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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

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Ilg, Albert: Mathias Steinle
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https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0138
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I IO

Albert Ilg.

Wenn hier auch die classischen, jedem Laien bekannten Namen der beiden Fischer, Hildebrand, der
Bibiena, Neumann, Dientzenhofer, Carlone, Luragho, Orsi, Allio, Pozzo, Donner, Mattielli etc. etc.
etc. hervorleuchten, so gibt es daneben doch noch ein ganzes Heer von ausgezeichneten Meistern,
welche durchaus nicht immer nur als Elemente zweiten Ranges beurtheilt werden dürfen sondern blos
durch die mannigfachsten Umstände nicht zu gleicher Popularität gelangten. Unser Steinte steht in
seinem, allerdings bescheideneren Fache als Elfenbeinplastiker entschieden so hoch wie die grössten
Architekten obiger Liste in dem ihren, entschieden so hoch wie Daniel Gran, Rottmayr, Peter von
Strudel etc. als Maler, wie Permoser, Mattielli, Paul Strudel u. A. als Bildhauer, — den Alles über-
ragenden, unsterblichen Donner natürlich ausgenommen. Aber auch Steinle ist dabei kein Unicum;
wüssten wir den Namen des Schöpfers der herrlichen, für mich alles in Elfenbeinplastik Bekannte tief
in Schatten stellenden Gruppe von Apoll und Daphne in der hiesigen Sammlung, so müssten wir ihn
noch weit über Steinle setzen, und was der Fälle noch ungezählte sein mögen.

Wir werden in der folgenden Darstellung Steinle als entwerfenden, wennauch nicht ausführen-
den Architekten für Kirchenfacaden, Altäre, Kanzeln, Orgeln, Stuccodecorationen, für grossartige, kost-
spielige Goldschmiede- und Juwelierwerke sowie als Sculptor in dem damals so beliebten edlen Ma-
teriale des Elephantenzahnes begegnen. Der kaiserliche Hof und reiche geistliche Häuser beschäftigten
ihn in dieser vielseitigen Weise durch mehr als vierzig Jahre neben den berühmten Kräften der Fischer,
Hildebrand, Allio etc., die gleichzeitig in den Diensten jener kunstfördernden Factoren standen. Der
Mann kann somit keine unbedeutende Kraft gewesen sein, wenn er auch, wie es den Anschein hat,
neben jenen vornehmen Künstlern zeitlebens keine grosse Rolle spielte. Um die Ursachen anzugeben,
welche eine solche Wahrnehmung erklären könnten, sind uns die persönlichen Verhältnisse aus dem
Künstlerleben jener Tage viel zu dunkel. Haben wir ja von ihnen als Menschen, als Charakteren kaum
eine Vorstellung, einige wenige, wie Permoser, Messerschmidt, etwa ausgenommen, über welche die
Zeitgenossen zur Feder griffen, weil sie wunderliche Sonderlinge waren, deren Narrheiten auch einem
grösseren Kreise bemerkenswerth erschienen. Es steht somit auch Steinle betreffend allen Combina-
tionen das weiteste Feld offen, das wir aber nicht betreten wollen, um nicht einen Künstlerroman zu
schreiben. Vielleicht mögen Intriguen und Neid ihn niedergehalten haben; vielleicht hatten ihm Na-
turell und mangelhafte Jugenderziehung Schwersteine an die Füsse gebunden; möglicherweise drück-
ten ihn die, wie wir sehen werden, nicht unbedeutenden Sorgen seines Familienwesens hinab oder er
vermochte denn doch nicht siegreich zur höchsten Hohe emporzudringen, weil er als Architekt, wie
gleichfalls ersichtlich werden dürfte, auf einer zu jener Zeit schon etwas veralteten Stufe, auf dem Niveau
des schweren, deutschen Barocco, stand, während das Terrain schon den Reformatoren im Sinne des
reineren, grossartigeren und einfacheren Barockstiles eines Fischer oder der leichten Uebergänge zum
beginnenden Rococco eines Hildebrand oder der sinnbestechenden italischen Barockpracht in den De-
corationen der Galli-Bibiena, Burnacini, Beduzzi, Pozzo etc. gehörte.

Leider vermag ich über Steinle's Heimat, Geburtsort und Vorfahren, von der Schule oder einem
Lehrmeister, denen er seinen Unterricht verdankte, nichts anzugeben. Nur vermuthungsweise wage
ich es daher auszusprechen, dass er oder vielleicht schon ein älterer seines Geschlechtes aus Süddeutsch-
land in die Erblande eingewandert sein möchte. Der Name klingt in der Form Steinle schwäbisch
und ich habe einmal in der That die Spur einer süddeutschen Künstlerfamilie gefunden, welche den
Namen führt, die ich jedoch nicht weiter zu verfolgen im Stande bin. So ist denn das Jahr 1676, wie
zu zeigen sein wird, für den 1644 geborenen Meister, sein zweiunddreissigstes Lebensjahr also, das
früheste Datum, welches ich aus der Geschichte seines Wirkens anzuführen weiss. Er tritt bei dieser
Gelegenheit aber schon als entwerfender Zeichner für Architektonisches auf; von seinem eigentlichen
Gewerbe, der »Beinstecherei«, ist dann erst zwölf Jahre später die Rede, da wir ihn dann 1688 bereits
als kaiserlichen Kammer-Beinstecher von dem Oberstkämmereramte angestellt finden. Unter diesem,
und zwar lediglich unter diesem Titel begegnet sein Name dann bis zum Ableben in den damaligen
Staats- und Standeskalendern unter den übrigen sogenannten Kammerkünstlern. Wenn Schlager die
Bemerkung macht, dass nach Steinle's Tode die Stelle eines Hof-Beinstechers nicht wieder besetzt
 
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