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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 14.1893

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I. Theil: Abhandlungen
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Chmelarz, Eduard: Eine französische Bilderhandschrift von Boccaccio's Theseide
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https://doi.org/10.11588/diglit.5885#0349
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Eduard Chmelarz.

Göttern: Arcitas erhält im Marstempel von dem Kriegsgotte ein Zeichen der Gewährung seiner Bitte
um Sieg; dem Palemon, welcher, unbekümmert um Sieg oder Niederlage, an Venus einzig die Bitte um
den Besitz der geliebten Emilia richtet, wird von der Huldgöttin gleichfalls Gewährung zugesagt; und
Emilia selber fleht zur keuschen Diana für ihre beiden Verehrer zugleich, da sie selbst eigentlich nicht
weiss, für welchen sie beten soll; denn beide erscheinen ihr in gleicherweise liebenswerth.1 Lange vor
der festgesetzten Stunde füllen die athenischen Bürger mit ihren Frauen im Festgewande den weiten
Theaterbau mit seinen himmelhoch geführten Stufensitzen aus Marmor, Alle die Königin Hippolyta
und deren liebreizende Schwester Emilia bewundernd.

VIII. Buch. Das Kampfspiel nimmt allerdings bald einen minder harmlosen Charakter an, als
ihn Theseus angeordnet hatte, und die Gegner hauen wüthend einander auf die Köpfe, dass ihrer viele
getödtet in den Sand stürzen. Arcitas, trotz seiner Heldenhaftigkeit todmüde, muss sich durch einen
Blick auf die Geliebte zu neuem Kampfe stärken; aber Palemon steht ihm in keiner Hinsicht nach und
Emilia wechselt vor Aufregung beständig die Farbe. Sie betet jetzt zu Amor, ihre Schönheit beklagend,
um deretwillen sie so viel Blut fliessen sieht und voraussichtlich von vielen Vätern und Müttern, Schwe-
stern, Brüdern und Freunden verwünscht werden wird. Hätte doch lieber Theseus ihre beiden Ver-
ehrer ihr Duell im Walde ausfechten lassen! Die Zahl der Kämpfer verringert sich immer mehr und
es ist höchste Zeit, dass Mars von seinem hohen Sitze unter der Gestalt des Theseus den Arcitas zu
neuer Kampfeswuth aufstachelt. Endlich wird Palemon von Strimon, dem fleischfressenden Pferde des
Korinthiers Cromis, in den Arm gebissen, zu Boden gerissen und von Arcitas entwaffnet. Daraufhin
entdeckt Emilia sofort, dass ihr Herz dem Sieger zufliege.

IX. Buch. Mars und Venus hatten vom Olymp den Verlauf des Kampfes aufmerksam beobachtet
und der Kriegsgott wird nun von der Liebesgöttin überredet, dass er .mit dem unbestrittenen Siege des
Arcitas seine Zusage an denselben erfüllt habe und ihr jetzt freie Hand lassen könne, ihr Versprechen
an Palemon einzuhalten. Sodann lässt die schlaue Venus durch eine Furie in Drachengestalt mit
flammenspeiendem Rachen das Ross des Arcitas derart erschrecken, dass es sich hoch aufbäumt, über-
schlägt und mit seinem Gewichte seinen Reiter fast zermalmt. Nachdem sich derselbe einigermassen
erholt hat, wird er und zu seiner Tröstung Emilia ihm zur Seite auf einem Triumphwagen in die
Stadt geführt, gefolgt von den entwaffneten Helden der Gegenpartei, darunter Palemon, über dessen
Freiheit oder Knechtschaft Emilia entscheiden soll. Letztere schenkt ihm die Freiheit, reiche Waffen
und einen Ring zum Andenken, ihn auf die vielen schönen Frauen in anderen griechischen Städten
verweisend, worauf jedoch Palemon mit der Versicherung unwandelbarer Ergebenheit für sie als seine
einzige und ewige Liebe erwidert. Arcitas wird von Hippolyta und seiner Braut auf das sorgfältigste
gepflegt; es wird auch die Verlobung durch Theseus feierlich ausgesprochen, die Vermählung jedoch
bis zur völligen Genesung des Arcitas verschoben.

X. Buch. Die im Kampfspiele Getödteten werden im Beisein des Theseus und der übrig ge-
bliebenen Helden feierlich verbrannt und ihre Asche in Urnen gesammelt. Die Verwundeten und
Zerschlagenen sind bald wieder hergestellt; nur Arcitas kann nicht mehr gesunden. Er ist sich dessen
selbst bewusst und fängt an, vom Leben und seinen Lieben Abschied zu nehmen, zuerst von Theseus,
sodann von Palemon, dem er all seine Habe vermacht und den er bittet, an seiner Statt die auch von
ihm so treu und heiss geliebte Emilia zu heiraten, von der er selbst auf Ehrenwort nur einige Küsse
und sonst nichts bekommen; dafür solle ihm Palemon als alter Freund und einziger Verwandter nach
dem Tode Augen und Mund schliessen. Vergebens suchen Hippolyta und Emilia den Sterbenden
aufzuheitern, der auch von seiner Braut rührenden Abschied nimmt. Mit Augen gleich einem Thränen-
quell erklärt Emilia, ohne Arcitas nicht leben zu können oder eine Priesterin der Diana werden zu
wollen, da ihre Schönheit so viel Unheil angerichtet habe. Vorher war nämlich der ihr zuerst von
Theseus bestimmte Bräutigam gestorben und nun soll ihr wieder Arcitas entrissen werden. Sie legt

' Die Beschreibung der Residenzen der drei Gottheiten mit ihrer symbolischen Zier und ihren allegorischen Gestalten
erscheint als Muster für die typischen Schilderungen solcher Götterburgen in den späteren mittelalterlichen Ritterromanen.
 
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