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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 11.1890

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II. Theil: Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haussammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses
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Crooke y Navarrot, Juan; Beer, Rudolf: Bilderinventar der Waffen, Rüstungen, Gewänder und Standarten Karl V. in der Armeria Real zu Madrid, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5770#0598
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Bilderinventar der Waffen, Rüstungen, Gewänder und Standarten Karl V. in der Armeria Real zu Madrid.

CCXLII1

Den besten Beweis endlich dafür, dass die Vor-
liebe Karls für Waffen allseitig bekannt sein musste,
liefert der Umstand, dass dessen eigener Bruder Ferdi-
nand und die italienischen Fürsten, in deren Landen
diese Kunst blühte, kein anderes Mittel wählten, um
sich in den Augen des mächtigsten Monarchen Europas
beliebt zu machen, als die Widmung überaus prächtiger
Rüstungen; ^u diesen gehört das von Caremolo Modrone
gefertigte Meisterstück der Damascirungskunst, das vom
Herzog von Mantua stammt, sowie die von Bartolomeo
Campi in reicher Relief- und Sculpturarbeit hergestellte
Rüstung, welche der Herzog von Urbino dem Kaiser
Zum Geschenke machte.

Dieser Vereinigung von Umständen verdankt unseres
Ermessens die Armeria Karl V. ihre Entstehung.

Eingehende Beschäftigung mit dieser Sammlung
hat gelehrt, dass sie sich aus Waffen und Gewändern
für den persönlichen Gebrauch des Kaisers zusammen-
setzte, also aus solchen Stücken, welche er von seiner
Jugendzeit bis zu seiner Abdankung sowohl bei Stechen
und bei Turnieren als auch im Felde benützte und mit-
führte. Eine Ausnahme machen nur einige Harnische
und einzelne Stücke, deren Form und Charakter auf
ältere Zeiten hinweisen und die vielleicht Erbstücke
seiner Ahnen bildeten.

Es steht nach dem Zeugniss von Documenten des
Generalarchivs zu Simancas fest, dass schon im Jahre
i540 zu Valladolid, der damaligen Hauptstadt der
Monarchie, eine Abtheilung, Armeria genannt, bestand,
welche kurze Zeit darauf bereits der junge Prinz Philipp
Zur Abhaltung der von ihm so gepflegten Sonderstechen
benützte.

Die Eigenart der in jenem Centrum aufbewahrten
Gegenstände, die sich aus einer grossen Zahl von Pan-
oplien (Garnituren) zusammensetzten, welche in ihren
vielerlei Stücken und Theilen gleiche Benennung erfuhren,
verlangte behufs strenger Sonderung und Registrirung
ein verlässlicheres und handlicheres Hilfsmittel als ein
kahles beschreibendes Verzeichniss. Daher kam man
auf den Gedanken, ein illustrirtes, in Aquarell gemaltes
Inventar herzustellen, in welchem sämmtliche dem Ober-
waffenmeister anvertrauten Gegenstände mit bemerkens-
werther Treue und Genauigkeit zur Abbildung gelangten.
Ein Exemplar desselben verblieb in den Händen des ge-
nannten Functionärs, während ein zweites dem Oberst-
stallmeister eingehändigt wurde, auf Grund dessen er
die Verantwortlichkeit für die Bewachung und Conser-
virung der Armeria zu übernehmen hatte.

Glücklicherweise haben sich beide Exemplare bis
auf den heutigen Tag erhalten, wenngleich einige Ver-
stümmelungen und Beschädigungen zu beklagen sind.
Die beiden Bände, welche einen integrirenden Bestand-
theil der jetzigen Armeria bilden, enthalten je ißO
Folioblätter dicken Papiers ohne Foliirung und ohne
irgend einen beschreibenden Text; eine Ausnahme
machen nur kurze französische Noten, wie: tout cecy est
ä la court, perdus, Flandres, donne ä monsieur de
Rye ä Valladolid und in spanischer Sprache: viejo, que
vino de Flandes.

