarbes, vol. IV).

In die Hofbibliothek gelangte unser Codex aus dem Besitze des Prinzen Eugen, ohne jedoch den
Einband in rothem Leder mit seinem Wappen aufzuweisen, mit welchem dieser kunstsinnige Fürst die
Bücher seiner Bibliothek und die Sammelbände seiner Kupferstiche zu zieren liebte, damit Inhalt und
Fassung seiner Kunst- und literarischen Schätze gleichwerthig seien. Vielmehr ist das kostbare Manuscript
in hellbraunem Chagrinleder mit Spitzenornament in Silberdruck an den Ecken und Seiten gebunden und
enthält in der Mitte der Vorder- und der Rückseite in einem Zierschildc ein doppeltes ineinandergeschlun-
genes C. Diese Zierform der beiden Buchstaben kommt in den Bibliothekszeichen und Ex-libris gar häufig
vor, z.B. bei Catherine de Medicis, Karl IX. von Frankreich, Karl XII. von Schweden; uns zunächst ist
es das Namenszeichen Kaisers Karl VI. Diese Vieldeutigkeit würde also die Bestimmung der Herkunft
unseres Bandes erschweren, wenn uns nicht die Ornamentform einen Behelf zur Zeitangabe liefern würde.
Nun entspricht aber der Stilcharakter des Zierschildes vollständig dem Ende des XVII. oder dem allerersten
Anfange des XVIII. Jahrhunderts und, da auch Charles de Lorraine obige Namenschiffre liebte, so ist die
Vermuthung naheliegend, dass Prinz Eugen unseren Codex von seinem Ruhmesgenossen im Kampfe gegen
die Türken, von dem 1690 in Wels verstorbenen Herzoge Karl von Lothringen oder aus dessen Nachlass
erworben habe.

König Rene I. und dessen erste Gemahlin Isabella von Lothringen.
 
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