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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die ältesten Medaillen und die Antike
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https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0093
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Die ältesten Medaillen und die Antike. 67

(italienisch in dem Periodico di numismatica e sfragistica per la storia d'Italia, dir. da C. Strozzi, Firenze
1868), dann wiederholt in einem Nachtrage zu seinen »Italienischen Schaumünzen« unter dem Titel:
Die geprägten italienischen Medaillen des fünfzehnten Jahrhunderts, i3go bis 1490, Berlin i883 (mit
einer Kupfertafel). Gleichwohl fand er wenig Anklang. Die Numismatiker verhielten sich zurück-
haltend. Die Kunsthistoriker haben überhaupt bis jetzt, wie auf diesem Gebiete so häufig, kaum
Notiz davon genommen. Die volle Renaissance der antikisirenden Köpfe mmitten der gothischen
Umschrift war etwas zu Singuläres; zudem wusste man, dass eine Serie restituirter Medaillen auf die
Carrara1 existirte, die die Familie Papafava von Padua, eine Seitenlinie der Carrara, im XVI. Jahrhun-
dert hatte anfertigen lassen.2 So hat denn auch Armand in seinem grossen Katalog der italienischen
Medaillen3 die Aufstellungen Friedländer's in Zweifel gezogen und noch früher Bolzenthal in seinen
»Skizzen zur Kunstgeschichte der modernen Medaillenarbeit»4 sie für restituirte Medaillen desXVI. Jahr-
hunderts erklärt.

Die Ansicht Friedländer's und der älteren Numismatiker erhielt eine glänzende urkundliche Be-
stätigung durch eine Publication Guiffrey's.5 In dem ältesten der reichhaltigen Inventare, die Jean
Herzog von Berry, der bekannte Kunstfreund, 1401 von seinem reichen Besitze aufnehmen liess, —
eine wahre Fundgrube für die Kunstgeschichte — findet sich unter Nr. 287 die nachfolgende wichtige
Notiz: Item une empraincte de plont, oü est le visaige de Francois de Carrare en un coste, et en
l'autre la marque de Pade.6 (Item ein Bleiabschlag, wo auf der einen Seite der Kopf des Franz von
Carrara ist und auf der andern das Zeichen von Padua.)

Die Fassung der Inventarnotiz lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass Berry schon vor 1401
eine der beiden Medaillen der Carrara besessen hat; welche, ist allerdings fraglich. Merkwürdig und
ganz dem Geiste des fürstlichen Sammlers, des ersten modernen Kunstfreundes in grossem Stile, ent-
sprechend ist die Thatsache, dass er einen Bleiabschlag des Stückes besass; es scheint also das for-
male und historische Interesse für ihn massgebend gewesen zu sein; das Stück ist denn auch im In-
ventar von 1413 nur unter den »parties ... de nulle ou petite valeur« aufgeführt. Wir wissen aus
einer Aeusserung Fazio's, dass Pisanello auch in Blei gegossen hat. In der That befinden sich in
der so höchst werthvollen Friedländer'schen Sammlung im Berliner Medaillencabinet einige Ausgüsse
in Blei, mit grösster Feinheit ciselirt, — wie Friedländer glaubt, von Pisanello's eigener Hand — um
als Modell für die Bronzegüsse zu dienen.7 Solche Bleiabschläge waren schon im XV. Jahrhunderte
wegen ihrer Schärfe und Schönheit von den Liebhabern gesucht; der Herzog von Berry geht auch
darin, wie wir gesehen haben, voran.

Durch jene interessante Inventarnotiz sind wir nunmehr im Stande, die Medaillen genau zu datiren.
Sie müssen im letzten Decennium des XIV. Jahrhunderts, nach i3go und vor 1401, entstanden sein.

Es ist dies eine kunstgeschichtlich so merkwürdige Thatsache, dass man die Zweifel an der Echt-
heit, wie sie vor der Publication Guiffrey's vielfach ausgesprochen wurden, begreift. Denn die beiden
Stücke sind die ältesten Zeugen einer mit völliger Freiheit und feinstem Verständniss unternommenen
Wiederbelebung der Antike.

Vor Allem sind sie, worauf auch Friedländer nicht nachdrücklich genug hingewiesen hat, schon
äusserlich Nachahmungen der Sesterzen der ersten römischen Kaiserzeit, mit denen sie in der Grösse

1 Jedoch von viel grösserem Durchmesser (70 Mm.).

2 Vgl. über diese Morsolin, Medaglia in onore di Marsiglio da Carrara, Rivista italiana di numismatica, Milano
l895> 475-

3 Les medailleurs italiens des XVe et XVP siecles, 2. edition, Paris 1883, II, 17, nr. 3o, 3i.

4 Berlin 1840, p. 33 ff.

5 Les medailles des Carrare, seigneurs des Padoue, executees vers 1390 (mit einer Tafel). Revue numismatique,
Paris 1891, III. Sene, vol. 9, 17 ff.

6 Inventaires de Jean Duc de Berry, ed. Jules Guiffrey, Paris 1894—1896, vol. II, 41 (gleichlautend in das Inventar
von 1413 = Guiffrey vol. I, i;3, aufgenommen).

7 Friedländer, Die ital. Schaumünzen, p. 4.

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