Diese Anmerkungen beweisen, dass die Armeria
einen festen Aufbewahrungsort hatte, welchem die Har-
nische, die der Kaiser gelegentlich brauchte, entnom-
men wurden, und dass diejenigen Stücke, welche ver-

loren gegangen waren, einfach gestrichen wurden, wie
dies nach dem unglücklichen Zuge gegen Algier der
Fall war.

Auf den Tafeln, welche Schwerter, Lanzen, Piken
und Partisanen, überhaupt Objecte vorführen, bei deren
Aehnlichkeit die Feststellung der Stückzahl von Wich-
tigkeit war, wird dieselbe durch eine zur Seite der Zeich-
nung angebrachte römische Ziffer angezeigt.

Viele Tafeln tragen auf dem oberen Rande eine
Zahl, bezeichnend eine Summe von Ducaten, und einen
spanischen Satz, welche Vermerke sich auf die von den
Testamentsvollstreckern des verstorbenen Kaisers im
Jahre 1S60 vorgenommenen Schätzungen beziehen.

Der Mangel eines descriptiven Textes war der
Grund, dass sowohl in dem Katalog vom Jahre 184g
und seinen folgenden Ausgaben wie auch in dem Werke
■»La Armeria Real de Madrid«, von Send und Jubinal
mit Rücksicht auf die Sammlung Karl V. verschiedene
leicht verzeihliche Irrthümer unterliefen. Wir selbst sind
so glücklich, ein in Simancas aufgefundenes Document
veröffentlichen zu können, welches diese Lücke in
wünschenswerthester Weise ausfüllt, und über dessen
Ursprung und Alter hier einige Worte nachfolgen
mögen.

Aus Anlass des Ablebens des Petit Jean Brune,
des mit der Obhut der Waffen und übrigen Objecte aus
dem Besitze des Kaisers betrauten Waffenmeisters, er-
liess Philipp II. am 22. November i56o ein Handschrei-
ben mit der Verfügung, dass die Testamentsvollstrecker
des erwähnten Brune Alles, was sich unter Verwahrung
des Verstorbenen befunden habe, an Juan de Ortega,
Schatzmeister des Königs, übergeben sollten. Dieser
bewerkstelligte nun unter Assistenz ^er Zuständigen rich-
terlichen Amtspersonen bei der Maria Escolastes, der
Witwe und Testamentsvollstreckerin des Brune, die
Uebernahme der Armeria, welcher Act in Gegenwart des
Notars unter Ausfertigung eines Berichtes vollzogen
wurde, in welchem Stück für Stück alle Waffen, Rüstun-
gen und übrigen damals in San Pablo zu Valladolid
vorhanden gewesenen Objecte aufgezählt wurden. Als
Grundlage benützte man ein libro inventario, welches
bereits im Jahre t556 bei der Uebergabe an denWaffen-
meister Brune zur Verwendung gekommen war.

Hier sind wir nun an dem Punkte angelangt, wo
beide Documente, die sich gegenseitig erläutern und ver-
vollständigen, zusammentreffen. Die von uns durch län-
gere Zeit angestellte sorgsame Vergleichung beider, das
heisst des notariellen Berichtes von Valladolid aus dem
Jahre i56o mit dem figuralen Inventar, dessen Ent-
stehungsjahr sich nicht genau feststellen lässt, aber zwei-
fellos viel früher anzusetzen ist, hat zwar keine absolute
Uebereinstimmungergeben — vielleicht, weil beide Docu-
mente unvollständig sind, vielleicht weil zur ^eii der
Stechen des Prinzen Philipp einige Rüstungen zu Grunde
gingen oder ihren Aufbewahrungsort wechselten; wohl
aber ist der Einklang in allem Wichtigen und Inter-
essanten ganz unverkennbar und in ihrer Vereinigung
geben sie über den Ursprung vieler Harnische Auf schluss
und verbreiten über die Existenz höchst werthvoller, bis
jetzt unbekannter Stücke unverhoffte Klarheit.

Ohne den Bericht von Valladolid sammt dem figu-
ralen Inventar wüssten wir in der heutigen Armeria
weder den Harnisch zu bestimmen, welchen der Kaiser

ff*
 
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