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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die ältesten Medaillen und die Antike
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https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0111
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Die ältesten Medaillen und die Antike.

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medaille für italienisch erklärt; Guiffrey hält die Constantinmedaille, obwohl ihn die Figur des
Kaisers an französische Siegelbilder erinnert, gleichfalls für italienisch, vielleicht florentinisch, die
Heracliusmedaille aber gar für die Arbeit eines byzantinischen Künstlers. Es ist nicht der Mühe werth,
sich mit der Widerlegung dieser letzteren curiosen Ansicht ernstlich zu beschäftigen; aber der Stil beider
Medaillen stehtauch im schärfsten Gegensatze sowohl zur toscanischen Giotteske, als zum oberitalieni-
schen Stil des ausgehenden Trecento. Vielmehr tragen sie, in aller Schärfe ausgesprochen, das Gepräge
einer andern, der transalpinen Kunst, speciell der flandrisch-burgundischen, die seit der zweiten Hälfte
des XIV. Jahrhunderts die ganze westliche Hälfte Europas bis jenseits des Rheines und über die Pyrenäen
hinweg in ihrem Banne hält; flandrische Künstler sind es, die damals als Maler, Bildhauer, Teppich-
wirker und Goldschmiede an den reichen französischen Hofhaltungen in Paris, Dijon, Bourges und
Angers thätig sind. Die bürgerliche, realistische neue Kunst des vlämischen Volkes ist in der Sonne
der Höfe gross geworden. Die köstlichen Miniaturhandschriften des Herzogs von Berry, die Arbeiten
Claus Sluters und seiner Genossen, Goldschmiedearbeiten wie das berühmte »goldene Rössel« von

Fig. 14. Sockelmedaillons der Certosa von Pavia.
(Photographie von Rossi in Mailand.)

Alt-Oetting — 1404 von Isabeau von Bayern ihrem Gatten Karl VI. zum Geschenke gemacht —
zeigen uns, wie diese französisch-flandrische Kunst am Vorabende des Auftretens der van Eyck be-
schaffen war.

Im Kreise dieser niederländischen Künstler dürfte auch der Urheber unserer Medaillen, wohl ein
Goldschmied, zu suchen sein. Die Formengebung, besonders des nackten Frauenkörpers in seiner
überschlanken Magerkeit, das rundliche Köpfchen eben dieser Personification des Heidenthums, der
Typus des Heraclius mit der langen, geraden Nase und die Form der Hand mit dem übertrieben
schmächtigen Handgelenk, die Figur des Constantin in ihrer eigenthümlichen Gewandung tragen
deutlich die Züge der niederländischen Kunst an sich, wie sie uns noch auf den Gemälden und Stichen
des XV. Jahrhunderts auffallen. Niederländisch ist auch die peinlich genaue Ausführung des Details;
man sehe z. B. die minutiöse Angabe des Zaumzeuges an dem Pferde Constantins. Ueberhaupt ist die
technische Ausführung, namentlich der Constantinmedaille, aller Bewunderung werth; der kräftige und
doch elastische Bau des Pferdekörpers ist mit feinem Verständniss und mit reifem Realismus wieder-
gegeben. Auch die eigenthümliche Allegorie der Rückseite passt vollständig zu dem Geiste dieser
Kunstweise. Jedenfalls bereichern die beiden Medaillen das Bild der niederländischen Kunst vor dem

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