Die ältesten Medaillen und die Antike.
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hist. des monnaies frappees sous l'empire romain I, 320, Nr. 8; s. Fig. 3) copirt; der Stempelschneider hat
sogar die sonst verwendete gothische Majuskel durch die lateinische Capitalschrift ersetzt. Dass den Sesto
nicht blos römische sondern auch griechische Münzen als Vorbilder gedient haben, beweist der
Avers der Medaille des Alessandro: in dem dürftigen Profile kann ich zwar nicht, wie Mader und nach
ihm Friedländer, den Kopf Alexanders des Grossen entdecken; viel eher wird man an die Münzen der
syrischen Seleukiden erinnert, besonders an die Tetradrachmen Antiochos des V. Eupator (Fig. 4).
Auch in der Deutung der Rückseite kann ich den beiden obenerwähnten Numismatikern nicht zustimmen,
die darin die Errettung der Andromeda durch Perseus sehen wollen. Der Drache allein kann für die
Erklärung nicht massgebend sein, da die ganze Auffassung dieser widerspricht. Der nackte Mann trägt
die offenbar geraubte Frau dem Drachen entgegen, der begierig seinen Rachen nach ihr aufsperrt und
die Tatze hebt. Ich glaube in dieser merkwürdigen Scene vielmehr die freie Umbildung einer be-
kannten Darstellung der Antike, des Raubes der Proserpina durch Pluto, zu erkennen; das Viergespann,
das dort allerdings niemals fehlt, ist hier weggelassen; aber die Nacktheit des göttlichen Räubers, die
Fig. 3. Kupfermünze Fig. 4. Tetradrachme An-
des Galba. tiochos des V. von Syrien. von Hyrkania.
Geberde der verzweifelnden Kora finden sich auf den antiken Darstellungen wieder. Auch der Drache
scheint von der Schlange oder dem dreiköpfigen Cerberus, der auf kleinasiatischen Münzen der Kaiser-
zeit1 und auf römischen Sarkophagen2 unter den Rossen des Hades erscheint, herzukommen (Fig. 5);
doch spielt hier, wie ich glaube, die mittelalterliche Vorstellung des Höllenrachens wundersam in die
des antiken Hades hinein. Solcher Vermischung antiker und mittelalterlicher Anschauungsweise be-
gegnen wir denn auch auf anderen Stücken, die mit der Thätigkeit der Sesto in engstem Zusammen-
hange zu stehen scheinen.
Es ist dies eine Reihe geprägter, münzenartiger Marken, deren Bestimmung zweifelhaft ist.3 Sie
finden sich nicht selten in den Sammlungen; die reichste und interessanteste Collection befindet sich
wohl in der Raccolta Bottacin des Museo Civico zu Padua.4 Friedländer hat bereits auf diese Stücke
hingewiesen und Neumann5 eine Anzahl verzeichnet. Der Marcuslöwe, den einige von ihnen auf der
Vorderseite tragen, verweist sie nach Venedig. Der mannigfache Wechsel in den Darstellungen ihrer
Averse und Rückseiten zeigt wohl ihre Zusammengehörigkeit an.
Ich gebe ein kurzes Verzeichniss der hiehergehörigen, mir bekannten Stücke, nach Typen ge-
ordnet. Die Stücke sind durchwegs geprägt, in Bronze (Durchmesser ca. 22 Mm.).
1 z. B. auf den Medaillen des Commodus von Hyrkania in Lydien, Mionnet, Descr. des medailles antiques IV, 62,
Nr. 33o (Exemplar in Wien).
2 In Wien (aus Catajo), abgebildet bei Baumeister, Denkmäler des classischen Alterthums I, 421.
3 Vgl. darüber Verci bei Zanetti, a.a.O., III, 425 ff.; ihre Verwendung als Rechenpfennige (jetons) ist nach dem
Nachweise in Nagl's ausgezeichneter Abhandlung über die Rechenpfennige und die operative Arithmetik (Numismatische
Zeitschrift 1887, p. 347) ausgeschlossen. Das schnell und gern rechnende italienische Volk hat immer diese Krücke ver-
schmäht. Auch die sogenannten Spielmarken sind viel jünger.
4 Herrn L. Rizzoli, Conservator dieser Sammlung, bin ich herzlichsten Dank für vielfache Förderung und Uebersendung
von Abdrücken schuldig.
