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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

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Abhandlungen
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Dörnhöffer, Friedrich: Ein Cyklus von Federzeichnungen mit Darstellungen von Kriegen und Jagden Maximilians I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0010
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Ein Cyklus von Federzeichnungen mit Darstellungen von Kriegen und Jagden Maximilians I.

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den graziösen Wolkenzügen oder er wagt es, die Sonne selber darzustellen, wie sie prachtvoll aufsteigt,
wie sie im Mittag steht und wie sie untergehend ihre radialen Dunststrahlen über das Firmament
sendet.

Die Figuren sind durchwegs kräftig und untersetzt, von muskulösem Gliederbau, der in den
Proportionen nicht immer ganz correct ist. Während die Gestalten des Vordergrundes oft allzu
gedrungen sind, gerathen die im Mittel- und Hintergrund Befindlichen bisweilen zu gestreckt. Bei den
durchgeführten Figuren sind besonders charakteristisch die starken Beine, namentlich die dicken Ober-
schenkel. Nie ist es vergessen, die Muskeln und Knöchel daran genau anzugeben. Das Individuelle
liegt in der Bewegung der Figuren, die fast immer glücklich lebendig, klar und geschlossen ist. Die
Gesichter sind ziemlich typisch und unter sich gleichbleibend. Charakteristisch ist das tiefliegende
Auge, von dessen äusserem Winkel sich häufig eine Linie gegen die Nase hinzieht, welche den Thränen-
sack, resp. den oberen Rand des Jochbeins angibt. Bei der Profilansicht schwingt sich öfters die Linie
der Brauen parallel zum oberen Augenrand hoch empor. An der Nase ist Rücken und Flügel meist in
Einem Zuge gezeichnet. Der Mund, mehr oder weniger offen, ist stets in den Winkeln nach abwärts
gezogen. Haupthaar und Barte sind ganz charakteristisch nur in Umrisslinien gegeben, welche in der
Regel gewellt sind, bisweilen an den Enden in einzelne Strähne auslaufend, oft einer Perrücke gleichend
(wie auch Burgkmair zeichnet), bisweilen aber nicht anders, als wenn der Haaransatz ringsum mit
einem breiten Striche auf den nackten Schädel aufgemalt wäre (vgl. auf Taf. II die Figur ganz im
Vordergrund u. a.). Die Hände, in der Bewegung sprechend, sind wenig genau durchgebildet; auf-
fallend ist die zittrige, unbestimmte Zeichnung der Finger.

In den Gewändern zeigt sich reiche Mannigfaltigkeit und Buntheit, worin die Maler dieser Zeit
an Erfindungskraft möglicherweise noch die Schneider übertrafen. Auf die sachlichen Details der
Gewandung und Bewaffnung, die streng der Maximilianeischen Periode entsprechen, wird später zu
kommen sein. An der Zeichnung der Falten fällt auf die wirr zerknitterte Brechung im Ellenbogen
(z. B. Taf. XII), welche in einem gewissen Contrast zu der leichten und prägnanten Art steht, mit der
sonst die complicirten Gewandungen gegeben sind. Virtuos ist es geradezu zu nennen, wie der Zeich-
ner die gewaltigen Fahnentücher im Winde wehen, sich ballen und verschlingen lässt, die schwierig-
sten Faltenlagen beherrschend und stets eine gute decorative Wirkung erzielend.

Nicht minder zeugt auch die Architektur auf den Zeichnungen von der leichten Erfindungs-
gabe des Künstlers. Er versteht es, die Illusion weit ausgebreiteter giebelreicher Städte zu erregen; er
stellt uns malerisches Mauerwerk, vieleckige Befestigungsthürme, geschmückt mit Erkern und vor-
kragenden Holzumgängen, zinnengekrönte Rundthürme, das Durcheinander von Dächern und hohen
Treppengiebeln, mächtige Kathedralen und phantasievoll combinirte Schlossbauten vor Augen, von
denen wenigstens einer (Kufstein) eine bestimmbar individuelle Porträtähnlichkeit besitzt.

Von den Thiergestalten, welche auf den Blättern vorkommen, sind die Pferde der Kriegsbilder
fast völlig in Panzern versteckt; an den allein sichtbaren Beinen ist die sichere Muskel- und Knöchel-
angabe bemerkenswerth. Das ungepanzerte Pferd auf der Reiherjagd (Taf. XVIII) ist gut gezeichnet,
charakteristisch durch das grosse Auge mit dem gewölbten Knochen darüber. Auf den Darstellungen
der Jagden treten die Thiere in den Vordergrund und sind in der Regel ganz besonders gut gezeichnet.
So der im Vordergrunde hingestreckte, keuchende Hund auf der Hirschjagd (Taf. XV), die ganze
Gruppe des Ebers mit den sich in ihn einbeissenden Hunden auf der Eberjagd (Taf. XVI), die über
den Bären herfallende Meute (Taf. XVII); von feiner Naturbeobachtung zeugt namentlich die Reiher-
beize (Taf. XVIII), die alle Stadien der Reiher- und Entenjagd anschaulich wiedergibt, den mit aus-
gebreiteten Flügeln auffahrenden, den wie ein Pfeil auf den Gegner losgehenden, kopfüber nieder-
stossenden Falken, dann endlich den Sieger auf dem todten Reiher, von dem ihn der Jäger loszu-
machen sich bemüht.

Im Ganzen betrachtet, ist der Zeichner ein Künstler von bedeutender Erfindungskraft und ganz
hervorragendem Können. Mit Sicherheit wirft er seine mannigfaltige, jedoch klargedachte Composition
aufs Papier; fast nirgends gibt es Unbestimmtes, nicht deutlich Erschautes. Mit feinfühliger, leben-
 
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