Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

DOI Artikel:
Ilg, Albert: Mathias Steinle
DOI Artikel:
Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [4]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0239
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
206

Dr. Friedrich Kenner.

liehen bedingt durch das feindliche Verhältnis von Neapel (König Ladislaus) zum päpstlichen Stuhle, so war diess
noch mehr der Fall unter der Regierung der Königin Johanna IL, als der Papst gegen diese Stellung nahm.
Braccio hatte schon 1416 Rom eingenommen und war als Rector urbis begrüsst worden, während die Engelsburg
im Besitze Giovanna II. verblieb; später von der Königin selbst gewonnen, eroberte er zweimal das Königreich
Neapel für sie (1420 und 1423), erhielt dafür die Grafschaft Foggia und das Fürstenthum von Capua nebst der
Würde eines Gran Conestabile und Oberfeldherrn aller Truppen der Königin, scheint aber zuletzt, als diese aber-
mals Lodovico von Anjou adoptirt und zum Nachfolger erklärt hatte, selbst nach der Krone von Neapel gestrebt
zu haben.1 Da er der Ansicht war, dass Derjenige, welcher die Abruzzen beherrsche, auch Herr von Neapel sei,

belagerte er Aquila mit grosser Hartnäckigkeit, um
diesen wichtigen Punkt in seine Gewalt zu bekommen.
Der eine Versuch des Entsatzes durch Attendolo
Sforza wurde durch dessen Tod vereitelt; einem
zweiten Entsatzheere lieferte Braccio eine Schlacht,
welche in Folge der Unvorsichtigkeit seiner Unter-
feldherren mit einer Niederlage endete, — die erste
grosse Schlacht, die er verlor. Zugleich erlitt er
eine Verwundung am Kopfe, an der er nach drei
Tagen (5. Juni 1424) starb.2 Braccio war in erster
Ehe seit i3g2 mit Elisabetta Ermanni (kinderlos
gestorben 141g), in zweiter seit 3o. November 1420
mit Nicola Varani, Witwe eines Malatesta, vermählt.

Zierliche Goldschrift: BRACCIVS< Brust-
bild links, im Profil, unbärtig, die kleinen
Augen schwarz, die starken, flachgeschwungenen
Brauen und das Haupthaar braun, die stumpfe
Nase und das Kinn vortretend, kleiner Mund,
volle Wangen; auf dem Kopfe ein hoher, hoch-
rother Hut mit aufgestellter Krampe, in hoch-
rothem Rock mit weissem Halsstreif, das ärmel-
lose Oberkleid lilafarbig, in Falten gezogen,
die an der linken Schulter durch eine Quer-
spange zusammengehalten werden. Grund
schwarz. — Copist F. — Katalog Nr. 700.

Florenz 197. — Jovius II, p. 7g, nur in un-
wesentlichen Dingen abweichend; nach ihm
Burmann, Thesaurus, Tom. VII, pars I, p. 116.
— Gleich bei Aliprando Capriolo, 42, und Totti, p. 64 (bis). — Iconografia Italiana (von Locatelli,
i836), Tom. III, ohne Tafelnummer, gleich, nur das Oberkleid mit Pelz verbrämt.

Giovio stellt sein und seines Gegners Sforza (Nr. i3o) Porträte einander gegenüber und bemerkt,
dass man verschiedene Bildnisse derselben aus verschiedenen Zeitaltern, d. h. alte und neuere,3 an
vielen Orten sehen könne,4 ein Umstand, der aus dem grossen Ruhme dieser Heerführer begreiflich
wird aber auch die kleinen Variationen erklärt, die in ihren Darstellungen beobachtet werden können.
Da alle Bildnisse des Braccio, die man seit Giovio kennt, den gleichen Typus aufweisen, scheinen sie
auf ein altes Original zurückzugehen, nach welchem auch sein Porträt im Palaste der Baglioni in
Perugia gemalt war; in diesem Hess Braccio II. Baglioni, ein Zeitgenosse des Lorenzo Magnifico

Nr. 62.

1 Ariodante Fabretti, Biografie dei Capitani Venturieri deU' Umbria, Montepulciano 1842, I, p. 269. Es geht diess
aus einem Briefe an seine zweite Frau hervor.

2 Lodovico Colonna machte die Leiche dem Papste Martin V. zum Geschenke, der sie, da Braccio im Kirchenbanne
gestorben war, vor den Mauern von Rom, an der Strasse nach San Lorenzo, in ungeweihter Erde bestatten Hess. Nach
acht Jahren gab Papst Eugen IV. die Leiche dem Neffen des Braccio, Niccolö della Stella; sie wurde nun eingesegnet, nach
Perugia überführt und in der Minoritenkirche daselbst beigesetzt. Der im Franciscanerconvente aufbewahrte Schädel
zeigt an der Seite ein Loch, das von der erhaltenen tödtlichen Wunde herrührt (Ariodante Fabretti, a.a.O. V, p. 154).

J Vgl. die italienische Ausgabe vom Jahre 1554, p. 144.

4 »Variae omnis aetatis eorum imagincs multis in locis spectantur.«
 
Annotationen