5 Verzeichniss der bekanntesten Kupfermünzen, Prag 1858, I, 59; V, 82 ff.; VI, Nachtrag, S. 18.
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hist. des monnaies frappees sous l'empire romain I, 320, Nr. 8; s. Fig. 3) copirt; der Stempelschneider hat
sogar die sonst verwendete gothische Majuskel durch die lateinische Capitalschrift ersetzt. Dass den Sesto
nicht blos römische sondern auch griechische Münzen als Vorbilder gedient haben, beweist der
Avers der Medaille des Alessandro: in dem dürftigen Profile kann ich zwar nicht, wie Mader und nach
ihm Friedländer, den Kopf Alexanders des Grossen entdecken; viel eher wird man an die Münzen der
syrischen Seleukiden erinnert, besonders an die Tetradrachmen Antiochos des V. Eupator (Fig. 4).
Auch in der Deutung der Rückseite kann ich den beiden obenerwähnten Numismatikern nicht zustimmen,
die darin die Errettung der Andromeda durch Perseus sehen wollen. Der Drache allein kann für die
Erklärung nicht massgebend sein, da die ganze Auffassung dieser widerspricht. Der nackte Mann trägt
die offenbar geraubte Frau dem Drachen entgegen, der begierig seinen Rachen nach ihr aufsperrt und
die Tatze hebt. Ich glaube in dieser merkwürdigen Scene vielmehr die freie Umbildung einer be-
kannten Darstellung der Antike, des Raubes der Proserpina durch Pluto, zu erkennen; das Viergespann,
das dort allerdings niemals fehlt, ist hier weggelassen; aber die Nacktheit des göttlichen Räubers, die
Fig. 3. Kupfermünze Fig. 4. Tetradrachme An-
des Galba. tiochos des V. von Syrien. von Hyrkania.
Geberde der verzweifelnden Kora finden sich auf den antiken Darstellungen wieder. Auch der Drache
scheint von der Schlange oder dem dreiköpfigen Cerberus, der auf kleinasiatischen Münzen der Kaiser-
zeit1 und auf römischen Sarkophagen2 unter den Rossen des Hades erscheint, herzukommen (Fig. 5);
doch spielt hier, wie ich glaube, die mittelalterliche Vorstellung des Höllenrachens wundersam in die
des antiken Hades hinein. Solcher Vermischung antiker und mittelalterlicher Anschauungsweise be-
gegnen wir denn auch auf anderen Stücken, die mit der Thätigkeit der Sesto in engstem Zusammen-
hange zu stehen scheinen.
Es ist dies eine Reihe geprägter, münzenartiger Marken, deren Bestimmung zweifelhaft ist.3 Sie
finden sich nicht selten in den Sammlungen; die reichste und interessanteste Collection befindet sich
wohl in der Raccolta Bottacin des Museo Civico zu Padua.4 Friedländer hat bereits auf diese Stücke
hingewiesen und Neumann5 eine Anzahl verzeichnet. Der Marcuslöwe, den einige von ihnen auf der
Vorderseite tragen, verweist sie nach Venedig. Der mannigfache Wechsel in den Darstellungen ihrer
Averse und Rückseiten zeigt wohl ihre Zusammengehörigkeit an.
Ich gebe ein kurzes Verzeichniss der hiehergehörigen, mir bekannten Stücke, nach Typen ge-
ordnet. Die Stücke sind durchwegs geprägt, in Bronze (Durchmesser ca. 22 Mm.).
1 z. B. auf den Medaillen des Commodus von Hyrkania in Lydien, Mionnet, Descr. des medailles antiques IV, 62,
Nr. 33o (Exemplar in Wien).
2 In Wien (aus Catajo), abgebildet bei Baumeister, Denkmäler des classischen Alterthums I, 421.
3 Vgl. darüber Verci bei Zanetti, a.a.O., III, 425 ff.; ihre Verwendung als Rechenpfennige (jetons) ist nach dem
Nachweise in Nagl's ausgezeichneter Abhandlung über die Rechenpfennige und die operative Arithmetik (Numismatische
Zeitschrift 1887, p. 347) ausgeschlossen. Das schnell und gern rechnende italienische Volk hat immer diese Krücke ver-
schmäht. Auch die sogenannten Spielmarken sind viel jünger.
4 Herrn L. Rizzoli, Conservator dieser Sammlung, bin ich herzlichsten Dank für vielfache Förderung und Uebersendung
von Abdrücken schuldig.
5 Verzeichniss der bekanntesten Kupfermünzen, Prag 1858, I, 59; V, 82 ff.; VI, Nachtrag, S. 18.